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Interesse der Masse, Regenzeit in Afrika vs. Sandy in den USA

Ich laufe durch die Straßen Gisenyis. Heute Nacht haben der Regen, die Blitze und der grollende Donner den Menschen hier wieder den Schlaf geraubt. Ich sehe Frauen und Männer, die Wasser und Schlamm aus ihren Häusern schöpfen, schwere Säcke um ihr Haus platzieren und zum hundertsten Mal in den letzten Tagen Wassergräben graben. Viele haben ihr Haus komplett verloren: Wände sind eingestürzt, Schlamm steht bis zur Decke.

Zur Arbeit komme ich heute leider nicht mit dem Fahrrad, die Straße ist gesperrt, weil kein Durchkommen ist. Auf dem Weg treffe ich eine Arbeitskollegin. Sie erzählt mir, dass sie die Nacht in der Stadt verbringen musste, weil sie gestern Abend nicht mehr nach Hause kam. Außerdem erzählt sie von einer anderen Arbeitskollegin, die ihr Haus komplett verloren hat.  In den letzten Tagen sind viele Menschen gestorben. Die Allermeisten sind Kinder. Sie ersticken im Schlamm, weil sie im Schlaf nicht merken, wie das Haus voller Schlamm läuft. Wenn man dann zwei Tage später die gleiche Straße wieder entlangläuft, sieht man Kinder und Erwachsene, die das an der Seite der Straße entlang laufende reißende Flüsschen nutzen, um sich zu waschen. In solchen Momenten rührt es mich immer, wie positiv die Leute hier versuchen ihre Schicksäle zu nehmen und mit ihnen umzugehen.

Am gleichen Tag lese ich Nachrichten im Internet. Schlagzeilen über Schlagzeilen über Wirbelsturm Sandy. Ich war geschockt, und bin es immer noch. Auch dort leben viele Leute nun ohne Strom und Handynetz. Viele Menschen sind gestorben. Als ich dann das Zitat einer 21-jährigen Studentin las, dass sie sich freute, am Morgen endlich wieder eine warme Dusche bei Freunden nehmen zu können, wurde mir ganz komisch. In mir kamen gleichzeitig Wut, Trauer und ein bisschen Verzweiflung hoch. Ich erkannte, dass die Schlagzeilen über Sandy nur so aus den Bildschirmen fielen, weil es zu viele sind, um sie drin zu behalten. Doch wo liest man schon was über die Schicksale, die den Menschen beispielsweise hier täglich zustoßen?! Und wenn man mal genauer drüber nachdenkt: Katastrophen sind immer schlimm! Aber wenn man sich mal vor Augen führt, dass die meisten Menschen in den USA noch 1000er Beträge auf ihren Konten haben, um ihre Häuser neu aufzubauen und die Menschen hier oft alles verlieren, was sie haben, außer das, was sie am Körper tragen, verstehe ich nicht, wieso sich die Nachrichten nur den USA richten. Natürlich ist mir klar, dass es auch Zeitungen gibt, die über Afrika berichten. Aber sind diese Schicksale nicht wichtig genug, um einen Platz in mehr als einer Hand voll Zeitungen zu bekommen?

Mit diesem Bericht wollte ich auf gar keinen Fall sagen, dass das was in den USA passiert ist, nicht schlimm sei. Viel mehr wollte ich klar machen, dass wir anfangen sollten uns für JEDEN Kontinent gleich zu interessieren! Wie sagt man noch immer so schön? Wir sind EINE Welt!

Geschrieben von:

Anna

Muraho, ich bin die Anna und lebe zur Zeit in Ruanda, Gisenyi. Einige Wochen meines Freiwilligendienstes sind schon um. Ich habe so ungefähr alle Gefühlslagen schon durchlebt, viel vom Leben in der anderen Kultur mitbekommen und schon einige Menschen kennengelernt. Ich bin total gespannt, was mich noch alles so erwartet in den nächsten Monaten und bin ein bisschen geschockt, wie unglaublich schnell die Zeit hier umgeht.

1 Kommentar Schreibe einen Kommentar

  1. Avatar-Foto

    Liebe Anna,

    ich kann deinen Ärger und deine Wut, die man aus deinem Beitrag gut heraushört, wirklich verstehen. Das ist wirklich ungerecht. Umso wichtiger ist es, dass du mit deinem Blogeintrag das Geschehene berichtest und uns allen, die wir es lesen, noch einmal vor Augen führst, dass eine Hälfte der Welt gerne vergessen wird …

    Liebe Grüße aus dem herblichen Aachen!

    Uta

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