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Wir haben leider zu viele fossile Rohstoffe…

…überrascht Ottmar Edenhofer, Chefökonom des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und Ko-Vorsitzender der Arbeitsgruppe III des Weltklimarates gestern wieder einmal seine Zuhörer: Die Kohlevorräte reichten für die nächsten paar hundert Jahre. Statt der vielbeschworenen Energiewende sei daher weltweit vor allem eine Renaissance der Kohlenutzung zu beobachten.

Grüne Ökonomie ist kein Allheilmittel

Das viel gelobte Konzept des grünen Wachstums allein werde daher bei Weitem nicht ausreichen. Um sie geht es auf dem großen Umweltgipfel „Rio +20“ nächste Woche. Edenhofer betont, dass grüne Ökonomie ein Baustein, nicht aber ein Ersatz für Klimapolitik sein dürfe. Denn wenn der Eine effizienter produziere, sinken die Preise für fossile Rohstoffe für Andere. Und dann verbrauchen andere wieder viel mehr Rohstoffe und dem Klima ist nicht geholfen. Es sei eine Illusion, das allein als Klimapolitik zu bezeichnen. Vielmehr bedarf es einer Definition von Obergrenzen für den Verbrauch fossiler Rohstoffe. 

Prof Müller, Vorsitzender des MISEREOR Beirates ergänzt, dass sich Klimapolitik und Grüne Ökonomie an den Bedürfnissen der armen Länder und Menschen orientieren müssten. Grünes Wachstum sei nichts wert, wenn die Armut dadurch nicht bekämpft werde. Und: Nachhaltige Entwicklung erfordere, dass der Mensch und seine Rechte im Mittelpunkt stehen – natürlich ohne die Belastbarkeit des Planeten zu überfordern.

Deutschlands besondere Verantwortung

Der globale Ausstoß von Treibhausgasen werde also nicht von alleine sinken, sondern nur durch ambitionierte und vor allem globale Klimapolitik. In der Theorie ist es ganz einfach. Es werden nur begrenzte Emissionsrechte ausgegeben. Jedes Jahr weniger. Wer weniger ausstößt, als er darf, kann seine Rechte an andere verkaufen. Insgesamt bleibt also der jährliche Ausstoß von Treibhausgasen in den vorher definierten Grenzen. Das wird beim EU Emissionshandelssystem so praktiziert. Hier wurden Fehler gemacht. Grundsätzlich sei der Emissionshandel aber die richtige Wahl, um Klimaschutz global voran zu bringen. Dazu braucht es aber globale Klimaschutzziele. Die Klimaverhandlungen stockten aber.

Umso wichtiger, meint Edenhofer, dass endlich einer den Beweis antrete, dass Klimaschutz und Wachstum voneinander entkoppelt werden können. „Deutschland hat sich dieses Ziel mit der Energiewende gesetzt und darf dabei nicht scheitern.“ Die Arbeit fange gerade erst –schleppend – an. „Wenn die Energiewende aber gelingt, kann Deutschland die Welt überzeugen, es ihr gleich zu tun.“

Gerechtigkeit als Leitfaden einer globalen Umweltpolitik

Ich folge diesem Diskurs in der historische Kuppel auf dem Potsdamer Telegraphenberg, wo 2007 das Gemeinschaftsprojekt „Klimawandel und Gerechtigkeit“ zwischen PIK, dem IGP der Münchner Rück Stiftung und MISEREOR seinen Ausgang nahm. Heutiger Anlass ist die Veröffentlichung des Abschlussproduktes aus der Zusammenarbeit: Eine Publikation im Springer Wissenschaftsverlag mit dem Titel: Climate Change, Justice and Sustainability.

Darin wird skizziert, wie Gerechtigkeit so definiert werden kann, dass sie handlungsleitend wird für die Klima- und Nachhaltigkeitspolitik. Zum Beispiel dadurch, dass die Emissionsrechte weltweit so verteilt werden, dass jeder Bürger weltweit die gleichen Rechte erhält. Und darüber, dass diejenigen, die durch die Verbrennung fossiler Rohstoffe reich geworden sind, nun teilen müssen und Entwicklungsländer bei der Anpassung und beim Klimaschutz unterstützen müssen.

Jennifer Morgan, Direktorin des Klima und Energieprogramm am renommierten US amerikanischen World Ressource Institute begrüßt außerordentlich den Abschnitt des Buches, in dem Gerechtigkeit definiert und für die Klimapolitik ausbuchstabiert wird. „Gerechtigkeit kann ein starkes politisches Moment erzeugen und die Regierungen der Welt zum Handeln zwingen.“

Einige Zuhörer bleiben skeptisch. Bisher scheint der Klimawandel ja auch nur wenige wirklich zu kümmern. So ähnlich resigniert klangen viele Menschen in den Entwicklungsländern, die wir im Rahmen des Projektes in unsere Debatten zu einer gerechten Welt im Klimawandel einbezogen haben. Shelly aus Bangladesch fragte: Kümmert es überhaupt jemanden, wenn Bangladesch untergeht?

Was meinen Sie?

Buch: Edenhofer, O.; Wallacher, J.; Lotze-Campen, H.; Reder, M.; Knopf, B.; Müller, J. (Eds.): Climate Change, Justice and Sustainability – Linking Climate and Development Policy. Springer, June 2012, ISBN 978-94-007-4539-1
 
 
 

Geschrieben von:

Ansprechtpartnerin

Anika Schroeder ist Expertin für Klimawandel und Entwicklung bei Misereor.

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