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Am Supermarktregal zum Personenschützer für Bauern werden – wie das?

Die Auswahl der Produkte, die wir in unseren Einkaufswagen packen, hat einen weitreichenden Einfluss z.B. auf eine ganze Bauernfamilie in Brasilien. Denn unser Konsum- und Kaufverhalten entscheidet mit, was die Bäuerinnen und Bauern weltweit anbauen. Daher können wir uns beim Einkauf auch dafür entscheiden, die Gesundheit von Landwirt*innen im Globalen Süden zu schützen – indem wir uns beispielsweise für Nahrungsmittel entscheiden, die ohne chemisch-synthetische Pestizide hergestellt werden. Laut einer neuen Empfehlung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats Berufskrankheiten (ÄSVB) erhöhen diese nämlich die Wahrscheinlichkeit, dass Bauern und Bäuerinnen an Parkinson erkranken. Mit einer bedachten Produktwahl am Lebensmittelregal können Sie also ganz einfach zum „Personenschützer“ werden.

Pestizideinsatz in Indien: Die chemischen Düngermittel verursachen bereits während des Sprühens Husten, brennende Augen und Kopfschmerzen. © New Media Advocacy Project 

Die Nervenkrankheit Parkinson steht nun auf der Liste der Berufskrankheiten für Landwirt*innen. Bei dieser neurologischen Erkrankung sterben nach und nach Nervenzellen im Gehirn ab. Die unheilbare Krankheit beeinträchtigt die Bewegungsfreiheit einer erkrankten Person, was zu langsamen Bewegungen und Muskelstarre führt. Aus der Empfehlung geht hervor, dass Bauern und Bäuerinnen ein doppelt so hohes Risiko tragen an Parkinson zu erkranken. Sie nehmen die Giftstoffe bei der Arbeit jahrelang über die Haut und Atemwege auf. Zudem gibt es Studien, die zeigen, dass es über 50 Pestizide gibt, bei denen sich solche Zusammenhänge feststellen lassen. Infolge internationaler Studien wurde die Parkinson-Krankheit in Deutschland nun offiziell als Berufskrankheit anerkannt. Erkrankte haben damit Anspruch auf Unterstützung und finanzielle Entschädigung durch die Berufsgenossenschaft – jedoch nicht die Landwirt*innen im Globalen Süden.

Hohe Dunkelziffer Erkrankter im Globalen Süden

Der Zusammenhang zwischen chemisch-synthetischen Düngermittel und Parkinson wurde in europäischen und amerikanischen Studien nachgewiesen. In Asien, Afrika und Südamerika werden Pestizide häufig in hohen Dosen und ohne Schutzmaßnahmen für die Anwender*innen eingesetzt. Deshalb sind sie den Risiken also noch viel extremer ausgesetzt sind und haben damit ein höheres Risiko an den Folgen des Pestizideinsatzes zu erkranken. Eine Misereor-Partnerorganisation aus Sri Lanka berichtet beispielsweise von Landwirt*innen die bei der Arbeit auf den Feldern regelmäßig ohnmächtig werden, während sie die Pestizide anwenden. Auch Menschen, die gar nicht in der Landwirtschaft arbeiten, leiden außerdem unter chronischen Nierenleiden, weil sie weder Geld noch Wissen haben, um ihre Gesundheit bei der Anwendung von Pestiziden zu schützen. Mittlerweile sind viele Lebensmittel hoch belastet und daher nimmt fast jeder dort diese Stoffe über das Trinkwasser, Lebensmittel oder Atemluft auf. Weltweit kommt es jährlich zu 385 Millionen Pestizidvergiftungen. Besonders gefährlich wird das Risiko für schwangere Frauen eingestuft. Die hochgefährlichen Wirkstoffe in den Pestiziden sollen Schäden an ungeborenen Kindern verursachen, da die hormonelle Wirkung von Pestiziden die Gehirnentwicklung während der Schwangerschaft beeinflussen kann.

Gemüsebäuerinnen in Burkina Faso
Zwei Gemüsebäuerinnen arbeiten auf einem Kohlfeld in Burkina Faso. Pestizide sind vor allem für schwangere Frauen riskant: Der hochgefährliche Pestizid-Wirkstoff Cyanamid steht im Verdacht Krebs sowie Schäden am ungeborenen Kind zu verursachen. © Eva Wagner/Misereor

„Personenschutz“ durch Bio-Produkte

Die Reduzierung von Pestiziden ist seit langem Thema und Ziel der Bundesregierung, kommt in Deutschland aber nur schleppend voran. Offiziellen Zahlen zufolge nimmt die Menge an Pestiziden im Globalen Süden sogar weiterhin zu. Der Pestizideinsatz in Asien ist von 1999 bis 2019 um 29 Prozent angestiegen, in Afrika um etwa 71 Prozent und in Südamerika sogar um 144 Prozent. Die Bauern und Bäuerinnen könnten die Lebensmittel jedoch auch ohne chemische Pestizide anbauen – vorausgesetzt jemand kauft ihnen diese Produkte ab. Im zertifizierten ökologischen Landbau werden deutlich weniger und vor allem weniger gefährliche Pestizide eingesetzt. Bio-Produkte sind bei Untersuchungen meist komplett rückstandsfrei. Wenn also die Nachfrage nach Bio-Produkten steigt, werden die Landwirt*innen im Globalen Süden und Norden stärker nach Bio-Kriterien anbauen – ohne den gesundheitsschädlichen Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide.

Und damit können Sie bei jedem Einkauf von Bio-Produkten zu einem „Personenschützer“ werden. Ist das nicht wunderbar?


Pestizide – gleicher Schutz für alle Menschen

Hochgefährliche Pestizide, die in der EU verboten sind, kommen weiterhin in anderen Ländern unserer Welt zum Einsatz. Als Teil einer weltweiten Bewegung setzten wir uns für eine Ende des doppelten Pestizid-Standards ein. Weitere Informationen unter misereor.de/pestizide >

Reisfeld auf den Philippinen

Geschrieben von:

Ansprechpartner Portrait

Markus Wolter ist Experte für Landwirtschaft und Welternährung bei Misereor.

1 Kommentar Schreibe einen Kommentar

  1. Avatar-Foto

    Wie immer fachlich informativ und menschlich geschrieben! Danke!

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