Suche
Suche Menü

Der schw(m)ierige Alleskönner Palmöl – Beobachtungen aus Malaysia

Sie gehen durch den Supermarkt – Ihr Einkaufswagen füllt sich mit Alltagsgegenständen und Lebensmitteln: Eine Fertigpizza für die schnelle Küche, eine Lotion gegen trockene Haut, Nussnougatcreme fürs Croissant, etwas Wurst fürs Abendbrot und Chips für den Film am Abend. Was eint diese Produkte? In all diesen Produkten ist Palmöl enthalten. Markus Wolter, Misereor-Experte für Landwirtschaft und Ernährung, konnte beobachten wie Palmöl angebaut wird und welche Auswirkungen das auf Menschen hat, die dort arbeiten und in der Umgebung leben.

Markus Wolter besucht besucht eine Palmölplantage in Sabah, Borneo. © Wolter

In etwa 50 Prozent aller Produkte in einem Supermarkt steckt Palmöl. Palmöl ist der Alleskönner unter den Ölen und kann vielseitig eingesetzt werden. Im Lebensmittel-, Kosmetik-, und Energiebereich beispielsweise. Palmöl ist aus diversen Gründen so weit verbreitet: Es hat mit großem Abstand den höchsten Ölertrag pro Hektar, wird auf großen Flächen angebaut und ist daher günstig. Es hat technisch unschlagbare Eigenschaften: Bei Zimmertemperatur hat es eine feste Konsistenz, ist geschmacksneutral, hitzestabil und hat eine hohe Haltbarkeit.

Weltweit wurden in den Jahren 2023 und 2024 ca. 80 Millionen Tonnen Palmöl produziert. Das südostasiatische Land Malaysia ist nach Indonesien der weltweit zweitgrößte Produzent von Palmöl. Dort war ich im November auf Dienstreise und habe intensive Begegnungen erlebt, die zeigen, welche Risiken der Anbau von Palmöl für die Menschen vor Ort mit sich bringen. Um das Thema Palmöl kommt man in dem Land nicht drumherum. Ich nehme Sie mit auf eine kleine Reise.

Borneo – Palmoil country

Wohin das Auge auch reicht – überall gibt es Palmöl. Ich bin auf Borneo in Sabah und wir fahren ca. 140 km südlich der Hauptstadt Kota Kinabalu in eine komplett entwaldete Gegend. Der Fokus meines Besuches liegt auf dem Zugang zu Landflächen und den Auswirkungen des Pestizideinsatzes in einer indigenen Gemeinde.

Seitdem vor knapp 30 Jahren ohne das Einverständnis der lokalen Bevölkerung mit dem Anbau von Palmöl begonnen wurde, ist das Trinkwasser unbrauchbar. Durch den hohen Einsatz von Pestiziden und Düngemittel wurde es verschmutzt. Deshalb fangen die Menschen heute das Regenwasser auf, um sich zu waschen und es als Trinkwasser zu nutzen. Seitdem hier Palmöl angebaut wird, klagen viele Menschen über juckende Haut, Durchfall und Erbrechen. Nichts ist mehr, wie vorher, als noch naturnahe, vielfältige Landwirtschaft betrieben wurde und der Wald noch stand, berichten die Gemeinschaften. Weiterhin sind die Eigentums- und Nutzungsverhältnisse ungeklärt, Investitionen in das von Pestiziden degradierte Land sind risikoreich. Wo Ölpalmen angepflanzt werden, kommt jetzt das Totalherbizid Glyphosat zum Einsatz. Der Preis für die Menschen in der Umgebung, deren Gesundheit und den Wald ist hoch.

Palmöl so weit das Auge reicht. © Wolter

Zu geringe Löhne für ein auskömmliches Leben

Beim Besuch einer zweiten Plantage nördlich der Hauptstadt Kuala Lumpur, habe ich mich mit Farm-Arbeiterinnen eines großen Palmölunternehmens getroffen. Die Arbeiterinnen berichteten, dass die Löhne so niedrig sind, dass sie am Ende des Monats so wenig Geld übrig haben, dass es nur noch für zwei Mahlzeiten ausreicht. Ihre Ernährung ist nicht ausgewogen, es gibt fast kein Obst oder Gemüse, gesunde Nahrungsmittel sind zu teuer für die Arbeiterinnen. Sie müssen auf den Feldern mit Düngemitteln und Pestiziden umgehen, auch mit dem hochgiftigen Paraquat. Sie berichten von juckender Haut, viele von ihnen haben Asthma. Sie betrachten Pestizide als „Langsamen Killer“. Die Menschen wissen also, um dessen Gefährlichkeit, sehen aber keine Alternativen, darauf verzichten zu können. Eine Frau sagte mir: „Wir opfern unser Leben für Palmöl“.

Bio-Reis Anbau

Es gibt aber auch gute Beispiele für eine bessere Landwirtschaft in Malaysia, ohne den Einsatz der schädlichen chemisch-synthetischen Pestizide. Die habe ich beim ehemaligen Armeemajor Zakaria erlebt: Sein Betrieb ist im Norden des Landes nahe der thailändischen Grenze. Er praktiziert SRI – System of Rice Intensification. Ohne den Einsatz von Agrochemikalien oder Kunstdünger ist sein Ertrag im Vergleich zu seinen konventionellen Kollegen fast dreimal so hoch – er erntet elf Tonnen Bio-Reis pro Jahr, seine konventionell wirtschaftenden Kollegen ernten deutlich weniger als die Hälfte. Darüber hinaus baut er Enten in sein System ein, die sich vom Unkraut in den Reisfeldern, einem Gemüsegarten und Obstbäumen ernähren. Selten habe ich ein so komplexes und funktionsfähiges Kreislaufsystem gesehen, wie es hier gezeigt wird. Die Reisproduktion ohne den Einsatz von gefährlichen Pestiziden ist in Malaysia also möglich.

Bio Reisanbau. Die Enten „jäten“ (fressen) das Unkraut und düngen gleichzeitig den Boden. © Wolter

Ideen, wie es anders gehen kann

Die Beobachtungen und Begegnungen mit den Indigenen Gemeinschaften in Malaysia haben mich sehr bewegt. Für das günstige Palmöl in unseren täglich verwendeten Produkten leiden Mensch und Mitwelt. Der Anbau von Palmöl in Monokulturen ist schädlich für alle am Anbau beteiligten und hat das Leben der Menschen dort negativ verändert. Nur wenige wurden durch den Palmölanbau wohlhabend, gerade die Schwächsten wie Kleinbauern und Indigene haben dadurch viel verloren und fühlen sich von falschen Versprechungen betrogen. Sie berichten, dass sie sich ihrer Lebenswelt, dem Wald, ihrer Gesundheit und einer lebenswerten Zukunft beraubt fühlen – und müssen trotzdem mit den Konsequenzen leben.

Landwirtschaft ohne gefährliche Pestizide geht, wie das Positivbeispiel von Major Zakaria beim Reisanbau zeigt oder der GEPA Lieferant Serendipalm in Ghana beim Anbau von Palmöl.

So kann ich auch guten Gewissens Schokolade mit Palmöl genießen – in Bio und Fairtrade Qualität.

Geschrieben von:

Ansprechpartner Portrait

Markus Wolter ist Experte für Landwirtschaft und Welternährung bei Misereor.

1 Kommentar Schreibe einen Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.