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Einsatz von Pestiziden: Ein giftiges Geschäft

Im großflächigen Soja-und Maisanbau der großen Agrarländer Lateinamerikas kommen jährlich Millionen Liter Pestizide zum Einsatz. Die genmanipulierten Pflanzen sind resistent gegen das Breitbandherbizid Glyphosat, sodass der Einsatz des Herbizids vorprogrammiert ist. In der Zeit von 1996 bis in die Gegenwart hat sich der Glyphosateinsatz in Argentinien und Brasilien verdoppelt. Die beiden Länder gehören zu den größten Pestizidmärkten weltweit.

Sojaanbau in Argentinien / Florian Kopp

Die Menschen in den Anbauregionen berichten von Sprüheinsätzen in unmittelbarer Nähe zu ihren Häusern, Schulen und Brunnen. Mindestabstände zu Wohnsiedlungen werden von den Sprühfahrzeugen und -flugzeugen in vielen Fällen nicht eingehalten. Die Anwohner erkennen bei sich und ihren Kindern immer wieder Symptome akuter Pestizidvergiftungen wie Hautausschläge, Schwindel und Kopfschmerzen. Ärzte beobachten, dass sich die Krankheitsbilder in den Hauptanbauregionen von Soja verändern, und zwar im Zusammenhang mit dem steigenden Pestizideinsatz. Sie registrieren eine ungewöhnliche Häufigkeit von angeborenen Fehlbildungen, DNA-Schädigungen, Fehlgeburten und Krebserkrankungen.

99 Prozent der Todesfälle in Entwicklungsländern

Doch das Problem begrenzt sich nicht auf Glyphosat. Im globalen Süden ist eine breite Palette an Pestizid-Wirkstoffen auf dem Markt, darunter auch hochgiftige Pestizide, die bei uns auf dem europäischen Markt aufgrund nachgewiesener Gefahren verboten sind. Die Hürden für die Zulassung sind niedrig, denn in den entscheidenden Gremien sitzen Interessensvertreter jener Unternehmen, die die Produkte verkaufen. Eine effektive Gesetzgebung, die die Schädlichkeit von Pestiziden prüft und von Vergiftungen betroffene Opfer entschädigt, existiert in den meisten Ländern nicht. Hochrechnungen zufolge leiden bis zu 41 Millionen Menschen weltweit an den Auswirkungen von Pestiziden auf ihre Gesundheit. An akuten Pestizidvergiftungen sterben jährlich 200.000 Menschen, 99 Prozent dieser Todesfälle ereignen sich in Entwicklungsländern.

In einem Workshop im März 2019 haben sich MISEREOR-Partnerorganisationen, Anwälte, Ärzte und soziale Bewegungen aus Mexiko, Brasilien, Argentinien, Paraguay, Chile und Bolivien getroffen, um sich über die grenzübergreifenden Probleme auszutauschen.

Brasilien: Weltmeister im Pestizid-Verbrauch

Im Jahr 2009 erreichte Brasilien den traurigen Weltrekord, als erstmals eine Milliarde Liter Pestizide auf brasilianischen Feldern versprüht wurde. Bei dem Workshop berichtet Fran Paula de Castro, die bei der Partnerorganisation FASE im Bundesstaat Mato Grosso, arbeitet:

Fran Paula de Castro

Wir haben das Problem, dass Agrargifte undifferenziert und im großen Stil angewendet werden. Gegenwärtig versucht die Lobby des Agribusiness bestehende Gesetze aufzuweichen.“

Nach dem Amtsantritt der Regierung Bolsonaro wurden allein in den ersten 42 Amtstagen 57 neue Pestizide zugelassen, zwölf davon aus der höchsten Toxizitätsklasse.

Die Auswirkungen der Pestizide unterscheiden nicht zwischen städtischer und ländlicher Bevölkerung, dennoch sind die indigenen und kleinbäuerlichen Gemeinden besonders betroffen. Die Pestizideinsätze sind existenzbedrohend für sie. Die Menschen haben ein Recht auf eine gesunde Umwelt und darauf, gesunde, agrarökologische Lebensmittel anzubauen.“

Schutzlose Anwendung: Kleinbauern riskieren ihre Gesundheit und Umwelt

Eine Untersuchung in Bolivien zeigt, dass hochgiftige Pestizide verkauft werden, ohne dass die Anwenderinnen und Anwender angemessen über die Gefahren für ihre Gesundheit und die nötigen Schutzmaßnahmen aufgeklärt werden. Schutzkleidung ist in vielen Fällen schwer zu bekommen und teuer. Auch fehlen auf den Flaschen und in den Gebrauchsanleitungen Informationen zu den Risiken für die Gesundheit, sind nicht in den lokalen Sprachen verfasst oder die Anwender können nicht gut genug lesen.

Adriana Montero, die Leiterin der Partnerorganisation INCADE, berichtet:

Adriana Montero

Die Betroffenen sind die Landarbeiter und ihre Familien. Es gibt ein großes Unwissen was die Anwendung von Pestiziden betrifft. Sie wissen nicht, wie giftig die Wirkstoffe sind, die sie ohne angemessenen Schutz versprühen. Das Wasser, das zum Auswaschen der Geräte verwendet wird, wird in Flüsse, Bäche oder in die Felder entleert. Das Ausmaß der Verschmutzung ist weitreichend.“

Entsprechend setzt sich INCADE  dafür ein, die Menschen über die Gefahren des Pestizideinsatzes zu informieren und agrarökologische Alternativen zu fördern.

Über die Autorin: Sarah Schneider arbeitet bei MISEREOR in der Abteilung „Politik und globale Zukunftsfragen“ mit dem Schwerpunkt Ernährung.

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Sarah Schneider ist Expertin für Landwirtschaft und Welternährung bei Misereor.

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