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Wasserstoffimportstrategie: Lehren aus der fossilen Vergangenheit wurden nicht gezogen.

Deutschland bleibt hinter seinen Versprechen zur sozial-ökologischen Wasserstoffwirtschaft an Partnerländer zurück.

Die europäische Energiewende ist im vollen Gange: wir wollen möglichst schnell und gerecht von den fossilen Brennstoffen weg – und zwar überall, wo es Energie braucht. Für viele hoch-energetische Industrieprozesse war es lange unklar, wie die Dekarbonisierung möglich sein kann. Seit etwa zwei Jahren ist Wasserstoff, vor allem grüner Wasserstoff, in aller Munde. Er soll künftig fossile Energiequellen wie Erdgas und Steinkohle ersetzen. Die deutsche Industrie wird große Mengen brauchen, plant aber nur einen kleinen Teil selbst zu erzeugen.

Ein Mann mit Helm vor Solarpaneelen mit Infografik zu Wasserstoffgewinnung

Daher hat das Bundeskabinett am 24. Juli 2024 eine Importstrategie für Wasserstoff verabschiedet. Sie rechnet mit einem zentralistischen Wasserstoffsystem und verbleibt an vielen Stellen in fossilen Logiken. 

Im Zusammenspiel mit der nationalen Wasserstoffstrategie soll sie zum Aufbau der hiesigen Wasserstoffwirtschaft beitragen. Die Bundesregierung geht von einem nationalen Bedarf an Wasserstoff und dessen Derivaten in Höhe von 95 bis 130 Terawattstunden (TWh) in 2030 aus. Dabei müssen voraussichtlich rund 50 bis 70 Prozent (45 bis 90 TWh) aus dem Ausland importiert werden. Es ist davon auszugehen, dass der Importanteil nach 2030 weiter steigen wird.  

Infografik: Wasserstoff vs.  fossile Energien
© Schwarzbach/ Misereor & Brockmann/ Misereor

Die Produktion und der Import von grünem Wasserstoff sollen vor allem in und aus den Ländern des Globalen Südens erfolgen. Länder auf dem afrikanischen Kontinent verfügen aufgrund ihres Reichtums an erneuerbaren Energieressourcen wie Sonne, Wind und geothermischen Energiequellen über das weltweit größte Potenzial für die Erzeugung von grünem H2. Dies weckt viele Begehrlichkeiten und Hoffnungen. Zum Vergleich: In der Nairobi Erklärung haben afrikanische Regierungschefs die Zahl von 300 GW (0,3 TWh) genannt, um Energiearmut auf dem afrikanischen Kontinent zu überwinden. Heute sind noch immer 47 Prozent der afrikanischen Haushalte in Subsahara-Afrika ohne bezahlbaren Energiezugang.

Produktion und Export von grünem Wasserstoff nachhaltig und gerecht gestalten

Misereor hat in einem zwei-jährigen Konsultationsprozess mit Partnerorganisationen aus Kenia, Namibia, Nigeria und Südafrika über deren Sichtweise auf die potenziellen Chancen und Risiken der Produktion und dem Export von grünem Wasserstoff gesprochen und die Ergebnisse in einem Policy Brief festgehalten.

Klar ist, ohne einen partizipativen Ansatz, d.h. Konsultationen mit der Bevölkerung in den potenziellen Gebieten, Transparenz und Rechenschaft der Projekte und vor allem konkretem Nutzen des möglichen aufstrebenden Produktionszweiges für die lokale Bevölkerung im Sinne von Energiezugang, Arbeitsplätzen, Entschädigungen und Aufbau von Wertschöpfungsketten wird der Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft lediglich die postkolonialen Strukturen des fossilen Extraktivismus duplizieren. Dies wird von der Zivilgesellschaft klar abgelehnt. Länder des Globalen Südens dürfen nicht erneut auf ihre Rolle als Exporteure von Energieträgern reduziert werden.

Leider legt die neu beschlossene Importstrategie ihren Fokus zu einseitig auf die deutschen Importbedürfnisse und bleibt im Hinblick auf diese essenziellen Punkte und klare Nachhaltigkeitskriterien für Wasserstoffimporte viel zu vage. Dadurch bleibt unklar, über welche Mechanismen, Förderinstrumente und Standards die legitimen Interessen der lokalen Bevölkerungen in den Produktionsregionen im Rahmen der deutschen und europäischen Energiekooperationen im neu aufzubauenden Wasserstoffmarkt abgesichert werden sollen.

Zudem vermeidet die Bundesregierung in ihrer Importstrategie auch ein eindeutiges Bekenntnis zu grünem und nachhaltigem Wasserstoff. Stattdessen hält sie sich offen, den Import von blauem, also fossilem, Wasserstoff zu fördern. Damit sendet die Regierung das fatale Signal an potenzielle Exportländer, weiterhin in die Erschließung fossiler Energiequellen zu investieren. Auch hier muss dringend nachgesteuert werden.


Weitere Informationen

Misereor Policy Brief: Produktion und Export von grünem Wasserstoff nachhaltig und gerecht gestalten
Partnerorganisationen aus Kenia, Südafrika und Namibia ordnen ihre aktuellen Erfahrungen mit Wasserstoff ein. Sie leiten Empfehlungen ab, um die Technologie auf einen Pfad der Entwicklung zu stellen: Mit lokalen Wertschöpfungskette, Arbeitsplätzen, 100 % erneuerbaren Energien, Bildung, respektierten Landrechten und Umweltschutz. Jetzt Policy Brief downloaden und lesen (.pdf)

Geschrieben von: und

Madeleine Woerner

Madeleine Alisa Wörner ist Expertin für Energiepolitik bei Misereor.

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Gesine Ames ist Referentin für Lobbyarbeit im Misereor Büro Berlin

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