China ist ein sogenanntes „Schwellenland“. Es gibt dort genug Geld und viele reiche Chinesinnen und Chinesen. Doch wie stellt man es an, dass die Ärmsten der Armen, alte und behinderte Menschen auf dem Land, ein bisschen mehr davon abbekommen? Über einen ungewöhnlichen Schritt – oder besser gesagt tausende ungewöhnliche Schritte – auf dem weiten Weg zu einer gerechteren Verteilung in China bereichtet Gast-Autor Wolf Kantelhardt aus Peking.
Beim Peking-Marathon: Junge Nonnen sammeln Geld für soziale Arbeit.
Der Beifall ist nicht sehr laut. Das war aber auch nicht anders zu erwarten. Die 52 katholischen Schwestern aus sechs chinesischen Diözesen sind alle sehr müde. Der irische Priester Joseph Loftus dagegen wirkt energiegeladen. Gerade hat er angekündigt, nächstes Jahr die ganze Strecke des Peking-Marathon zu laufen. Vom Platz des Himmlischen Friedens bis zum „Vogelnest“, dem Pekinger Olympiastadion. Unter einer Bedingung: Wenn von den Schwestern nicht nur sechs wie dieses Jahr, sondern mindestens 20 auch die ganzen 42 Kilometer laufen.
Ihre jeweiligen Strecken zu laufen war für die Schwestern das kleinere Problem. Viele von ihnen machen täglich weite Fussmärsche zu alleinstehenden Alten in entlegenen Bergdörfern.
Nach 42 km am Ziel: Viele Schwestern machen täglich weite Fußmärsche, um alleinstehende alte Menschen zu versorgen.
Weil die Altersversorgung auf dem Land bis heute vollständig an den Söhnen hängt, sind die, die wegen Armut, oder nach der kommunistischen Machtübernahme als Familienangehörige eines Grossgrundbesitzers, nicht heiraten konnten und keinen Sohn haben, jetzt im Alter ganz auf sich allein gestellt.
In manchen Regionen gibt es für alleinstehende Alte ein Wohlfahrtsgeld, in anderen nicht. Aber selbst wenn Wohlfahrtsgeld gezahlt wird, überschreitet es selten 50 Yuan [umgerechnet 6,10 Euro] im Monat. Die Schwestern besuchen die Alten zu Hause, bringen Reis, Eier und Speiseöl mit, waschen Kleidung und Bettdecken.
Und wenn sie dann noch ab und zu den Weg zwischen zwei Sonntagsmessen rennend statt im Überlandbus zurücklegen, sind sie fit genug.
Schwieriger war es, Fr. Loftus davon zu überzeugen, ihr „Sozialprojekt“ zu akzeptieren: Dazu gehörte ein wohlformulierter Antrag und ein vernünftiges Budget. Und dazu gehörte, 40 Prozent der benötigten Projektgelder „lokal“, in China, zu aquirieren.
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