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Wandernd die Nähe Gottes spüren

An einem steilen Aufstieg im Bereich der Ruhrhöhen oberhalb des Baldeneysees war es in der vergangenen Woche soweit: Die gut 40 Hungertuchwallfahrerinnen und -wallfahrer aus der Diözese Paderborn hatten soeben die Marke von 3000 zurückgelegten Kilometern geschafft, seit diese ungewöhnliche Pilgertour vor 30 Jahren begründet wurde. Initiatoren waren damals im Dekanat Siegen Hermann-Josef Günther und Jochen Voss. Letzterer zitiert keinen Geringeren als den Philosophen Friedrich Nietzsche, wenn es darum geht, die Motivation zu den jährlichen, durchaus kraftraubenden und anspruchsvollen Hungertuchwallfahrten zu erklären: „Sitzfleisch ist eine Sünde wider den Heiligen Geist.“

Die Wallfahrer*innentragen das Hungertuch 2025/2026 durch die Essener Innenstadt. © Achim Pohl | Misereor

Augenzwinkernd macht er damit deutlich, dass Wallfahren mit dem Hungertuch von Misereor nicht nur bedeutet, mit all den Menschen, denen man unterwegs begegnet, über das großformatig als Transparent präsentierte Kunstwerk von Konstanze Trommer und natürlich dann auch die vielfältige Arbeit von Misereor ins Gespräch zu kommen. Sondern auch das Wohltuende von Bewegung zu erleben und dabei „die Nähe Gottes zu spüren“.

Zum Programm nicht nur dieser Pilgergruppe, sondern auch der Teilnehmenden an der parallel laufenden bundesweiten Hungertuchwallfahrt, bei der 39 Menschen in diesem Jahr das Hungertuch von Ludwigshafen nach Essen zum Start der aktuellen Fastenaktion getragen haben, gehört stets die aktive Auseinandersetzung mit dem eigenen Glauben, ganz besonders aber drängenden Fragen und Problemen der Gegenwart. Diskutierend, betend und singend legt man auf dem Pilgerweg immer wieder Pausen zur Reflexion ein, gibt sich gegenseitig Impulse etwa zu nachhaltiger Alltagsgestaltung, über Wege zu Frieden und mehr Gerechtigkeit. Und nimmt sich Zeit, das Ganze in Ruhe zu durchdenken. Deshalb werden einzelne Passagen der Wanderungen schweigend zurückgelegt.

Die Hungertuchwallfahrer*innen beim Beten und Singen. © Achim Pohl | Misereor

Wer mit dem Hungertuch durch Landschaften, Städte und Dörfer geht, erregt Aufsehen, manchmal auch kontroverse Debatten. Auf diese Weise werden die Wallfahrerinnen und Wallfahrer zu ganz besonderen Botschafter*innen für die Sache von Misereor, für die Stärkung eines globalen Bewusstseins und Solidarität mit jedem Menschen, überall auf dieser Welt. Und mögen auch weniger Gläubige in die Kirchen und Gemeinden kommen, bleiben die Hungertuchwallfahrten ein wichtiger Bezugspunkt. Die Paderborner Gruppe führt alljährlich sogar eine Warteliste für Interessentinnen und Interessenten, und auch bei der bundesweit organisierten Hungertuchwallfahrt gab es zuletzt wieder einen Zuwachs an Teilnehmenden.

Unverdrossen sind sie unterwegs, Menschen wie Matthias Hay, der von den seit 1986 stattfindenden deutschlandweiten Wallfahrten nur eine einzige verpasst hat. Diese Gruppe blickt denn auch schon freudig auf das nächste Jahr, in dem die bundesweite Pilgerreise ihr 40-jähriges Jubiläum feiern wird. Mit einem Misereor-Hungertuch, das es dann 50 Jahre geben wird – alle zwei Jahre ein neues. Die Paderborner Gruppe schaut wie gesagt auf drei Jahrzehnte intensiver Wander-Aktivitäten und hat dabei große Teile Deutschlands zu Fuß kennengelernt. Diese schöne Geschichte musste natürlich mit einem fröhlichen Festakt in Schwerte gefeiert werden. Und es war spürbar: Man hat noch viel vor. Und genießt einen wunderbaren Zusammenhalt. Ganz im Sinne von Misereor. 

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Ralph Allgaier ist Pressesprecher bei Misereor.

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