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„Die Hoffnung hält sie aufrecht“

In Chihuahua erinnern mehrere Denkmäler an ermordete Menschenrechtsaktivist*innen. Die Stadt gehört zu den gefährlichsten den Landes. © Susanne Breuer

In einem der gefährlichsten Bundesstaaten Mexikos, kämpft die Menschenrechtsorganisation CEDEHM für den Schutz von Menschenrechtsverteidiger*innen, von Frauen und von Angehörigen verschwundener Menschen. Gewaltsam Verschwundene sind keine Seltenheit in der Region Chihuahua. Die Angehörigen kämpfen bis zuletzt hoffnungsvoll für die Aufklärung der Fälle. Susanne Breuer, Politikreferentin für Lateinamerika, findet das mutig und inspirierend.

Warum hat dich das Projekt CEDEHM als langjährige Misereor-Mitarbeiterin besonders beeindruckt?

Eigentlich gibt es sehr viele Projekte, die mich beeindrucken – in Kolumbien, Mexiko, Guatemala, Venezuela, Brasilien. Es fällt mir gar nicht so leicht, eines herauszugreifen. Aber das mexikanische Projekt CEDEHM in Chihuahua ist mir tatsächlich sehr ans Herz gewachsen. CEDEHM, „Centro de Derechos Humanos de las Mujeres“, ist eine Frauenrechtsorganisation, die Opfer von Menschenrechtsverletzungen juristisch vertritt und begleitet: Opfer von Femizid, Menschenhandel, Folter, Verschwindenlassen, sexueller und häuslicher Gewalt. CEDHEM setzt sich für die Rechte der Frauen ein und fördert aktiv die Stärkung und die Führungsrolle anderer Frauen. Ich habe das Projekt zunächst alleine und dann mit einer Gruppe von Journalist*innen besucht, als Luz Estela “Lucha” Castro noch Direktorin war – eine beeindruckende Anwältin.

Was macht die Arbeit der Partner*innen so bemerkenswert?

Die Arbeit ist so beachtlich, da es ein feministisches Projekt in einer extrem patriarchalisch geprägten Gesellschaft ist. Zudem wurde die Region Chihuahua in den letzten Jahren zunehmend militarisiert. CEDEHM arbeitet also in einem Umfeld, in dem es durchaus gefährlich ist, sich für Menschen- und Frauenrechte einzusetzen.

Besonders deutlich wurde mir dies, als Lucha mich zu einer Gedenkstätte im Zentrum von Chihuahua führte – direkt gegenüber des Regierungspalastes, wo Marisela Escobeda Ortiz 2010 erschossen wurde. Sie hat jahrelang dafür gekämpft, dass der Mord an ihrer Tochter aufgeklärt und die Schuldigen zur Rechenschaft gezogen werden. Sie hat Märsche und Proteste organisiert und sich nicht einschüchtern lassen – bis sie schließlich selbst direkt vor dem Regierungspalast ermordet wurde. Auch dieses Verbrechen blieb bisher straflos. Das Schicksal und der Kampf von Marisela Escobeda Ortiz sind Vorbild und Inspiration für CEDHEM. Für den Schutz und die Rechte von Frauen und gegen Straflosigkeit.

Susanne Breuer, Misereor-Referentin für Lateinamerika, mit der ehemaligen Direktorin von CEDEHM Luz Estela “Lucha” Castro. © Susanne Breuer

Ungeklärte Morde und Verschwindenlassen sind ein großes Thema im Land. Wie genau ist CEDEHM da aktiv?

Die Arbeit zu den gewaltsam Verschwundenen ist ein wichtiges und sehr bewegendes Thema. CEDEHM leistet juristischen und psychosoziale Unterstützung für die Angehörigen. Es hat mich unfassbar bewegt, wie die Familienangehörigen mit den Fotos ihrer verschwundenen Söhne, Töchter, Ehepartner*innen um den Hals gehängt von ihrem Schicksal erzählten. Die Verzweiflung und gleichzeitig den Mut dieser Menschen werde ich nie vergessen. Die Hoffnung, etwas über ihre Angehörigen zu erfahren, hält sie aufrecht – und die Arbeit mit CEDEHM, die Betroffene zusammenbringt und ihnen Beistand leistet. Ohne diese Unterstützung wären diese Menschen komplett allein gelassen, denn Staat und Justiz, die eigentlich für die Aufklärung zuständig wären, versagen in den meisten Fällen komplett und sind durch Wegschauen oder Korruption sogar mit verantwortlich.

Wie organisiert CEDEHM die Menschen- und Frauenrechtsarbeit?

CEDEHM hat drei Arbeitsbereiche – Stärkung der Rechte von Frauen, die von Gewalt betroffen sind, die Unterstützung der Familienangehörigen von Verschwundenen sowie die Unterstützung von gefährdeten Menschenrechtsverteidiger*innen. Sie organisieren Workshops und Weiterbildungen, bieten juristische wie auch psychosoziale Unterstützung sowie Austausch und gegenseitige Stärkung durch gemeinsame Aktivitäten an. Zusätzlich engagieren sie sich in der politische Lobbyarbeit auf nationaler und internationaler Ebene, um strukturelle Ursachen von Gewalt gegen Frauen sichtbar zu machen und Lösungen einzufordern, sowie das Problem der Straflosigkeit im Bundesstaat Chihuahua zu adressieren. Wie sie es auf ihrer Website beschreiben, möchten sie einen Beitrag dazu leisten „dauerhafte Änderungen der Praktiken, Politiken und Gesetze im Zusammenhang mit der Betreuung, Beschaffung und Verwaltung der Justiz zu erreichen.“

„Sie starb, ohne das Gesicht der Gerechtigkeit zu berühren“, steht auf Marisela Escobedos Andenken vor dem Regierungspalast. © Susanne Breuer

Wie war deine letzte Begegnung mit den Projektpartner*innen?

Letztes Jahr kam eine Delegation von zwölf Mitarbeitenden nach Deutschland. Dabei wurde deutlich vermittelt, dass es keine Hierarchieebenen unter ihnen geben sollte. Egal ob Koordinator*innen, Finanzverantwortliche oder Anwält*innen, alle waren gleichberechtigt an der Reise und den Terminen beteiligt – im Bundestag und mit der Zivilgesellschaft. Das trägt zur Stärkung innerhalb der Organisation bei, so dass auch Frauen, die sich vielleicht nicht zutrauten, mal an einer internationalen Lobby- und Vernetzungsreise teilzunehmen, dazu ermutigt wurden. Das ist beispielhaft und könnte auch für uns ein Vorbild sein.

Zum Schluss fand eine öffentliche Veranstaltung statt, bei der die beeindruckende Arbeit von CEDEHM in Chihuahua vorgestellt wurde. Dabei wurde deutlich, dass vor allem junge Frauen durch diese Reise gefördert wurden und der Generationenwechsel in der Organisation gut funktioniert. Es ist sehr klug, dass sich die ehemaligen, charismatischen Leiter*innen, wie Lucha Castro, auch um die Nachfolge und Stärkung der jungen Generation bemühen – und ihre Erfahrung weitergeben, jedoch ohne an ihren Positionen festzuhalten. Das stärkt die Zukunftsperspektiven für das Projekt.

Was sind deine Hoffnungen für die Zukunft der Menschenrechtsorganisation?

In diesem Sinne wünsche ich mir, dass die tolle Organisation noch lange weiterarbeiten kann. Auch wenn ich mir eigentlich wünschen würde, dass diese Art von Arbeit nicht mehr notwendig wäre, da die Grundprobleme gelöst werden – doch das ist sicher kein realistischer Wunsch. Bis dahin wird noch viel Arbeit notwendig sein. Ich wünsche mir, dass die jungen Frauen in Chihuahua sich ohne Angst für Menschen- und Frauenrechte einsetzen können, dass die Familienangehörigen der Verschwundenen über das Schicksal derselben aufgeklärt und die Verantwortlichen juristisch verfolgt werden – und dazu leistet CEDEHM meiner Ansicht nach einen wichtigen Beitrag.

Das Interview wurde von Mathilda Brok geführt, Praktikantin bei Misereor in Berlin.


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Gast-Autorinnen und -Autoren im Misereor-Blog.

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