Die ugandische Umweltaktivistin Hamira Kobusingye kämpft gegen die Klimakrise. Das wird von der Regierung in Kampala ungern gesehen. In Bremen bekommt sie dafür den Solidaritätspreis.
Als die junge ugandische Umweltaktivistin Hamira Kobusingye im Frühjahr 2023 eine E-Mail aus Deutschland bekommt, verschiebt sie die Nachricht erst einmal in ihren Spam-Ordner. Wer sollte auf die Idee kommen, ausgerechnet ihr den diesjährigen Solidaritätspreis der Hansestadt Bremen zum Thema „Klimagerechtigkeit“ zu verleihen? Netter Versuch, dachte sie, aber den Betrug durchschaue ich. Erst nach der dritten E-Mail mit dem Betreff: „Einladung zur Preisverleihung in Bremen“ und einem Telefonat mit der Bremer Senatskanzlei beginnt sie der Sache zu trauen, erzählt sie etwas verlegen.
Bis heute weiß sie nicht, wer sie für diesen Preis, der mit 10.000 Euro dotiert ist, vorgeschlagen hat. Und der Gedanke an die Preisverleihung im Herbst macht sie immer noch etwas nervös. „Ich weiß nicht, ob ich schreien oder einen soll vor Freude“, sagt sie und setzt hinzu: „Ich freue mich, dass ich so vielen jungen Menschen in Uganda ein Vorbild sein kann.“
Großmutters Gemüseverkauf für Hamiras Schulbildung
Aufgewachsen ist die heute 28-jährige Hamira Kobusingye in einem der zahlreichen Armenviertel der ugandischen Hauptstadt Kampala bei ihrer alleinerziehenden Mutter. Schon früh hat sie die Erfahrung gemacht, dass ihre Schulbildung unmittelbar mit dem Klima zusammenhing, denn ihre Großmutter bezahlte ihre Schulgebühren von den Einnahmen, die sie mit dem Verkauf ihres selbst angebauten Gemüses auf dem Markt erwirtschaftete. „Ich hatte wirklich Glück, dass das Wetter damals stabil war und meine Oma stets eine gute Ernte hatte“, erinnert sich Kobusingye an ihre Schulzeit. „Ich kannte viele Kinder, die die Schule abgebrochen haben, weil die Eltern sich die immer teurer werdenden Schulgebühren nicht mehr leisten konnten.“
Kobusingye schaffte es dank des Gemüseackers ihrer Großmutter bis zum Abschluss an der Sekundarschule. Danach war sie zunächst arbeitslos und fand nirgends einen Job. Also beschloss sie, sich mit einem eigenen Unternehmen selbstständig zu machen. Sie eröffnete einen Reinigungsservice, auch weil sie Arbeitsplätze für Frauen schaffen wollte. Mittlerweile beschäftigt sie 35 junge Frauen, darunter viele alleinerziehende Mütter. Ihre Firma verwaltet Kobunsingye bis heute vom Küchentisch ihrer Mutter aus. Obwohl sie mittlerweile ein angemessenes Monatseinkommen hat, lebt sie nach wie vor mit ihrer Mutter im Armenviertel.
Von dort aus engagiert sie sich auch ein bis zwei Tage in der Woche für ihre Initiative „Klimagerechtigkeit in Afrika“. Sie bringt jungen Frauen und Mädchen in den Armenvierteln Kampalas bei, wie sie auf ihren Hausdächern oder Vorgärten in alten Plastikbehältern kleine Gemüsegärten anlegen können, um ihre Familien damit zu versorgen oder die Erträge auf dem Markt zu verkaufen. Erst kürzlich pflanzte sie gemeinsam mit ihren Mitstreiter*innen in den Vierteln Hunderte Mango-, Avocado- und Papaya-Bäume. Diese Bäume sind nicht nur gut für das Klima, sondern werfen auch Früchte ab, die man direkt essen kann und die noch dazu gesund sind.“
Die Idee, sich der internationalen Klimabewegung „Fridays for Future“ anzuschließen, hatte sie im Sommer 2019, erzählt Kobusingye. Damals schien in Uganda die Sonne so heiß, dass die Ernte in den frisch angelegten Stadtgärten überall einging. „Das hat mich sehr beschäftigt und nicht mehr losgelassen“, sagt sie und erzählt, dass sie sich bei jeder neuen Hitzebotschaft ausrechnete, wie vielen Eltern dadurch das Geld für Schulgebühren fehlen würde.
Das Mobiltelefon als wichtigste Waffe im Kampf gegen den Klimawandel
Als im Frühjahr 2020 Ugandas Regierung aufgrund der Corona-Pandemie einen kompletten Lockdown verhängte und die Stadtgärten für viele Frauen und Kinder in den Armenvierteln zum wichtigsten Einkommensfaktor wurden, fing sie an, zu extremen Wetterereignissen zu recherchieren, um zu verstehen, wieso die Ernte im Vorjahr so gering ausgefallen war. „Da stieß ich auf das Problem der Klimaerwärmung.“ Sie entschied, einen Twitter-Account zu eröffnen und eine Kampagne für eine Klimawende zu starten. „Am Anfang war ich alleine“, sagt sie, „das deprimierte mich sehr. Deswegen schloss ich mich Fridays for Future an, fing an, neue Aktivistinnen und Aktivisten zu gewinnen und zeigte ihnen, wie man Aktionen
plant und durchführt.“
Kobusingyes Mobiltelefon ist seitdem ihre wichtigste Waffe, und es steht niemals still. Stetig piepst und blinkt es. In ihrer Fotosammlung auf dem Handy hat sie zahlreiche ihrer Protestaktionen auf Kampalas geschäftigen Straßen dokumentiert, an denen sie in den vergangenen Jahren teilgenommen hat. Das ostafrikanische Land ist vom Klimawandel stark betroffen: Überschwemmungen durch Starkregen, Erdrutsche, dazwischen lange heiße Trockenzeiten, die die Ernten eingehen lassen und damit steigende Lebensmittelpreise zur Folge haben. „All das führt in Uganda dazu, dass die finanziellen Mittel schrumpfen, und wenn diese schrumpfen, werden Mädchen seltener zur Schule geschickt, was bedeutet, dass sie in der Regel früher schwanger werden“, zählt Kobusingye die Konsequenzen der Klimakrise für Bildung und Lebensgestaltung insbesondere von Mädchen und jungen Frauen auf.
Im vergangenen Jahr hat sich ihr Aktivismus allerdings stark verändert. Seitdem auch die Klimabewegung in Europa gegen die geplante Ölpipeline EACOP (Ostafrikanische Rohölpipeline) vorgeht, die längste geheizte Ölpipeline der Welt, die von Ugandas Ölfeldern über 1.400 Kilometer bis zum Indischen Ozean an der Küste Tansanias verlegt werden soll, geht Ugandas zunehmend autokratisches Regime brutal gegen Klimaaktivistinnen wie Kobusingye vor.
Bei zahlreichen Demonstrationen in Kampala wurden Ugandas Aktivist*innen von der Polizei brutal misshandelt, festgenommen, mehreren Umweltschutzorganisationen wurde die Lizenz entzogen. Dieses radikale und gewalttätige Vorgehen zeige, so Kobusingye, „dass wir einen wirklich guten Job gemacht haben als aktive Bürgerinnen und Bürger von Uganda. Wir haben erreicht, dass die Klimabewegung mittlerweile weltweit über diese Pipeline spricht“, freut sie sich. Doch sie muss auch zugeben, dass sie und ihre Mitstreiter*innen in Uganda selbst nun vorsichtiger sein müssen, um nicht im Gefängnis zu landen: „Deswegen pflanze ich jetzt lieber überall Bäume, statt auf den Hauptstraßen zu protestieren“, sagt sie und grinst.
Autorin: Dieser Text wurde von Simone Schlindwein verfasst und ist erstmals in dem Misereor-Magazin frings. erschienen.
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