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COP 30: Amazonas Regenwald am Kipppunkt

Als ich vor 20 Jahren für ein mehrmonatiges Praktikum ins brasilianische Amazonas-Gebiet aufbrach, freute ich mich darauf, richtig tief in den Regenwald einzutauchen. Tatsächlich habe ich nur wenige Schritte durch den Wald gemacht, aber endlose Stunden auf den unzähligen weit verzweigten Bächen, Flüssen und Seen zwischen den großen Strömen Solimoes und Rio Negro. Flüsse und Wald sind hoch bedroht. Mit ihm die Menschen, die von ihnen abhängen. Ob die UN-Klimakonferenz im Amazonas ihr Kippen verhindern kann?

Boote auf dem Fluss. Brasilien 2022. Foto: Harms | Misereor

Amazonien ist in meinem Erleben v.a. eine Wasserwelt. Tatsächlich liegen 70 Prozent der Süßwasservorkommens der Erde hier – und die werden förmlich festgehalten: Jeder Tropfen Wasser dreht sechs Mal seine Runden zwischen Niederschlag, Fluss, Verdunstung und Wolkenbildung und fährt dabei quasi immer wieder im Kreis: Flüssig mit der Fließrichtung nach Ost bis zur Verdunstung, dann mit der Hauptwindrichtung nach Westen in Richtung der Anden. Dieses Förderband der „fliegenden Flüsse“ hält das Wasser in der Region, bringt feuchte Luft bis in den Süden des Kontinents und stabilisiert das Klima auf dem gesamten Planeten.

Fischer im Boot, Lago do Maicá am Fluss Amazonas. Brasilien 2019. Foto: Kopp | Misereor

Amazonien verliert sein Wasser

Durch die zunehmende Abholzung im Regenwald verdunstet weniger Wasser. Bei weiterer Erderhitzung drohen sich die Winde zu verändern. Die fliegenden Flüsse könnten versiegen. Seit fast zwei Jahrzehnten warnen Klimawissenschaftler*innen, dass der Amazonasregenwald durch diese Störungen versteppen könnte. Und das kaum vorstellbare ist weitestgehend unbemerkt von der deutschen Öffentlichkeit voll im Gange: Flüsse und Seen trocknen alle paar Jahre weit über die jährlichen Schwankungen hinweg aus, Fische verenden. Und auch das Leben der Menschen an den Flüssen des Amazonas steht immer wieder still: Mit den Flüssen verschwinden ihre Transportwege zur Schule, zum Arzt, zum Feld, zur kranken Mutter. Mehrfach musste der Notstand ausgerufen werden, damit Medizin und Nahrungsmittel in betroffene Gebiete geflogen werden konnten.

Familie Batista lebt auf den Überschwemmungsflächen des Lago do Maicá und betreibt dort Landwirtschaft. Brasilien 2019. Foto: Kopp | Misereor

Belem – ein Hotspot der Klimakrise

Auch in der Metropolstadt Belem, nahe der Amazonas Mündung, weicht der einst selbst in der Trockenzeit tägliche Regen immer längeren Trockenphasen. Die Menschen ächzen unter der Hitze. Im Umland geraten gezielt gelegte Brände von Großgrundbesitzern im trockenen Wald vollkommen außer Kontrolle. Ende letzten Jahres stand die Stadt unter einer dichten Rauchwolke, die das Atmen erschwerte und die Augen tränen ließ. In diesem Jahr wird wohl massiv gegen diese Feuer vorgegangen, um den Himmel nicht zu trüben. Denn der brasilianische Präsident Lula hat die Staatengemeinschaft hier zur 30. Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen (COP 30) eingeladen. Mit dem Kipppunkt Amazonien vor der Tür, soll es den Verhandler*innen besonders schwerfallen, die Augen vor der Klimakrise zu verschließen.

Für die fliegenden Flüsse Amazoniens und damit für die Menschen, die direkt von den Flüssen und Wäldern abhängen, drängt die Zeit. Nur wenige Jahre bleiben, um den Kollaps der Region abzuwenden. Ob die COP 30 zu ihrem Schutz beitragen kann, beobachtet und kommentieren Misereor Kolleg*innen, die vor Ort dabei sein werden.

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Anika Schroeder ist Expertin für Klimawandel und Entwicklung bei Misereor.

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