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Gewalterfahrungen von Kindern und Jugendlichen in Lusaka

Youth Alive Zambia hat sich entschlossen neben der HIV-Prävention auch präventiv gegen Formen von Gewalt mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten. Aus diesem Grund habe ich eine Arbeitsgruppe mit interessierten Freiwilligen gegründet, um zukünftige Aktivitäten zu planen.

Martin Gottsacker arbeitet in der Jugendorganisation "Youth Alive Zambia".

Martin Gottsacker arbeitet in der Jugendorganisation "Youth Alive Zambia".

Unsere erste Aufgabe war es, eine Untersuchung mit sambischen Kindern und Jugendlichen durchzuführen, um Erkenntnisse über deren Erfahrungen und Meinungen bzgl. Gewalt und Menschenrechte zu erhalten. Einen Schwerpunkt bildete dabei die Gewalt gegenüber Mädchen und Frauen. Die Ergebnisse sollen uns Hinweise geben, wie genau wir weitere Aktivitäten planen. So wollen wir Videos produzieren, Materialien verteilen, Ausstellungen organisieren und themenzentrierte Workshops planen. Wir haben insgesamt 270 Fragebögen in verscheidenen Klassenstufen an fünf verschiedenen Schulen verteilt. 19,22% der Befragten waren zwischen 12 und 14 Jahren alt, 72,55% zwischen 15 und 18 und 8,24% waren zwischen 19 und 22 Jahre alt. Die Aufteilung zwischen Mädchen und Jungs war in etwa gleich.
Die Ergebnisse waren teilweise erschreckend und schockierend und fordern zu dringenden Handlungen auf. Rund 75% der Befragten haben in ihrem Leben schon mal Gewalt erlitten. Rund die Hälfte wurde geschlagen, 70% von diesen öfter als einmal. Körperliche Gewalt ist für viele Kinder und Jugendliche Normalität. 50% der Befragten sagten, dass dass Schlagen üblich ist und 20% sehen es als adaequate Erziehungsmethode an. Fast ein Fünftel gab an, dass Männer ihre Ehefrauen schlagen. 42% sind Opfer von sexueller Gewalt: 10% wurden vergewaltigt (die Hälfte davon öfter als einmal), 12% boten ihren Körper als Gegenleistung für Gefälligkeiten an (über 2/3 mehr als einmal), und fast 20% wurden an ihren Intimzonen angefasst. Kinder und Jugendliche sind traumatisiert, häufig bleiben die Betroffenen allein mit ihren Erfahrungen, Sorgen und Nöten. Die meisten Eltern scheiden aus kulturellen Gründen als Ansprechpartner aus und meist überwiegt die Scham, sich anderen Personen oder Institutionen anzuvertrauen.
Die Allgegenwärtigkeit und „Normalität“ von Vergewaltigungen drückt sich auch in folgenden Zahlen aus: Rund 20% und 25% meinten, dass Sex gegen Gefälligkeiten (Nahrung, Schulgebühren, Schulbüchern,…) und Sex gegen den Willen des Partners kein gewalttätiger Akt ist. Laut 45% der Befragten sind Vergewaltigungen in der Ehe üblich. Frauen, die Vergewaltigungsopfer sind, lassen die Gewalt über sich ergehen, da sie überwiegend von dem Mann finanziell abhängig sind und sich schämen.

Gewalt in der Familie wird gedeckt, von der Gesellschaft werden sie als „family issues“ abgetan. Daher sagen auch 33%, dass die eheinternen Vergewaltigungen nicht vom Gesetz verfolgt werden sollten.
Ein wesentlicher Grund für diese Zahlen ist das patriarchalisch ausgerichtete Gesellschaftssystem in Sambia. Auch hier befragten wir die Kinder und Jugendlichen, um Meinungen bzgl. der Gleichberechtigung der Geschlechter herauszufinden. Folgende Zahlen und Erkenntnisse sind besonders wichtig:
•    20% sagten, dass Mädchen nicht die gleichen Berufschancen wie Jungen haben sollten
•    44% gaben an, dass Jungen und Männer in einer Beziehung dominant sein sollen
•    Über die Hälfte war der Meinung, dass Frauen die Hausarbeit zu erledigen habe und für die Kinder sorgen sollen
•    Fast 50% der Befragten hatte die Auffassung, dass die Männer über das Familieneinkommen verfügen sollten
•    Fast 20% sagten, dass die Frauen kein Mitspracherecht haben sollten, wann es zum Geschlechtsverkehr kommt

Für mich waren diese Zahlen teilweise überraschend und in ihrer Intensität besonders bzgl. der sexuellen Gewalt schockierend. Meine sambischen KollegInnen hingegen haben die Ergebnisse erwartet, teilweise gingen sie von extremeren Resultaten aus. Für uns sind die Ergbnisse Ansporn, schnell gute Produkte zu liefern. Unser nächstes Projekt ist die Produktion eines Videos, das an Schulen, Gemeinden und in unseren Workshops gezeigt werden kann.

Ich bin schon jetzt auf das Resultat gespannt!
Beste Grüße aus dem Herzen Afrikas,
Martin Gottsacker

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Martin Gottsacker ist Länderreferent für Uganda bei Misereor.

2 Kommentare Schreibe einen Kommentar

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    Hi Lisa,

    schön, dass Sambia Dich weiterhin beschäftigt und Du Dich weiterhin für die Projektarbeit und natürlich auch für die Jugendlichen interessierst!

    Die Materialien, die wir in Lusaka entwickeln werden, werden wir natürlich auch den anderen Standorten zur Verfügung stellen. Zuerst wird – wie geschrieben – ein Video erstellt (da sind wir in der konkreten Planung) und nachher steht die Erstellung von Manuals an. Beides soll in die Workshopdurchführung Einzug halten.

    Wenn es diesbzgl. Neuigkeiten gibt, kommt das natürlich hier in den Blog. Von daher ist der Informationsfluss gewährleistet.

    Hoffe, Dir geht´s gut, liebe Grüße aus Lusaka,
    Martin

  2. Avatar-Foto

    Hi Martin,
    ich bin betroffen und schockiert von den Ergebnissen eurer Umfrage. Es ist schwer, schwarz auf weiß Zahlen zu sehen, die man im Ansatz erahnt aber niemals in dem Ausmaß für möglich gehalten hatte.

    Es zeigt, wie unheimlich gut und wichtig es ist, dass ihr das Thema aufgeriffen habt und es aktiv in die Aufgabenbereiche von Youth Alive einbezieht.
    Ich denke an meine sambischen Freunde, an meine ehemaligen Schüler, fühle mich hier zurück in Deutschland machtlos und schätze darum eure Arbeit umso mehr.

    Wird das Thema auch in die Tätigkeitsbereiche von Solwezi Youth Alive Zambia mit aufgenommen?
    Bitte halt mich, halt uns auf dem Laufenden!

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