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Mein Reisepass – mein Privileg

Ich wurde im Mai 1989 geboren. Die Mauer sollte wenige Monate später fallen, die Maastrichter Verträge führten 1992 die Bürgerschaft der EU ein und das Schengener Abkommen trat kurze Zeit später in Kraft. Wir machten Familienurlaub in Frankreich und Spanien, fuhren am Wochenende mal eben bis zum Dreiländereck und zum Studium ging es für mich unkompliziert in die Niederlande. Geschichten über geschlossene, streng bewachte Grenzen und langem Warten kenne ich eigentlich nur aus Erzählungen.

Dass ein deutscher Pass viele Vorteile hat, wurde mir das erste Mal bei einem Auslandsaufenthalt in der Türkei bewusst. Ich fuhr zwei Tage vor meiner Ausreise zum türkischen Konsulat und 30 Minuten später war das Studienvisum feinsäuberlich in meinen Reisepass eingeklebt. Selbst wenn ich an diesem Tag doch keins bekommen hätte, ich wäre einfach mit einem Touristenvisum eingereist und dann nach drei Monaten mal schnell mit der Fähre nach Griechenland gefahren, um wieder einzureisen. So geht das für Deutsche, doch meine türkischen Freunde hatten da weit größere Probleme. Antrag stellen, eine ausreichende Finanzierung und vor allem den Willen, nach dem Deutschlandaufenthalt direkt wieder zurück in die Türkei reisen zu wollen, nachweisen; ein großer bürokratischer Akt, der oftmals auch abgelehnt wird.

Hier in Thailand merke ich jeden Tag, wie sich meine Staatsangehörigkeit und der schlichte rote Reisepass mit dem Adleremblem von dem der Anderen unterscheidet. Mein non-immigrant Visum war innerhalb von zwei Tagen wieder im heimischen Briefkasten. Keine Nachfragen, keine großen Umstände. Auch über Reisepläne musste ich mir vorher keine Gedanken machen. Ob Malaysia, Laos oder Kambodscha, alles kein Problem, ein Touristenvisum gibt es direkt an der Grenze.  Selbst ein Visum für Myanmar konnte ich schon am folgenden Tag abholen. Bei den üblichen Passkontrollen im Reisebus, vor allem in der Nähe der burmesischen Grenze, werde ich überhaupt nicht beachtet, geschweige denn nach meinem Pass gefragt. Man geht davon aus, dass die „Farang“, die weiße Westlerin, automatisch ein Visum und keinen Grund hat, sich illegal in Thailand aufzuhalten.

Sich nicht einmal Gedanken um ein Visum machen zu müssen, unterscheidet mich gewaltig von meinen Kollegen und den Flüchtlingen in Bangkok, die aus Thailand, China oder dem mittleren Osten stammen. Ein Internationaler Index zur Visa Beschränkung gibt an, wie viele Länder mit einer gewissen Staatsbürgerschaft ohne ein Visum (bzw. Visa on Arrival) bereist werden dürfen und gibt somit Aufschluss über die Reisefreiheit dieser jeweiligen Länder.

International Visa Restrictions 2012, Quelle: https://www.henleyglobal.com/citizenship/visa-restrictions/

Wen überrascht es da, fast ganz Westeuropa unter den Top 10 weltweit wieder zu finden. 168 Länder darf ich also mit meinem Pass bereisen. Nicht, dass ich dafür gerade Zeit und Geld habe, aber ich könnte es und das ist der große Unterschied. Wenn ich auf die letzten zehn Plätze schaue, dann finde ich dort genau die Länder, die die Herkunftsländer der meisten Flüchtlinge hier in Bangkok sind: Pakistan, Afghanistan, Somalia, Irak, Palästina, Sudan,Sri Lanka, Myanmar usw.. Menschen, die vom Bürgerkrieg geplagt sind und dabei nicht einfach entscheiden dürfen, in welchem Lande sie gerne in Zukunft leben möchten. Ihre Staatsangehörigkeit, ihr Reisepass, gibt dies vor.

Eine Staatsangehörigkeit ist etwas in die man hineingeboren wurde und die man so schnell nicht ändert. Sie identifiziert uns und entscheidet über legal und illegal, über geduldet oder nicht geduldet. Sie entscheidet darüber ob man auf der Straße frei spazieren kann, oder ob die Polizei einen Grund hat, jemanden zu inhaftieren. Wenn es die Hoffnung auf ein Resettlementverfahren bei den Flüchtlingen gibt, dann höre ich oft: „Nach fünf Jahren können wir dann die Staatsangehörigkeit in den USA/Niederlande etc. beantragen, dann können wir endlich etwas von der Welt sehen.“ Wer weiß, ob sie dann dazu Geld haben werden, aber es gäbe dann eine theoretische Möglichkeit. Eine Freiheit, die wir vielleicht öfter wertschätzen sollten. Wir, mit dem Porsche unter den Reisepässen, wir, mit einem großen Privileg.

Geschrieben von:

Katharina

Ich bin Katharina Koller und habe 2012/13, im Rahmen des MISEREOR-Freiwilligendienstes, für COERR (Catholic Office for Emergency Relief and Refugees) in Bangkok und an der thailändisch-burmesischen Grenze mit Flüchtlingen zusammengearbeitet.

4 Kommentare Schreibe einen Kommentar

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    Liebe Katha,
    ich bin eine der neuen Freiwilligen und frage mich gerade „Wie kann ich dem noch was hinzu fügen?“
    Das Wort „Privileg“ trifft es einfach auf den Punkt. Wir sollten uns wirklich öfter klar machen, was das für uns bedeutet.
    Super Artikel!

  2. Avatar-Foto

    Hier in Thailand merke ich jeden Tag, wie sich meine Staatsangehörigkeit und der schlichte rote Reisepass mit dem Adleremblem von dem der Anderen unterscheidet. Mein non-immigrant Visum war innerhalb von zwei Tagen wieder im heimischen Briefkasten. Keine Nachfragen, keine großen Umstände. Auch über Reisepläne musste ich mir vorher keine Gedanken machen. Ob Malaysia, Laos oder Kambodscha, alles kein Problem, ein Touristenvisum gibt es direkt an der Grenze. Selbst ein Visum für Myanmar konnte ich schon am folgenden Tag abholen. Bei den üblichen Passkontrollen im Reisebus, vor allem in der Nähe der burmesischen Grenze, werde ich überhaupt nicht beachtet, geschweige denn nach meinem Pass gefragt. Man geht davon aus, dass die „Farang“, die weiße Westlerin, automatisch ein Visum und keinen Grund hat, sich illegal in Thailand aufzuhalten.

  3. Avatar-Foto

    Liebe Katha!
    Auch mir ist es hier in Tansania aufgefallen, wie einfach man es doch mit unserem Reisepass hat. Während Einheimische an der Grenze zu Nachbarländern den korrupten Grenzbeamten horrende Geldbeträge geben müssen, wird mir winkend ein schöner Urlaub gewünscht. „Ich komme aus Deutschland“- dieser Satz genügt, und ich muss im Gegensatz zu allen andern weder mein Impfpass zeigen noch mein Gepäck durchleuchten lassen. Mein Pass – meine Flügel. Doch wie du uns zeigt, bedeutet er für viele: Mein Pass – meine Fessel.

    Liebste Grüße ins (gerade wahrscheinlich sehr heiße?) Thailand

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    Liebe Katha,

    „Porsche unter den Reisepässen …“. Das ist gut. Hört sich witzig an. Wie sagt man ja auch: Eine Reise, die ist lustig. Aber wie man deinem Beitrag entnimmt, ist das leider nur für uns und einige andere Privilegierte so. Ich kann mich noch an Grenzkontrollen erinnern. Aber im Grunde auch nur „positiv“: Wir wurden immer durch gelassen. Ohne Probleme. Und mittlerweile macht man sich wirklich gar keine Gedanken mehr darüber. „Welcome to …“ gilt für uns ja auch fast überall.

    LG, Uta

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