Miahuichan, ein Dorf in der Nähe von San Luis Acatlan am Wochenende vom 24. und 25. November. Ein fast unscheinbares Dorf mit Lehmhütten, auf der Straße trifft man neben den Hunden schon mal Hühner, Truthähne und Schweine – oder eben an diesem Wochenende Menschenrechtsaktivist_innen und Jornalist_innen aus ganz Guerrero und Mexiko. Die Policía Comunitaria feiert dieses Jahr nämlich genau hier ihr 17. Jubiläum. Heißt das 17 Jahre der Selbstjustiz? Im Gegenteil.
Die Policía Comunitaria ist eine Organisation von mehr als 1200 Polizisten, die sich ehrenamtlich um die Sicherheit in den Dörfern der Montaña von Guerrero einsetzen. Das Vertrauen in die Polizei, in das Militär und generell in den Staat ist nicht vorhanden – zu oft haben sich jene auf Kosten der Indigenen Dörfer bereichert, die Straflosigkeit ist allgegenwärtig. Beispiele gibt es genug: Inés Fernández Ortega und Valentina Rosendo Cantú wurden von Soldaten vergewaltigt, Bonfilio Villegas wurde willkührlich vom Militär erschossen und am 12. Dezember jährt sich zum ersten Mal der Protest von Studierenden der landwirtschftlichen Schule „Escuela Normal Rural ‚Raul Isidro Burgos’ de Ayozinapa“, bei dem es neben zahlreichen Verletzten und willkührlichen Festnahmen mit Folter auch zwei Tote gab, ermordet durch gezielte Schüsse der Polizei. Hinzu kommt die Komplizenschaft zwischen Militaer, Polizei und Drogenhandel auf der einen, und dem „Krieg gegen die Drogen“ auf der anderen Seite. Opfer sind die Bewohner_innen der indigenen Dörfer, die ohnehin schon durch die strukturelle Diskriminierung marginalisiert sind. Sie haben keine Schule oder keine Lehrer_innen, das nächste Krankenhaus liegt mehrere Stunden Fußmarsch entfernt und von Supermärkten ist hier nicht einmal die Rede. Sie sind weit entfernt von der Öffentlichkeit und somit dem Militaer, Polizei und den Drogenhändler schutzlos ausgeliefert.
Die Abgelegenheit ihrer Dörfer machen sie sich aber nun zur Stärke: Indigene Gemeinschaften fangen an, wie schon im Süden Mexikos die „Zapatistas“, sich selbst zu organisieren, um ihr Leben unabhängig vom Staat zu gestalten und somit zu „autonomen Gemeinschaften“ zu formieren. Die Policía Comunitaria ist der erste Schritt in diese Richtung. Langsam aber stetig übernimmt sie die Aufgaben der staatlichen Polizei und hat sich mit ihrer Stärke etabliert. Sie bringt den Menschen ganz konkrete Hoffnung, ganz konkreten Schutz und ganz konkreten Widerstand gegenüber willkührlichen Menschenrechtsverletzungen. Aber Guerrero ist groß.
Im Südwesten wurde letzte Woche die Öko-Aktivistin Juventina Villa Mojica und ihr
minderjähriger Sohn von mehreren vermummten Gestalten erschossen. Der Staat steht im dringenden Verdacht den Befehl gegeben zu haben, die „ungemütliche“ Frau zu exekutieren. 3 Tage danach fand dieses Wochenende 70km und 2 1/2 Stunden von Tlapa entfernt die Geburtsstunde der Policía Ciudadana y Popular statt, eine weitere Bürgerwehr in dem Bezirk von Olinalá. Ein beeindruckendes Ereignis, an dem ich teilnehmen durfte. Auf dem Rückweg schaue ich noch einmal aus dem Fenster und genieße den Anblick der wunderschönen Montaña. Die Menschen haben genug von den Ungerechtigkeiten – und noch mehr Mut und Stolz, sich dagegen zu wehren.
Liebe Marie,
das ist doch ein tolles Beispiel von Empowerment: Die Menschen nehmen ihr Leben selbst in die Hand und versuchen, es zu verbessern, sich nicht alles gefallen zu lassen. Das erfordert Mut. Aber fördert sicherlich auch ihren Stolz. Schön, dass du dabei warst!
Liebe Grüße aus Aachen, Uta