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Fragwürdige Klimaschutzprojekte bedrohen indigene Gemeinschaften

Durch Klimaschutzprojekte im Globalen Süden möchten immer mehr Konzerne und Unternehmen ihre Klimabilanz auf ‚klimaneutral‘ stellen. Doch einige dieser internationalen Projekte, die eigentlich dem Klimaschutz dienen sollen, lassen andere wichtige Aspekte außer Acht – wie die Land- und Menschenrechte der betroffenen Menschen vor Ort. Das zeigt auch ein aktuelles Beispiel aus Tansania: Die afrikanische Volksgruppe der Maasai gerät durch die geplanten Vorhaben massiv unter Druck. Auch der deutsche Autohersteller Volkswagen ist in diesen Fall involviert.

Foto: MISA

Besonders im Flugverkehr und in der Automobilbranche wird verstärkt auf die Kompensierung von CO2-Emissionen gesetzt, um Unternehmen als klimaneutral auszuweisen. Unternehmen wie beispielsweise Lufthansa oder Volkswagen setzen also darauf, ihre verursachten CO2- Emissionen wiedergutzumachen, indem sie sogenannte Emissionszertifikate kaufen, die wiederum Klimaschutzprojekte finanzieren. Doch nicht alle diese Klimaschutzprojekte sind so nachhaltig, wie sie auf den ersten Blick erscheinen.

Die Emissionszertifikate finanzieren beispielsweise nachhaltige Bodenkohlenstoff-Projekte im Ausland, wie das „Longido and Monduli Rangelands Carbon Project“, das von Soils for the Future Tanzania Ltd. durchgeführt und von Volkswagen ClimatePartners finanziert wird; sowie das „Resilient Tarangire Ecosystem Project“ von The Nature Conservancy. Bei beiden Bodenkohlenstoff-Projekten soll die Nutzung der Weideflächen der Hirtenvölker der Maasai verändert werden, damit zusätzlicher Kohlenstoff im Boden gespeichert werden kann und dadurch Kohlenstoffemissionen kompensiert werden.

Foto: MISA

Die Maasai International Solidarity Alliance (MISA) führte im Januar 2025 im Norden Tansanias eine umfassende Untersuchung dieser beiden Projekte durch. Dazu besuchte das Forschungsteam von MISA elf betroffene Dörfer, um die Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung zu dokumentieren. Die Studie enthüllt eine Reihe von Ungereimtheiten: zweifelhafte Vorabzahlungen an Dörfer, intransparente und teilweise gesetzeswidrige Vertragsabschlüsse unter Druck und Fehlinformationen, die Nichteinhaltung völkerrechtlicher Normen sowie den Kontrollverlust der Dörfer über ihr Weideland. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass beide Bodenkohlenstoff-Projekte gravierende Mängel aufweisen.

Mangelnde Einbindung der lokalen Bevölkerung

Die unzureichende Einbindung der Bevölkerung zieht sich wie ein roter Faden durch alle Bereiche der Projektplanung. Während insbesondere Frauen und Jugendliche systematisch kaum einbezogen werden, mangelt es in den betroffenen Gemeinden  an grundlegendem Wissen über Kohlenstoffmärkte und Vertragsbedingungen, wie die Anwohnenden in den betroffenen Gebieten Tansanias berichten:

„Ich weiß nicht, dass ein Kohlenstoffprojekt in unser Dorf kommt. Eigentlich weiß ich nicht einmal, wovon Sie sprechen. Ich habe in der Schule von Kohlenstoff gehört, aber ich weiß überhaupt nicht, was ein Kohlenstoffprojekt sein soll.“*

Aussagen wie diese hörte das Forschungsteam bei den Besuchen vor Ort häufiger. Ohne die aktive und umfassende Einbeziehung der betroffenen Gemeinden ist eine faire Gestaltung der Projekte nicht möglich. Dies zeigt sich auch daran, dass die Interessen und Rechte der Maasai in den Projekten unzureichend berücksichtigt werden.

Foto: MISA

So gefährdet beispielsweise die in den Projekten neu festgelegte rotierende Weidehaltung die traditionellen Weidepraktiken der Maasai. Diese wurden über Generationen weitergegeben und sind ein wichtiger Bestandteil der Identität der ostafrikanischen Maasai-Gemeinschaften. Die mobile Tierhaltung der Maasai ist nicht nur eine zentrale Säule für ihren Lebensunterhalt, sondern trägt maßgeblich zur Erhaltung und Resilienz der Weidegebiete bei. Das Gefühl, dass diese traditionellen Praktiken durch die Projekte gefährdet werden, führt zu tiefer Verzweiflung, wie eine weitere Person vor Ort schildert.

„Ich habe Angst, dass wir auf lange Sicht unser Land verlassen müssen, so wie es in Ngorongoro geschehen ist.“*

Die Maasai stehen unter starkem Druck Verträge mit den Trägern der Kohlenstoff-Projekte abzuschließen. Dies verstärkt die Befürchtungen über langfristige Beschränkungen der Landnutzung und kulturelle Konflikte. Zudem besteht die Gefahr des Landgrabbings, bei dem ausländische Investoren das Land der Maasai für private Klimainvestitionen nutzen könnten und dadurch die Nutzung der Gebiete für die lokale Bevölkerung stark eingeschränkt wird.

MISA fordert daher ein sofortiges fünfjähriges Moratorium – also einen Stopp für alle Bodenkohlenstoffprojekte auf den Weideflächen der Maasai. So könnten auf nationaler und internationaler Ebene menschenrechtlich verbindliche Rahmenbedingungen in den Projektplanungen verankert werden und die Bevölkerung umfassend beteiligt werden.

Foto: MISA

Das zweifelhafte Geschäft mit den Emissions-Zertifikaten

„Wir haben gehört, dass die Luft in Europa aufgrund der Industrie sehr schlecht ist. Mit dem Kohlenstoffprojekt verkaufen wir unsere gute Luft an die armen Menschen in Europa, die kaum noch atmen können.“*

Mit diesem Zitat einer befragten Person wird die grundsätzliche Ironie solcher Emissionszertifikat-Programme zu Tage getragen – Wirtschaftsakteure aus dem globalen Norden, die auf Kosten des Klimas hohe Gewinne erzielen, outsourcen das Problem ihrer umweltschädlichen Emissionen, indem sie sich in Klimaprojekte einkaufen. Die negativen Folgen tragen – mal wieder – lokale Bevölkerungen im globalen Süden.

Über den Horizont des fünfjährigen Moratoriums hinaus sollte daher eine grundlegende globale Reform des freiwilligen Kohlenstoffmarktes umgesetzt werden, um zu verhindern, dass Kohlenstoffprojekte weiterhin als Instrument für Greenwashing und Landgrabbing missbraucht werden. Nationale und internationale politische Entscheidungsträger müssen handeln, um sicherzustellen, dass der Klimaschutz nicht als Vorwand für Menschenrechtsverletzungen und Vertreibung indigener Gemeinschaften genutzt wird. Konzerne wie Volkswagen müssen ihrer unternehmerischen Verantwortung entsprechend nachkommen.

*alle Zitate stammen von Bewohner*innen in den betroffenen Gemeinden und wurden zu deren Schutz anonymisiert

Ein Weg zum Frieden in der Demokratischen Republik Kongo: Der Sozialpakt der kongolesischen Kirchen

In einem rasanten Tempo eroberte die von Ruanda unterstützte Miliz M23 und die mit ihr verbündete Alliance Congo Fleuve (AFC) im Januar und Februar 2025 die Provinzhauptstädte Goma und Bukavu im Osten des Landes. Seitdem finden täglich heftige Kämpfe zwischen der M23 und der kongolesischen Armee statt, die von burundischen Truppen und den „Freiwilligen zur Verteidigung des Vaterlandes“ (Wazalendo) unterstützt wird. Die beiden Lager kämpfen um die Kontrolle weiterer Gebiete. Zudem sind um die 3.000 ruandische Soldaten im Land.

Rückkehrbewegung der Vertriebenen. © Caritas Goma

Eine Ausweitung des Konflikts auf andere Landesteile und das Nachbarland Burundi ist nicht ausgeschlossen. Auch in der Provinz Ituri nehmen die Spannungen zu: Übergriffe von Milizen nehmen zu und das ugandische Militär hat seine Präsenz bereits verstärkt. Die Zahl intern Vertriebener beläuft sich landesweit auf 7 Millionen Menschen, im Osten des Landes beträgt sie bis zu 6,4 Millionen. Es sind bereits mehrere Tausend Tote seit Beginn der heftigen Kämpfe zu beklagen. Deren Anzahl steigt angesichts der unzureichenden medizinischen Versorgung. In Goma wurden Flüchtlingscamps zwangsgeräumt. Gewalt und Überfälle sind an der Tagesordnung. Frauen sind dem durch sexuelle Übergriffe in besonderem Maße ausgesetzt.

Ein kirchlicher Friedensplan für die Zukunft der DR Kongo

Um die Gewalt zu stoppen und die Souveränität des Landes wiederherzustellen, werden verschiedene diplomatische Dialoge auf unterschiedlichen Ebenen geführt. Die Friedensinitiative der katholischen Bischofskonferenz CENCO und dem Zusammenschluss der protestantischen Kirchen Église du Christ au Congo (ECC) in der DR Kongo sticht dabei heraus: Der so genannte „Sozialpakt für Frieden und Zusammenleben in der DR Kongo und in der Region der Großen Seen“ zielt darauf ab, den Frieden im umkämpften Osten des Landes wiederherzustellen. Er basiert auf der Ubuntu-Philosophie und damit auf einer traditionellen afrikanischen Strategie zur Konfliktlösung. Der Friedensplan enthält zudem einen Appell an die internationale Gemeinschaft, die DR Kongo beim Aufbau besserer Lebensbedingungen zu unterstützen – um künftigen Generationen eine positive Zukunft zu bieten und einen Krieg in der Region zu verhindern. Ein weiteres Anliegen der Kirchen ist es, dass die natürlichen Ressourcen in der DR Kongo nicht länger illegal ausgebeutet werden, sondern geltende Regularien umgesetzt werden.

Das Vertriebenen-Lager „Kanyaruchinya“ wurde bei den Kämpfen völlig zerstört. © Caritas Goma

Kirchen als Vermittler – zwischen allen Konfliktparteien

Bereits im Dezember 2024 haben die Kirchenvertreter den Sozialpakt in Kinshasa vorgestellt. Der Umsetzungsplan erfolgt mit großer Entschiedenheit. Eine Delegation beider Kirchen führt Gespräche in alle Richtungen und mit allen Konfliktparteien. Begonnen haben sie im Februar mit Kongos Präsidenten Tshisekedi. In den darauffolgenden Tagen haben sie mit dem ruandischen Präsidenten Kagame, dem kenianischen Präsidenten Ruto und vor allen mit allen wichtigen kongolesischen Oppositionsführern wie dem Vorsitzenden der AFC und Tshisekedis intern stärksten Opponenten, Corneille Nangaa, gesprochen. Ihre Mission ist deutlich: Es bedarf eines innerkongolesischen Dialoges, um die politischen Gegner an einen Tisch zu bringen und friedliche und langfristige Lösungen für das Land zu finden.

Die Vertriebenen wissen nach der Zerstörung der Lager nicht wohin sie gehen sollen. Hier sind sie im Gespräch mit dem Team der Caritas Goma. © Caritas Goma

Friedensinitiative mit Hürden

Die Resultate bleiben noch abzuwarten. Ein hoher Anteil in der Bevölkerung befürwortet diese Initiative, weil die Kirchen als Fürsprecher der Bevölkerung wirken und sich für die territoriale Integrität des Kongo einsetzen. Immer wieder haben sich die Kirchenvertreter für friedliche Lösungen eingesetzt, beispielsweise in Wahlkampfzeiten, und durch ihr Engagement Gewaltausbrüche verhindern können. Sie agieren als wichtiges politisches Korrektiv, sei es in der Wahlbeobachtung wie auch im Verfassungsschutz. Durch ihr politisches Engagement machen sich Kirchenvertreter auch angreifbar. Ihr Vorstoß mit den Miliz-Führern zu sprechen, hat bei der Regierung in Kinshasa für Unmut gesorgt.

Derzeit ist diese ökumenische Initiative der einzige sichtbare Dialogversuch auf zivilgesellschaftlicher Ebene. Umso wichtiger ist es, dass diese Initiative auch von außen, z.B. durch die deutsche Außenpolitik, anerkannt und unterstützt wird. 

Wandernd die Nähe Gottes spüren

An einem steilen Aufstieg im Bereich der Ruhrhöhen oberhalb des Baldeneysees war es in der vergangenen Woche soweit: Die gut 40 Hungertuchwallfahrerinnen und -wallfahrer aus der Diözese Paderborn hatten soeben die Marke von 3000 zurückgelegten Kilometern geschafft, seit diese ungewöhnliche Pilgertour vor 30 Jahren begründet wurde. Initiatoren waren damals im Dekanat Siegen Hermann-Josef Günther und Jochen Voss. Letzterer zitiert keinen Geringeren als den Philosophen Friedrich Nietzsche, wenn es darum geht, die Motivation zu den jährlichen, durchaus kraftraubenden und anspruchsvollen Hungertuchwallfahrten zu erklären: „Sitzfleisch ist eine Sünde wider den Heiligen Geist.“

Die Wallfahrer*innentragen das Hungertuch 2025/2026 durch die Essener Innenstadt. © Achim Pohl | Misereor

Augenzwinkernd macht er damit deutlich, dass Wallfahren mit dem Hungertuch von Misereor nicht nur bedeutet, mit all den Menschen, denen man unterwegs begegnet, über das großformatig als Transparent präsentierte Kunstwerk von Konstanze Trommer und natürlich dann auch die vielfältige Arbeit von Misereor ins Gespräch zu kommen. Sondern auch das Wohltuende von Bewegung zu erleben und dabei „die Nähe Gottes zu spüren“.

Zum Programm nicht nur dieser Pilgergruppe, sondern auch der Teilnehmenden an der parallel laufenden bundesweiten Hungertuchwallfahrt, bei der 39 Menschen in diesem Jahr das Hungertuch von Ludwigshafen nach Essen zum Start der aktuellen Fastenaktion getragen haben, gehört stets die aktive Auseinandersetzung mit dem eigenen Glauben, ganz besonders aber drängenden Fragen und Problemen der Gegenwart. Diskutierend, betend und singend legt man auf dem Pilgerweg immer wieder Pausen zur Reflexion ein, gibt sich gegenseitig Impulse etwa zu nachhaltiger Alltagsgestaltung, über Wege zu Frieden und mehr Gerechtigkeit. Und nimmt sich Zeit, das Ganze in Ruhe zu durchdenken. Deshalb werden einzelne Passagen der Wanderungen schweigend zurückgelegt.

Die Hungertuchwallfahrer*innen beim Beten und Singen. © Achim Pohl | Misereor

Wer mit dem Hungertuch durch Landschaften, Städte und Dörfer geht, erregt Aufsehen, manchmal auch kontroverse Debatten. Auf diese Weise werden die Wallfahrerinnen und Wallfahrer zu ganz besonderen Botschafter*innen für die Sache von Misereor, für die Stärkung eines globalen Bewusstseins und Solidarität mit jedem Menschen, überall auf dieser Welt. Und mögen auch weniger Gläubige in die Kirchen und Gemeinden kommen, bleiben die Hungertuchwallfahrten ein wichtiger Bezugspunkt. Die Paderborner Gruppe führt alljährlich sogar eine Warteliste für Interessentinnen und Interessenten, und auch bei der bundesweit organisierten Hungertuchwallfahrt gab es zuletzt wieder einen Zuwachs an Teilnehmenden.

Unverdrossen sind sie unterwegs, Menschen wie Matthias Hay, der von den seit 1986 stattfindenden deutschlandweiten Wallfahrten nur eine einzige verpasst hat. Diese Gruppe blickt denn auch schon freudig auf das nächste Jahr, in dem die bundesweite Pilgerreise ihr 40-jähriges Jubiläum feiern wird. Mit einem Misereor-Hungertuch, das es dann 50 Jahre geben wird – alle zwei Jahre ein neues. Die Paderborner Gruppe schaut wie gesagt auf drei Jahrzehnte intensiver Wander-Aktivitäten und hat dabei große Teile Deutschlands zu Fuß kennengelernt. Diese schöne Geschichte musste natürlich mit einem fröhlichen Festakt in Schwerte gefeiert werden. Und es war spürbar: Man hat noch viel vor. Und genießt einen wunderbaren Zusammenhalt. Ganz im Sinne von Misereor. 

Kommission will der EU-Lieferkettenrichtlinie die Zähne ziehen

Erst im Juli letzten Jahres war die EU-Lieferkettenrichtlinie in Kraft getreten, die Unternehmen zur Achtung von Menschenrechten und Umweltstandards verpflichtet – ein zentraler Meilenstein auf dem Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaft. Mit dem heutigen Vorschlag einer Omnibus-Verordnung legt die Kommission jedoch die Kettensäge an die Lieferkettenrichtlinie, noch bevor diese in den Mitgliedstaaten zur Anwendung kommt. Damit erfüllt sie weitgehend einen Wunschzettel des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) vom 22. Januar und macht den Weg wieder frei für einen Wettbewerb auf Kosten von Textilarbeiterinnen, Kakaopflückern, indigenen Gemeinschaften, der biologischen Vielfalt und des Klimas.

© Markus Spiske

Die Knackpunkte im Einzelnen:

  • Begrenzung der vollen Sorgfaltspflicht auf direkte Zulieferer, womit die tatsächlichen Risikobereiche – etwa Umweltzerstörungen im Bergbau oder Kinder- und Zwangsarbeit auf Plantagen in Ländern des Globalen Südens – zunächst ausgeblendet würden.
  • Streichung der zivilrechtlichen Haftung für Unternehmen, die ihre Sorgfaltspflichten verletzen und dadurch Schäden verursachen. Betroffene hätten damit kaum eine Chance auf Schadensersatz und Wiedergutmachung.
  • Abschwächung der Vorgabe, dass die maximale Bußgeldhöhe für schwerste Menschenrechtsverstöße nicht unter fünf Prozent des Jahresumsatzes liegen darf. Die Bußgeldhöhe soll vom Umsatz eines Unternehmens stattdessen entkoppelt werden. So könnten Großkonzerne niedrige Bußgelder voraussichtlich aus der Portokasse zahlen, ohne ihr Verhalten zu verändern.
  • Unternehmen müssten Geschäftsbeziehungen selbst dann nicht beenden, wenn der betreffende Zulieferer Menschenrechtsverstöße trotz mehrfacher Aufforderung, Vereinbarungen und Unterstützung nicht abstellt. Im Zweifel steht Profit also über Menschenrechten und der Umwelt.
  • Aushöhlung der Klimapflichten: Zwar müssten Unternehmen weiterhin Pläne zur Absenkung von Treibhausgasemissionen im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen erstellen. Die Verpflichtung zur Umsetzung entfällt jedoch, so dass die Pläne getrost in der Schublade verschwinden können.

Am 8. November 2024 hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen noch zugesagt: „Der Inhalt der Gesetze ist gut. Wir wollen ihn erhalten und wir werden ihn erhalten.“ Ziel der Omnibus-Verordnung sei eine „Vereinfachung“, um die „bürokratische Last zu reduzieren, ohne den korrekten Inhalt des Gesetzes zu verändern, das wir alle wollen.“

Was die Kommission heute vorgelegt hat, ist hingegen ein Kahlschlag, der die Lieferkettenrichtlinie zum zahnlosen Papiertiger degradieren würde. Auch andere Kernprojekte des European Green Deal – die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, die Taxonomie und der Grenzausgleich für CO2-Emmissionen würden erheblich abgeschwächt.

Allerdings: Beschlossene Sache ist der Omnibus noch keineswegs. Dafür bedarf es der Zustimmung des Europäischen Parlaments sowie von zwei Dritteln der Mitgliedstaaten im EU-Rat, die zudem zwei Drittel der EU-Bevölkerung repräsentieren. Nachdem Sozialdemokraten, Grüne und Linke ihre klare Ablehnung signalisiert haben, wäre die Europäische Volkspartei auf die Unterstützung von Rechtsaußen angewiesen – also einen Abriss der Brandmauer.

Dies gilt es zu verhindern. Misereor und die Initiative Lieferkettengesetz sowie zahlreiche Prominente aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft, Kirchen und Zivilgesellschaft appellieren daher an alle Verantwortlichen in der aktuellen und künftigen Bundesregierung, Bundestag und Europäischem Parlament, die Lieferkettenrichtlinie zu verteidigen und fristgerecht umzusetzen.

Weitere Hintergründe im Briefing für die Initiative Lieferkettengesetz hier

Solidarität in der Klimakrise: Partnerstimmen aus Afrika

Unsere Partnerorganisationen in Afrika kämpfen unermüdlich und oft mit hohem persönlichem Risiko für Klimagerechtigkeit. Ihre Perspektiven sind ein Aufruf zur Solidarität und ein dringender Appell, gemeinsam für eine gerechtere Zukunft einzutreten. Wir sehen den Klimastreik am 14. Februar 2025 nicht nur als Protest, sondern als einen Aufruf zur globalen Zusammenarbeit, zu einer gerechteren Verteilung der Ressourcen und zu einer Zukunft, in der alle Menschen die Chance auf ein gutes und nachhaltiges Leben haben.

Am 14. Februar 2025 ruft Fridays for Future zum deutschlandweiten Klimastreik auf. Auch in afrikanischen Ländern demonstrieren viele engagierte Menschen für stärkeren Klimaschutz. © 90by2030

Die Klimakrise verlangt von uns allen, Verantwortung zu übernehmen. Die Perspektiven und das Engagement unserer Partnerorganisationen, die in diesem Artikel zu Wort kommen, sind nicht nur bewegend, sondern rufen uns dazu auf, unsere Solidarität über Grenzen hinweg zu leben und gemeinsam gerechte Lösungen zu finden, damit niemand im Kampf für Klimagerechtigkeit zurückgelassen wird.

„Es ist eure Verantwortung, unsere Stimmen zu den Auswirkungen der Klimakrise zu verstärken“ – Samuel Olando

Unsere Partnerorganisation Pamoja Trust aus Kenia setzt sich seit 1999 für einen gerechten Zugang zu Land, Wohnraum und Grundversorgung im städtischen Raum ein. Samuel Olando, Geschäftsführer von Pamoja Trust, erinnert uns daran, dass Klimaproteste nicht nur eine weltweite Bewegung für den Planeten sind, sondern auch für diejenigen, die aufgrund der Klimakrise in extreme Not geraten sind. Er appelliert an unsere Verantwortung, besonders vulnerable Gruppen zu unterstützen und sie im Kampf für Klimagerechtigkeit sichtbar zu machen. So zum Beispiel die Bevölkerung in Nyalenda (Kisumu City, Kenia): Dort haben Überflutungen viele Menschen obdachlos gemacht, das Ökosystem massiv beeinträchtigt und große Teile der Bevölkerung in Not und Verzweiflung gestürzt.

„Die Ausbeutung in Afrika erschöpft uns und die Menschen vor Ort sterben in Armut.“ Mit diesen Worten beschreibt Justin Mutabesha wie sich die Ausbeutung natürlicher Ressourcen durch internationale Konzerne in der DR Kongo auf die Menschen vor Ort auswirkt. © Justin Mutabesha/365.org

„Wir wollen ein ölfreies Afrika, wir wollen eine ölfreie Demokratische Republik Kongo“ – Justin Mutabesha

In der Demokratischen Republik Kongo verschärft die stetige Ausbeutung natürlicher Ressourcen durch internationale Konzerne die Klimakrise und hält die lokale Bevölkerung in Armut. Deshalb fordert Klimaaktivist Justin Mutabesha von Brigade Verte DRC ein radikales Umdenken: weg von der Abhängigkeit von internationalen Konzernen, hin zu einer verantwortungsvollen Nutzung natürlicher Ressourcen und zur Förderung erneuerbarer Energien.

Justin Mutabesha und seine Mitstreiter*innen bei Brigade Verte erwarten auch von deutschen Investoren, in erneuerbare Energien zu investieren, statt weiterhin auf fossile Brennstoffe zu setzen, damit eine zukunftsfähige und gerechte Entwicklung unterstützt wird. Diese Forderungen sind ein dringender Appell, auch die wirtschaftlichen Aspekte der Klimakrise in den Blick zu nehmen.

Lisakhanya Mathiso (erste Reihe, zweite von rechts) vom südafrikanischen Projekt 90by2030 setzt sich zusammen mit ihren Mitstreiter*innen für Bürgerbeteiligung und eine gerechte Energiewende ein. © 90by2030

„Wir stehen hier in Afrika an vorderster Front der Klimakrise. Wir wissen, dass der Kampf für Klimagerechtigkeit ein Kampf um unser Überleben ist.“ – Lisakhanya Mathiso

Mit diesen Worten beschreibt Lisakhanya Mathiso vom südafrikanischen Projekt 90by2030 die Realität vieler afrikanischer Gemeinschaften, die die Folgen der Klimakrise tagtäglich erleben. Der Kontinent steht nicht nur im Zentrum von Naturkatastrophen, sondern kämpft auch mit strukturellen Ungerechtigkeiten, die die Auswirkungen der Klimakrise noch verstärken.

90by2030 fordert internationale Solidarität, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, ein Ende der fossilen Brennstoffnutzung herbeizuführen und einen gerechten Übergang hin zu einer nachhaltigen Zukunft zu gestalten. „Unsere Kämpfe sind miteinander verbunden, und unsere kollektive Macht ist entscheidend“, sagt Mathiso. Sie ruft sowohl deutsche als auch afrikanische Aktivist*innen dazu auf, ihre Kräfte zu bündeln und für eine gerechte und nachhaltige Welt einzutreten.

Nafimane Hamukoshi und Herbert Jauch vom Economic and Social Justice Trust in Namibia. Seit Jahren kämpfen sie gegen Ölbohrungen im Nordosten Namibias. © ESJT

„Der Klimawandel ist ein globales Problem, das über nationale Grenzen hinausgeht. Aber nicht alle sind gleichermaßen betroffen.“ – Nafimane Hamukoshi und Herbert Jauch

Besonders marginalisierte Gemeinschaften, die am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben, leiden unter den schwersten Folgen der Krise. Das wissen auch Nafimane Hamukoshi und Herbert Jauch vom Economic and Social Justice Trust (ESJT) aus Namibia nur zu gut. Wiederholte Dürreperioden haben verheerende Auswirkungen auf die ländlichen Gemeinden, die ohnehin schon wenig Gehör in globalen Klimadebatten finden. Das ESJT setzt sich für die Rechte dieser Menschen ein, insbesondere im Kampf gegen Ölbohrungen im Nordosten Namibias. Sie erinnern uns daran, dass wir uns nicht nur für die Umwelt, sondern auch für soziale Gerechtigkeit einsetzen müssen – für eine bessere Zukunft derjenigen, die am meisten unter der Klimakrise leiden.

CESAO-AI setzt sich dafür ein, die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in ländlichen Gebieten sowie in den an Städte angrenzenden Regionen zu fördern. © CESAO-AI 

Zugang zu erschwinglicher und nachhaltiger Energie als Menschenrecht

Das Zentrum für wirtschaftliche und soziale Studien und Experimente in Westafrika (CESAO-AI) kämpft für den Zugang zu nachhaltiger und bezahlbarer Energie als fundamentales Menschenrecht. Energie ist nicht nur die Grundlage für die Wirtschaft, sondern auch für Bildung und Gesundheit. CESAO-AI betont, dass eine Energiewende, die den allgemeinen Zugang zu Energie nicht garantiert, ungerecht und unvollständig wäre. Denn in vielen ländlichen Regionen Afrikas fehlt nach wie vor ein zuverlässiger Zugang zu Energie. Dies betont die Notwendigkeit einer gerechten Energiewende, die auf erneuerbare Energien setzt und alle Menschen einbezieht, unabhängig von ihrem sozialen oder geografischen Status.