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COP 30 im Amazonas: Kann Brasilien Glaubwürdigkeit liefern? 

Brasilien lädt zur COP 30 im Amazonasgebiet – und steht selbst vor einer Bewährungsprobe. Zwischen Wahlkampf, Waldschutz und wiedererwachter Zivilgesellschaft entscheidet sich, ob der Gastgeber glaubwürdig für Klimagerechtigkeit eintreten kann. 

Fischergemeinde Cardoso am Fluss Rio Tocantins in Brasilien. Foto: Kopp | Misereor
Rund 47 % der Landesfläche Brasiliens liegt im Amazonasgebiet. Hier beispielsweise die Fischergemeinde Cardoso am Fluss Rio Tocantins. Foto: Kopp | Misereor

Lulas Einladung erfolgte direkt nach seiner Wiederwahl 2022 und noch vor Amtseintritt im Januar 2023. Die Hoffnungen in Brasilien und international waren riesig. Denn die Rolle des Gastgebers ist keine rein logistische. Vielmehr stellt das Gastgeberland die koordinierende “COP-Präsidentschaft”, welche nicht nur die Verhandlungen selbst steuert, sondern wichtige weitere Akzente durch Diplomatie und Sonderinitiativen oder Deklarationen setzen kann. Nach drei Jahren in Autokratien endlich eine COP in einem demokratischen Staat. Mit einem Gastgeber, der verstanden hat, dass es soziale Gerechtigkeit und Entwicklung nicht ohne Umweltschutz gibt. Mit einem Team, dass seit Anbeginn der COP in großer Zahl vertreten war und (wenn auch nicht immer voll ambitioniert) Verhandlungsdynamiken durchdrungen hat, gut vernetzt ist und somit gut steuern kann.  

Produktion von Holzkohle durch Bewohner der Insel Cajual, auf welcher der Tiefseehafen errichtet werden soll. Brasilien befindet sich aktuell zwischen den Fronten: Zwischen der Ambition die Umwelt stärker zu schützen, während sie gleichzeitig weiter ausgebeutet wird. Foto: Kopp | Misereor

COP 30 mitten im Wahlkampf 

In der Zwischenzeit steht für die brasilianische Regierung der nächste Wahlkampf an. Klimapolitik wird – den globalen Entwicklungen folgend – zum Kulturkampf-Thema der politischen Rechten. Neue Erdöl-Konzessionen und die Degradierung indigener Rechte und Territorien zeigen, dass Umwelt- und Menschenrechte national weiterhin schwer durchsetzbar sind, auch wenn die Entwaldungsraten endlich wieder sinken. Erwartete Akzente in der Hungerbekämpfung und Ernährungssouveränität bleiben durch Richtungskämpfe zwischen dem Ministerium für Landwirtschaft, Viehzucht und Lebensmittelversorgung (MAPA) und dem Ministerium für Agrarentwicklung und Familienlandwirtschaft (MDA) auf der Strecke. Entsprechend investiert Lula auch international weniger als erwartet in die Klimadiplomatie im Vorfeld der COP 30.  

Viele Menschen machen sich hier in Brasilien für den Erhalt der Natur stark. So auch die brasilianische Partnerin Pijhcre Akroa Gamella (46). Foto: Kopp | Misereor
Viele Menschen machen sich hier in Brasilien für den Erhalt der Natur stark. So auch die brasilianische Partnerin Pijhcre Akroa Gamella (46). Foto: Kopp | Misereor

Von der Klimashow zur Verantwortung 

Trotz der angespannten Situation nimmt die Regierung erfreulicherweise Abstand von einer Strategie früherer Staats- und Regierungschefs: Ein Feuerwerk aus neuen Absichtserklärungen, Initiativen und Deklarationen, die vor allem alten Wein in neue Schläuche gesteckt haben und dem Ziel dienten, die COP-Präsidentschaft in ein gutes Licht zu rücken. Stattdessen setzt Brasilien auf eine ehrliche Bestandsaufnahme: Was genau wurde über die Jahre in und während der COPs vereinbart und was ist von all dem übrig geblieben? Damit spielt die Präsidentschaft die eigentliche Macht der Weltklimakonferenzen geschickt aus; Druck auf Jene auszuüben, die sich nicht und zu wenig bewegen, Vorreitern eine Bühne geben. Denn Klimakonferenzen sind keine Orte, an denen Staaten zum Handeln verpflichtet werden können. Sie sind Orte, wo Regierungen ihre freiwilligen Beiträge zur Einhaltung des Pariser Abkommens verkünden und dafür Rechenschaft ablegen und weitere Zusagen v.a. im Bereich Klimafinanzierung und Kooperation ausgehandelt werden. 

Rosiane Alves Pereira (33) mit Tochter Adiele (3) kümmert sich um ihre Pflanzen in der Fischergemeinde Ilha Saracá an der Kreuzung zwischen den Flüssen Rio Tocantins und Rio Pará. Foto: Kopp | Misereor
Rosiane Alves Pereira (33) mit Tochter Adiele (3) kümmert sich um ihre Pflanzen in der Fischergemeinde Ilha Saracá an der Kreuzung zwischen den Flüssen Rio Tocantins und Rio Pará. Foto: Kopp | Misereor

Zivilgesellschaft gut vorbereitet 

Zumindest die nationale Zivilgesellschaft, die unter der Regierung Bolsonaros stark geschwächt und kaum mehr koordiniert war, erlangt neue Kraft und nutzt die COP geschickt, um genau diesen Druck zu erzeugen: Von Gewerkschaften, sozialen Bewegungen bis zur katholischen Kirche wird viel investiert, um das Bewusstsein für die Klimakrise zu erhöhen und den gesamtgesellschaftlichen Druck für Klimaschutz im eigenen Land zu erhöhen. Dieser soll auch international sichtbar werden. Indigene, traditionelle Gemeinschaften und Nichtregierungsorganisationen, darunter etliche Misereor-Partnerorganisationen, sind gut vorbereitet, um zu zehntausenden auf den Straßen Belems auf die Gefährdung ihrer Lebensgrundlagen aufmerksam zu machen.  

Wirkung der COP im Inland 

Denn auch das ist dringend nötig: Das Lager des mittlerweile verurteilten früheren Präsidenten Bolsonaro treibt Desinformationskampagnen voran und nutzt die COP, um die Regierung Lula zu delegitimieren. Mit dabei sind die sogenannten Ruralista: Diese als politisch rechts zu verortenden Vereinigung von Landwirten und Aktivisten aus dem Südosten und mittleren Westen des Landes blockieren über ihre Mitglieder im Kongress maßgeblich Fortschritte bei Umweltschutz. Umso wichtiger ist es für die Regierung Lula, andere Teile der Gesellschaft gut in die COP einzubinden. Dafür hat die Verhandlungsleitung verschiedene Begleit- und Expertenkreise eingerichtet, in denen sie sich beraten lässt. So zum Beispiel den “People´s Circle”, der von Sônia Guajajara, Ministerin für indigene Völker, geleitet wird und die Sichtbarkeit und Durchsetzungskraft Indigener Völker und anderer traditioneller Gemeinschaften, ihres traditionellen Wissens und ihrer Beiträge zum Klimaschutz sicherstellen soll. Sogenannte “Special Envoys” sollen zudem in den COP Vorbereitungen beraten. Einer von 22 ist etwa Paulo Peterson, der sich als Leiter der Misereor-Partnerorganisation AS-PTA für eine agrarökologische Landwirtschaft einsetzt. Unter den Sonderbotschaftern werden auch Vertreter*innen der fossilen Industrie und Agrarindustrie eingebunden.

Fakt ist: Lula braucht international den Erfolg der COP, der ihm innenpolitisch im eigenen Lager nutzt. Innenpolitisch kann aber gerade eine erfolgreiche COP viel politische Angriffsfläche bieten. Lula scheint auf Ambition zu setzten.

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Anika Schroeder ist Expertin für Klimawandel und Entwicklung bei Misereor.

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    Im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit habe ich vor Jahrzehnten in einem Gesundheitsprojekt im Regenwald Kameruns erlebt, wie sich innerhalb von nur vier Jahren durch Abholzung Flora und Fauna verändert haben. Während die wertvollen Baumriesen an die großen Konzerne gingen hat die Bevölkerung vor Ort ihre Lebensgrundlage und ihre kulturellen Wurzeln verloren. Und schon damals sinnierten die Dorfältesten, dass sich die Trocken- und Regenzeiten verändert haben. Außer dem globalen Klima gibt es noch tausend weitere Gründe um unsere Regenwälder zu schützen. Auch wenn Vieles bereits verloren ist, lasst uns nicht resignieren und für unsere Umwelt und unser Klima kämpfen.

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