Auf der letztjährigen COP28 in den Vereinigten Arabischen Emiraten, konnten sich alle Vertragsstaaten erstmalig auf die Abkehr von fossilen Brennstoffen, der Verdreifachung der globalen Erneuerbaren-Kapazitäten und Verdopplung der globalen Energieeffizienz bis 2030 einigen. Diese Entscheidung wurde weltweit als ein eindeutiges politisches Signal für den Beginn vom Ende der fossilen Ära gefeiert. Das Ziel, Netto-Null-Emissionen bis 2050 und damit das 1,5 Grad Limit einzuhalten, erschien so greifbar wie noch nie zuvor. Wie ist der aktuelle Stand?
Seit der letzten COP scheinen viele Vertragsstaaten unter Gedächtnisverlust zu leiden: Nur vier Monate nach der COP28, nutzen die Vereinigten Arabischen Emirate ihren neu aufgesetzten ALTÉRRA-Klimafond um den Bau einer großen fossilen Gaspipeline in Nordamerika mit 300 Millionen US Dollar zu unterstützen. Aserbaidschan, das Ausrichtungsland der kommenden COP29 im November 2024, behauptet, dass die Förderung von fossilen Brennstoffen selbstverständlich mit dem Klimaschutz vereinbar sei. Brasilien meint, dass jedes Land für sich selbst definieren kann, was mit dem 1,5 Grad-Limit zu vereinbaren ist. Auch Deutschland bekleckert sich nicht mit Ruhm: Im Februar, nur zwei Monate nach der COP28, beschloss die Bundesregierung ein 16 Milliarden Euro schweres Paket für den Bau von vier großen Erdgaskraftwerken.
Um zu gewährleisten, dass die in den Vereinigten Arabischen Emiraten erzielten Erfolge auch in die Realität umgesetzt werden, müssen neue Impulse für stärkere Ambitionen und der Umsetzung gegeben werden und die Erwartungen im Vorfeld der COP29 klar definiert werden. Der Weltgipfel für Erneuerbare Energien (engl.: Global Renewables Summit) sowie der UN-Zukunftsgipfel in New York sind hierfür entscheidende Momente.
Germanwatch und Misereor fordern von Deutschland:
1. Den Einsatz für nationale Klimaschutzbeiträge, die mit dem 1,5 Grad-Limit kompatibel sind.
Spätestens 2025 müssen alle Vertragsstaaten ihre neuen nationalen Klimaschutzbeiträge (engl.: Nationally Determined Contributions, kurz NDCs) einreichen. NDCs sind das Herzstück des Pariser Klimaabkommens. Durch sie beschreiben die einzelnen Länder, wie sie dazu beitragen wollen, die globale Erwärmung auf bestenfalls 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Die derzeitigen NDCs verfehlen das 1,5 Grad-Limit drastisch und würden stattdessen zu einer globalen Erwärmung von 2,1 bis 2,8 Grad führen.
Deutschland sollte in New York für ambitionierte NDCs, die mit dem 1,5 Grad-Limit vereinbar sind, werben und gleichzeitig der eigenen Verantwortung gerecht werden. Zur eigenen Verantwortung gehört, dass Deutschland sich für ein ambitioniertes EU-NDC einsetzt. Ein erster Schritt dafür ist, dass Deutschland, das von Ursula von der Leyen in ihrer Antrittsrede unterstützte Ziel von 90 Prozent Emissionsminderung bis 2040 mitträgt. Für das EU-NDC bedeutet dies eine Emissionsminderung von 78 Prozent bis 2035. Deutschland sollte sich dafür einsetzen, dass dies im EU-NDC verankert wird. Außerdem muss sich Deutschland dafür einsetzen, dass das EU-NDC ambitionierte fossile Ausstiegsdaten definiert (Kohle: 2030, Gas: 2035, Öl: 2038) und ein Ende aller fossilen Subventionen beschließt.
2. Ambitionierten nationalen Klimaschutz.
Um sich glaubhaft für ein ambitioniertes EU-NDC einsetzen zu können, muss Deutschland aber zunächst zuhause ambitionierten Klimaschutz beweisen. Der vor wenigen Wochen verspätet eingereichte Nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP) ist jedoch weit davon entfernt. Anstatt die Verspätung für mehr Ambitionen zu nutzen, zeigen sich im deutschen NEKP neue Verschleierungstaktiken für wichtige klimapolitische Entscheidungen. Besonders mit Blick auf das EU-NDC, das auch durch diesen Prozess beeinflusst werden soll, muss Deutschland dringend nachrüsten. Das gilt für Erneuerbare Energien, aber besonders für den fossilen Ausstieg. Hier ist eine klare Sprache zu ambitionierten fossilen Ausstiegsdaten notwendig: Kohle als fossilen Brennstoff bis 2030 beenden, ab 2035 Energieversorgung ohne Gas und ab 2038 ohne Öl. Ein erster entscheidender Schritt ist die Ankündigung, alle fossilen Subventionen zu beenden. New York könnte hierfür eine internationale Bühne bieten.
3. Gezielte Energiediplomatie beim UN-Zukunftsgipfel in New York.
Als Verhandlungsführer des UN-Zukunftsgipfels in New York sollte Deutschland sicherstellen, dass der dort beschlossene Pakt für die Zukunft, die Beschlüsse der COP28 bekräftigt, vor allem die beschleunigte und gleichzeitig gerechte und geordnete Abkehr von allen fossilen Brennstoffen in den Energiesystemen.
Außerdem sollte Deutschland gemeinsam mit anderen Vorreiterländern eine Gruppe der “Erneuerbaren Champions” gründen, die sich ambitionierte nationale Ziele für den Ausbau der Erneuerbaren Energien, die Steigerung der Energieeffizienz und den Ausstieg auf den fossilen Brennstoffen setzen. Hier kann Deutschland an bereits bestehende diplomatische Beziehungen zum Beispiel im Rahmen der Accelerated Partnership for Renewables in Africa (APRA) anknüpfen. APRA besteht aus sieben afrikanischen Ländern, darunter Äthiopien, Ghana, Kenia, Namibia, Ruanda, Sierra Leone und Simbabwe. APRA wird von internationalen Partnern wie Deutschland unterstützt, das Ziel, sich von fossilen Brennstoffen zu verabschieden, und bis 2030 die Erneuerbaren Energien zu verdreifachen und die Energieeffizienz zu verdoppeln. Drei der afrikanischen Länder (Simbabwe, Kenia und Sierra Leone) werden beim Global Renewables Summit erwartet. Deutschland könnte diese Gelegenheit nutzen, um mit diesen Ländern erste Gespräche über eine Gruppe der “Erneuerbaren Champions” führen.
4. Den Einsatz für ein Finanzierungspaket mit dem Schwerpunkt Globaler Süden.
Ohne eine deutliche Steigerung der finanziellen Mittel können Länder des Globalen Südens das Energiemaßnahmenpaket der COP28 nicht umsetzen. Denn noch immer konzentriert sich ein Großteil der Klimaschutzinvestitionen auf G20-Staaten und weiteren Industrieländern. Weniger als 1 Prozent der globalen Investitionen in Erneuerbare zwischen 2013 und 2020, wurden in den am wenigsten entwickelten Ländern getätigt. Dazu kommt, dass viele Länder des Globalen Südens hoch verschuldet sind. Die hohe Verschuldung lässt keinen fiskalischen Spielraum, um notwendige Investitionen in den Klimaschutz zu tätigen. Außerdem behindern hohe Zinsen den Ausbau von Erneuerbaren. Auch deshalb bleiben fossile Infrastrukturen leider weiterhin attraktiv, da sie oft mit niedrigeren Anfangsinvestitionen verbunden sind.
Eine wichtige Voraussetzung für die notwendigen Investitionen ist, dass die Schuldenlast für viele Entwicklungsländer reduziert wird. Kurzfristig benötigen Länder des Globalen Südens weitreichende Schuldenerlasse (besonders vulnerable Ländergruppen) und eine deutlich erhöhte Bereitstellung von stark vergünstigten Krediten und Zuschüssen. Diese zusätzlichen Finanzmittel können zum Beispiel durch gezielte Steuern auf Sektoren wie den Luft- und Seeverkehr, die Besteuerung von Superreichen oder durch die Umwidmung von Subventionen für fossile Brennstoffe erbracht werden.
Der Pakt für die Zukunft bietet eine gute Gelegenheit, die Verschuldungsproblematik, Steuern und die damit zusammenhängende umfassende Reform des globalen Finanzsystems voranzutreiben. Deutschland sollte sich in New York dafür einsetzen, dass der Pakt die Schuldenproblematik thematisiert, konkrete Forderungen nach Steuern auf Luft- und Seeverkehr und eine Besteuerung der Superreichen vorantreibt und die UN eine zentrale Rolle in der globalen Steuerkooperation übernimmt. Außerdem sollte Deutschland für umfassende finanzielle Unterstützung, zum Beispiel im Rahmen eines ambitionierten neuen Klimafinanzierungsziels, welches auf der COP29 in Baku beschlossen werden soll, werben.
Ein gemeinsamer Beitrag von Misereor und Germanwatch.
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