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Ein nachhaltiges Leben macht glücklicher

Mich allerdings nur dann, wenn ich mich vom Anspruch der Perfektion lossage.

Ein nachhaltiges Leben macht glücklicher


Mein persönlicher Change von der Umweltsau zur Umweltschützerin begann vor inzwischen neun Jahren. Auslöser war die Fukushima-Katastrophe, die ich schwanger vom Sofa aus beobachtet habe. Bis zu diesem Ereignis im März 2011 hat es mich nicht die Bohne interessiert, was planetare Grenzen sind oder wie viele Ressourcen ich verschwende. Aber diese Verknüpfung aus dem ungeborenen Leben in meinem Bauch und der Frage: „Was tun wir unserem Planeten eigentlich an mit unserer Art zu leben?“, hat mich nicht nur zum Nachdenken, sondern auch ins Handeln gebracht.

Meine ersten Schritte in ein nachhaltigeres Leben: Unsere Kapsel-Kaffeemaschine ging kaputt, also kam eine neue, in die wir seitdem Fairtrade-Bohnen einfüllen. Als nächstes schauten wir uns unseren Kühlschrank und den Mülleimer daneben an und stellten fest: Viel zu viel Essen landet bei uns in der Tonne. Dabei ist die Lösung so simpel wie lukrativ: Öfter einkaufen, dafür nur das, was gebraucht wird. Das spart Ressourcen und Geld. Den Wechsel vom fünflagigen, duftenden Toilettenpapier mit Druck zu Recycling-Papier, mit dessen Kauf wir auch noch Wasserprojekte in der ganzen Welt unterstützen, fiel erstaunlich leicht. Und die wenigen Klicks im Netz zu echtem Ökostrom – genauso easy. Deutlich herausfordernder war da schon der vorläufige Höhepunkt in unserem neuen Leben: Die Abschaffung des eigenen Autos. Aber mit jedem Tag ohne Auto entdeckten und entdecken wir immer noch die Vorzüge unserer neuen Mobilität. Wir gehen viel mehr zu Fuß oder fahren Fahrrad – und wir vergeuden keine wertvolle Lebenszeit mehr in Staus.

Als ich meinem Mann und meinem Sohn allerdings vorgeschlagen habe, mit dem Zug nach Portugal zu reisen, haben beide mir erst mal einen deutlichen Vogel gezeigt. Unser achtjähriger Sohn wurde regelrecht panisch. „Mama, fliegen wir jetzt nie wieder?“ An der Stelle konnte ich ihn beruhigen. Denn ich will weder mir selbst, noch meiner Familie das Flugzeug auf ewig verbieten. Aber ich habe gelernt, dass man neue Wege gehen muss, um zu merken, dass sie ebenso gut, oder vielleicht sogar besser sind, als die ausgetretenen Pfade. In diesem Jahr fahren wir also mit dem Zug von Köln nach Lissabon, mit Zwischenstopp in Paris. Das wird ein Abenteuer, auf das sich inzwischen die ganze Familie freut.

Private Veränderungen sind das eine. Über die Zeit habe ich aber gemerkt, dass ich mich auch beruflich verändern muss. Seit 2008 moderierte ich ein Boulevardmagazin bei RTL. Mein absoluter Traumjob, auf den ich von Teenagertagen an hingearbeitet hatte. Aber umso wichtiger die Frage „Wie können wir den Planeten schützen?“ wurde, umso weniger interessierten mich die seichten Geschichten. Nachdem ich erfolglos versucht hatte das Thema Nachhaltigkeit in meiner Sendergruppe zu platzieren, habe ich 2015 meinen einstigen Traumjob gekündigt. Seitdem arbeite ich unter dem Namen Green Janine als Eventmoderatorin und halte Vorträge.

Mein persönlicher Change hat also durchaus einschneidende Konsequenzen gehabt. Und das war zuweilen auch hart. Niemals hätte ich diesen Weg gehen können, wenn ich an mich selbst den Anspruch der Perfektion gestellt hätte. In irgendwas perfekt sein zu wollen, ist meiner Meinung nach nicht nur illusorisch, es verdirbt auch dermaßen den Spaß, dass man schon nach kürzester Zeit keine Lust mehr hat. Aber für das Thema Nachhaltigkeit und echte Veränderung brauchen wir einen langen Atem. Deshalb gestehe ich mir Schummelmomente zu. Wenn mir das Wetter allzu eklig ist, miete ich ein Auto. Wenn ich unbedingt unterwegs einen Kaffee brauche und meinen Mehrwegbecher vergessen habe, kaufe ich einen Einwegbecher. Und für meinen Sohn kaufe ich auch nicht nachhaltige Klamotten, um endlosen Diskussionen aus dem Weg zu gehen. Früher habe ich diese Momente des Versagens verheimlicht. Inzwischen gehe ich damit sehr offensiv um. Und es gibt darauf ausschließlich positive Reaktionen. Ich glaube, weil die Menschen genau das brauchen beim Thema Klimaschutz – das Gefühl, dass sie nicht perfekt sein müssen. Nur dann können wir viele dazu bewegen mit der eigenen Veränderung anzufangen.

Über die Autorin: Früher war Janine Steeger das Gesicht von „RTL-Explosiv“, heute lebt Janine Steeger ein ganz anderes Leben: Lastenrad statt Jetsetting, Klimaschutz statt Boulevard. Wie sie das geschafft hat und warum man nicht perfekt sein muss, um das Klima zu schützen, lesen Sie in ihrer Kolumne.

Über die Illustratorin: Kat Menschik arbeitet bereits seit 1999 als freiberufliche Illustratorin in Berlin. Die studierte Kommunikationsdesignerin zeichnet für Zeitungen, Magazine und Buchverlage, unter anderem für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Seit 2016 veröffentlicht Kat Menschik mit „Klassiker der Weltliteratur“ ihre eigene Buchreihe im Berliner Galiani-Verlag.


Dieser Artikel erschien zuerst im MISEREOR-Magazin „frings.“ Das ganze Magazin können Sie hier kostenfrei bestellen >

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Gast-Autorinnen und -Autoren im Misereor-Blog.

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