Misereor hat zum Jahresempfang nach Berlin geladen, um – wie Misereor Hauptgeschäftsführer Andreas Frick es in seiner Begrüßung bezeichnete – eine Frage mit zentraler Bedeutung zu diskutieren: Wie gelingt uns der Ausstieg aus den fossilen Energien wie Gas, Öl und Kohle weltweit und gerecht? Der Ausstieg ist beschlossene Sache. Auf der letzten UN-Weltklimakonferenz im Vorjahr haben sich die Staaten darauf geeinigt. Doch wie er umgesetzt werden soll und bis wann final, da gehen die Meinungen bisher auseinander. Diese Fragen werden deshalb auch Thema der nächsten Weltklimakonferenz im November sein.
Für Hamira Kobusingye, Klimaaktivistin und Misereor-Projektpartnerin aus Uganda, wäre aber genau solch ein verbindlicher Tag X wichtig und überfällig:
„Das Ende der fossilen Brennstoffe war schon vor Jahren notwendig. Wir müssen jetzt handeln und so schnell wie möglich auf erneuerbare Energien umsteigen. Denn das Klima, die Umwelt und die Menschen leiden heute unter der Förderung und Nutzung von Öl, Gas und Kohle. Und ich bin überzeugt: Wenn die Politik ein festes Datum für das Ende festlegt, wenn wir klare Daten haben, wann wir die Förderung fossiler Energieträger beenden, dann wird es ausreichend Investitionen in erneuerbare Energien geben. Wenn es Vorschriften für Investitionen gibt, dann werden die Unternehmen und Staaten sehr schnell umdenken und auf erneuerbare Energien wie Wind und Sonne umsteigen.“
Viele afrikanische Länder verfügen über reiche natürliche Ressourcen wie Sonne und Wind, die für die Erzeugung erneuerbarer Energien genutzt werden können. Sie sind eine nachhaltige und umweltfreundliche Alternative, die langfristig die Energiesicherheit für alle gewährleisten kann.
Dennoch erfahren fossile Projekte eine Renaissance auf dem afrikanischen Kontinent, obwohl der Abbau von Öl, Gas und Kohle verheerende Auswirkungen auf die Menschen vor Ort hat, den Klimawandel vorantreibt und eine zukunftsfähige, nachhaltige Entwicklung behindern.
Welche Maßnahmen sind also notwendig, um den Übergang zu einer nachhaltigen Energiezukunft zu fördern?
Andreas Jung, Mitglied im Bundestag und klima- und energiepolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, verspürt eine starke Verantwortung Klimaschutz voranzubringen und sieht Potenziale in der Wirtschaft:
„Wir stehen in der Verantwortung, auch in einer christlichen Verantwortung, Klimaschutz zu fördern. Aber wir stehen auch in einem Wettbewerb. Und wir müssen schauen, dass wir nicht Klimaschutz machen und wirtschaftlich zurückfallen. Wir müssen beides zusammenbringen: Klimaschutz angehen und Industriestaat bleiben.“
„Mit Blick darauf, dass die Industriestaaten mit ihren historischen und aktuellen CO2-Emissionen den Klimawandel verursacht haben und weiter befeuern, tun wir vermutlich noch nicht genug. Aber Ziele müssen auch in praktische Politik umgesetzt werden. In den letzten Jahren hat Deutschland eine drängende und ambitionierte Rolle in der internationalen Klimapolitik eingenommen. Jetzt darf im Bereich Klimaschutz und Klimaanpassung also nicht gespart werden. Das wäre kurzsichtig und unglaubwürdig. Dann brauchen wir auch nicht mehr zu Weltklimakonferenzen zu fahren.“
Kathrin Schroeder, Abteilungsleiterin Politik und Globale Zukunftsfragen bei Misereor, kennt aus ihrer beruflichen Erfahrung die Folgen des fortgesetzten Fokus auf fossile Brennstoffe, aber auch die Lösungsansätze, die nötig sind:
„In vielen Ländern Afrikas bedeutet die Förderung von Öl, Gas oder Kohle für unzählige Menschen extreme Armut. Denn sie zerstört ihre natürlichen Lebensgrundlagen. Das ausbeuterische Energiesystem sabotiert Entwicklungsziele, verschärft die Klimakrise und heizt Konflikte an.“
„Wenn wir über das Thema Energiewende und nachhaltige Energiezukunft sprechen, gehört auch dazu, dass viele Menschen weltweit noch gar keinen Zugang zu Energie für z.B. Strom und zum Kochen haben. Fossile Brennstoffe bieten hier keine guten Lösungen, weil es kleinteilige Ansätze braucht, die auch in abgelegenen, ländlichen Gebieten funktionieren. Erneuerbare Technologien wie Solarenergie sind hier klar im Vorteil: praktikabel, dezentral und auf kleiner, lokaler Ebene einsetzbar, klimaneutral, gesundheitsfördernd. Doch hier gibt es bisher kaum Kredit- und Fördermöglichkeiten, so dass die Umsetzung teuer und schwieriger ist. Solarenergie darf aber keine Technologie für Reiche sein. Alle Menschen müssen davon profitieren können.“
Norbert Gorißen, Beauftragter für Klimaaußenpolitik und Stellvertretender Sonderbeauftragter des Auswärtigen Amts für internationale Klimapolitik, weiß, dass neue finanzielle Spielräume geschaffen werden müssen, um die Energiezukunft nachhaltig zu gestalten:
„Der globale Süden braucht finanzielle Unterstützung für den Klimaschutz und wir haben die Verpflichtung zur Klimafinanzierung. Dafür müssen wir starke Partnerschaften aufbauen, von denen beide Seiten profitieren.“
„Es stimmt. Noch sind die Kapitalkosten von Solarenergie sehr hoch, wodurch diese Technologie nicht für alle attraktiv ist. Wir müssen also Anreize schaffen, die Investitionen in den erneuerbaren Sektor unterstützen. Auch andere Finanzierungsmodelle müssen entwickelt werden.“
Auch Hamira Kobusingye hebt die Bedeutung von Partnerschaften hervor und betont die Notwendigkeit, Energiekonsum insgesamt zu reduzieren:
„Die Probleme mit dem Ausstiegsprozess aus den fossilen Brennstoffen derzeit zeigen uns, dass wir den weltweiten Energieverbrauch dringend reduzieren müssen. Nur so werden wir in der Lage sein, die Investitionen in fossile Brennstoffe und deren Ausbeutung zu reduzieren. Ohne einen geringeren Bedarf an Energie werden wir es nicht schaffen. Und wir brauchen starke, gleichberechtige und verlässliche Partnerschaften für die Energiewende. Wir können es nicht allein schaffen. Aktivist*innen können es nicht allein. Entscheidungsträger*innen und Politiker*innen können es nicht allein. Bürger*innen können es nicht allein. Staaten können es nicht allein. Veränderung geht nur gemeinsam mit allen.“
Aus Ihrer Perspektive: Wann wird das Ende der fossilen Energien sein?
Norbert Gorißen: „Die Frage des Zeitpunkts für den Ausstieg ist keine technische Frage. Wenn man wollte, dann ginge das schnell. Es ist eine politische und eine Systemfrage.
Aber: Wenn wir uns weiterhin an dem 1,5 °C-Ziel orientieren und dieses im Blick behalten wollen, dann müssen wir die globalen Emissionen bis 2030 halbieren. Und das schaffen wir nicht mit fossilen Brennstoffen.“
Kathrin Schroeder: „Für einen raschen Ausstieg müssen die politischen Entscheidungsträger*innen die richtigen Weichen stellen und z.B. Subventionen im fossilen Energiesektor stoppen.
Dann würde es sicherlich sehr schnell gehen.“
Andreas Jung: „Fossile Energien werden dann keine Rolle mehr spielen, wenn klimafreundliche Alternativen zur Energiegewinnung wirtschaftlich überlegen sind. Und daran müssen wir arbeiten.“
Hamira Kobusingye: „Wir haben keine Zeit! Wir müssen jetzt handeln und wir müssen rasch handeln! Im Vordergrund unseres Handelns und unserer Investitionen sollten immer die Menschen und ihre Rechte und Lebensrealitäten stehen.“
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