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Kohle-Bergbau in Kolumbien – zu welchem Preis?

Für den Klimaschutz ist der Ausstieg aus Kohle und Öl keine Frage und erneuerbare Energie eine Antwort für klimafreundliche Energieversorgung.

Wir stellen Partnerorganisationen aus unterschiedlichen Ländern vor, die sich gegen die Nutzung fossiler Energieträger und für kohlenstoffarme Entwicklung einsetzen.

Kolumbien

Kohleabbau in Kolumbien

In Kolumbien liegen die beiden wichtigsten Kohleabbau-Regionen im Norden des Landes. Foto: Susanne Friess

In diesem Artikel stellen wir die Arbeit von Partnern aus Kolumbien vor.  Viele unserer Partner werden bedroht, weil sie sich gegen Kohle und für die Rechte von Indigenen und Vertriebenen einsetzen. Wir haben mit der Mitarbeiterin einer  Partnerorganisation gesprochen, die selbst bedroht worden ist. Sie konnte über ein Förderprogramm der EU zum Schutz von MenschenrechtsverteidigerInnen vorrübergehend ins Exil gehen und in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Menschenrechtspolitik (CAHR) der Universität York diesen Aufenthalt sinnvoll nutzen – nicht alle bedrohten MenschenrechtsverteidigerInnen in Kolumbien haben diese Möglichkeit. Leider konnten wir daher kein Interview veröffentlichen.

Kolumbien setzt weiter auf Kohle

Kolumbien nutzt seine eigene Kohle nur zu einem geringeren Teil – es gibt insgesamt sechs Kohlekraftwerke in Kolumbien  – diese produzieren 19 % der Energie – ansonsten werden 75 % der Energie über Wasserkraftwerke erzeugt – Kolumbien verfügt über 22 Wasserkraftwerke . Die nationale Energieplanungsbehörde UPME (Unidad de Planeación Minero Energética) erwartet für die nächsten 20 Jahre eine Verdoppelung des Energiebedarfs, welcher über neue Kohle-, Gas-, aber vor allem auch Wasserkraftwerke und den Ausbau der Erneuerbaren gedeckt werden soll – geplant sind vor allem der Ausbau der Windenergie im Norden und ein Geothermie- sowie ein Biomassekraftwerk im zentralen Hochland . Die Erneuerbaren machen am Energiemix bisher 6 % aus – die Regierung zählt dabei die großen Wasserkraftwerke nicht zu den Erneuerbaren – lediglich kleinere Wasserkraftwerke und vor allem Windenergie.

Gemeinsam mit dem Anwaltskollektiv und Projektpartner CCAJAR  (Colectivo de Abogados José Alvear Restrepo) hat Misereor kürzlich in einer Pressemitteilung  auf die Verschärfung der Dürresituation durch den Kohlebergbau aufmerksam gemacht. Wir prangern darin besonders die Unterernährung und den Hungertod von Kindern im kolumbianischen Departement La Guajira infolge von Wassermangel und Dürre an, der durch den Kohleabbau verursacht wurde und fordern die Einhaltung der Menschenrechte für die vorwiegend indigene Bevölkerung der Wayúu in La Guajira ein.

© google maps

Ganz im Norden liegt das Zentrum des kolumbianischen Kohlebergbaus. Von den Häfen dort wird die Kohle auch zu uns nach Deutschland verschifft. © google maps

Kohle aus Kolumbien in deutschen Steinkohlekraftwerken

Deutschland importiert nach wie vor große Mengen kolumbianischer Steinkohle – im Jahr 2015 waren dies 10,35 Millionen Tonnen, was 18,5 % der Gesamtimporte ausmacht. Die beiden wichtigsten Kohleabbauregionen liegen in den Departements La Guajira und César im Norden des Landes. Hier begleiten Projektpartner von MISEREOR vom Kohleabbau betroffene Gemeinden. Immer wieder kommt es zu schweren Verstößen gegen Umweltrichtlinien, Umsiedlungen von Gemeinden werden nicht ordnungsgemäß durchgeführt und es kommt immer wieder auch zu schweren Menschenrechtsverletzungen im Umfeld des Kohlebergbaus.

Widerstand wird unterdrückt

Im September 2016 wurde Néstor Iván Martínez, Vertreter einer afro-kolumbianischen Gemeinde, ermordet – kurz nachdem er Drohungen von einer neo-paramilitärischen Gruppe erhalten hatte. Er hatte sich gegen die Expansion des Kohletagebaus durch das nordamerikanische Unternehmen Drummond eingesetzt. Im Januar 2017 wurde Aldemar Parra ermordet. Er war Vertreter der Gemeinde El Hatillo, deren Umsiedlung von der Regierung angeordnet worden war wegen der unzumutbaren Umweltbelastung und den daraus folgenden Auswirkungen auf die Gesundheit der Gemeindemitglieder. Die Gemeinde El Hatillo verhandelt seit 2010 mit den Bergbau-Unternehmen über einen sozial gerechten Umsiedlungsplan. Dennoch handelt es sich in den Augen der Gemeinden und der sie begleitenden Organisationen um eine Zwangsumsiedlung.  Dieser Umsiedlungsprozess zieht sich seit Jahren hin. Aldemar Parra hat sich dabei für die Rechte der umzusiedelnden Gemeinde eingesetzt. Die beiden in der Region aktiven Kohlebergbau-Unternehmen Drummond und Prodeco haben die Ermordung des Gemeindeführers zwar offiziell verurteilt – weitere Schritte sind jedoch nicht erfolgt. Die Morde blieben bisher unaufgeklärt.

Auch die Nichtregierungsorganisation Tierra Digna setzt sich für die Rechte der von Umsiedlung betroffenen Gemeinden ein. Sie berichtet von den gravierenden Umweltauswirkungen und von den angeordneten „unfreiwilligen Umsiedlungen“ für die drei Gemeinden Plan Bonito, El Hatillo und Boquerón wegen der nicht mehr verantwortbaren Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen. Laut Tierra Digna werden immer wieder gerichtliche Verfügungen missachtet durch die Behörden wie auch durch die Minenbetreiber: So genehmigte die Nationale Behörde für die Vergabe von Umweltlizenzen (ANLA – Agencia Nacional de Licencias Ambientales) den Unternehmen Glencore und Drummond die Ausweitung des Kohleabbaus in der Region – trotz der zuvor gerichtlich angeordneten Verschärfung der Verschmutzungsregelung. Diese und andere Unregelmäßigkeiten und Verstöße gegen die Rechte der betroffenen Gemeinden klagt Tierra Digna gemeinsam mit vielen anderen Nichtregierungsorganisationen immer wieder an – nicht ohne Folgen.

So kann ein „Ersatzdorf“ für Menschen aus den Kohleregionen Kolumbiens aussehen. In dieser Siedlung für die Umgesiedelten bei Valledupar in der Provinz Cesar gibt es wenig Möglichkeiten, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten und manchmal noch nicht mal einen Wasseranschluss. Foto: Susanne Friess

Im Juni 2015 veröffentlichte Tierra Digna  einen kritischen Bericht dazu, wer an dem Kohlegeschäft in Kolumbien verdient und wer dafür hauptsächlich bezahlt. Betroffen sind vor allem die Gemeinden in den Abbauregionen, die zu den ärmsten Regionen im Land gehören mit fehlender sozialer Infrastruktur und fehlenden Entwicklungsmöglichkeiten. Im Bericht „El Carbón de Colombia  – Quien gana y quien pierde? Minería, comercio global y cambio climático“ (Kohle in Kolumbien – wer gewinnt – wer verliert? Bergbau, globaler Handel und Klimawandel) stellt Tierra Digna das Entwicklungspotenzial der Kohleindustrie für die betroffenen Regionen und das derzeitige auf Bergbau basierende Entwicklungsmodell Kolumbiens in Frage. Zweifelsohne trägt der Kohlebergbau und -export zur Entwicklung des nationalen Bruttoinlandsproduktes und somit zum gesamtwirtschaftlichen Wachstum bei, aber der Preis für die in der Abbauregion lebenden Menschen ist zu hoch. Diese haben unter den schwerwiegenden negativen sozialen, kulturellen und Umweltfolgen zu leiden.

Entwicklung muss ohne Kohleabbau möglich sein

Tierra Digna fordert, dass das Ziel der Entwicklungsbemühungen in erster Linie die Verbesserung der Lebensqualität der Menschen sein müsse – und dies sei durch den Kohlebergbau nicht möglich. Seit 20 Jahren expandiert der Kohlebergbau in den Provinzen La Guajira und César –die Infrastrukturentwicklung sowie die Investitionen haben sich nur an diesem Ziel ausgerichtet – und weitere Entwicklungseffekte für die Region oder alternative Entwicklungsmöglichkeiten vollkommen vernachlässigt. Tierra Digna fordert in dem Bericht auch angesichts des fortschreitenden Klimawandels so schnell wie möglich Entwicklungsalternativen für die Kohlebergbau-Regionen zu entwickeln. Sie sehen einen großen Widerspruch in der Klimapolitik der kolumbianischen Regierung, die einerseits nach dem Pariser Abkommen auf nationaler Ebene die erneuerbaren Energien ausbauen will, andererseits jedoch den Kohleexport weiter massiv fördert.

Im Rahmen des kolumbianischen Friedensprozesses wird auch insbesondere für die vom bewaffneten Konflikt betroffenen Regionen eine integrale Beteiligung der Zivilgesellschaft an Dialogen und Prozessen diskutiert. Ein Partner aus Kolumbien formulierte dies so: 

„Die Auswirkungen auf die Rechte der Gemeinden – wie das Recht auf würdigen Verbleib auf dem Territorium, das Recht in einer gesunden Umwelt zu leben, Zugang zu Wasser zu haben, sich angemessen ernähren zu können, den Schutz des Staates zu genießen – all dies hängt aufs Engste zusammen mit den Möglichkeiten, einen dauerhaften und stabilen Frieden in Kolumbien zu schaffen. Deshalb sind die Menschenrechts- und Umweltvergehen, die die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen mit sich bringen,  – etwa zu sehen in den Departements Cesar und Magdalena – eine Gefahr für den Frieden und müssen heute, mehr denn je, beendet werden.“

 

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Susanne Breuer ist Referentin für Lateinamerika und Ernährung.

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