Lage in Burundi wird immer gefährlicher. MISEREOR-Experte im Gespräch.
In Burundi ist das Leben sehr gefährlich geworden. Zur falschen Zeit am falschen Ort, mit Verdächtigen verwechselt, oder gar ohne jeden erkennbaren Grund sind in den vergangenen Wochen zahlreiche Menschen im öffentlichen Raum getötet worden. Die Vereinten Nationen zeigen sich alarmiert: In dem ostafrikanischen Staat, der zu den ärmsten Ländern der Erde gehört, droht nach Ende des zehn Jahre andauernden Bürgerkrieges im Jahre 2003 erneut eine massive und blutige Gewalt-Eskalation, sogar vor einem Völkermord wie 1994 in Ruanda wird ausdrücklich gewarnt.
Die aktuelle Krise begann Ende April, als die Regierungspartei Pierre Nkurunziza für eine dritte Amtszeit als Präsident nominiert hatte. Und damit gegen die Verfassung verstieß, die nur eine einmalige Wiederwahl vorsieht. Seitdem kam es zu Unruhen, auf die die staatlichen Sicherheitskräfte immer brutaler reagieren. Désiré Nsizabira leitet die MISEREOR-Dialog- und Verbindungsstelle in Simbabwe und ist über die Lage bestens informiert. Er wurde in Burundi geboren, seine Familie lebt dort und hat Angst. Durch die täglichen gewaltsamen Auseinandersetzungen sei das öffentliche Leben insbesondere in der Hauptstadt Bujumbura stark eingeschränkt. „Viele Eltern trauen sich nicht mehr, ihre Kinder zur Schule zu schicken, weil der Weg dorthin zu hohe Risiken birgt und sie entführt werden könnten“, sagt Nsizabira.
Besonders gefährdet seien derzeit männliche Jugendliche bzw. junge Männer zwischen 14 und 35 Jahren, weil staatliche Stellen vor allem in dieser Personengruppe die Haupt-Rädelsführer gegen die Regierungspolitik sähen. Reihenweise sei es zu willkürlichen Verhaftungen und Morden gekommen, die Leichen wurden vielfach auf Straßen oder in Flüsse geworfen. Jeder könne von der unberechenbaren Gewaltwelle betroffen sein, beklagt Nsizabira. So wurden etwa neun in einer Kneipe sitzende Menschen ohne erkennbares Motiv umgebracht, auch ein Kameramann des staatlichen Fernsehens, seine Frau und seine zwei Kinder wurden unversehens Opfer einer tödlichen Polizei-Attacke. „Jeder, der gegen die Regierung öffentlich demonstriert hat, der politisch aktiv ist, der jung ist, gerät ins Visier der Sicherheitskräfte und muss um sein Leben fürchten.“ Verbreitet kämen die Täter ohne Strafe davon, Polizisten könnten sich auch unbehelligt über geltende Gesetze hinwegsetzen – etwa, dass die Entwaffnung von Personen angekündigt und bei Tage stattfinden müsse. Stattdessen würden die Betroffenen von Einsatzkommandos nachts im Schlaf überrascht.
Die seit Monaten anhaltende Krise hat zu einer großen Fluchtwelle geführt: Bis zu 100.000 Menschen leben in zwei Camps im benachbarten Tansania, bis zu 75.000 in Ruanda; eine statistisch kaum dokumentierte Zahl hat auch in der Demokratischen Republik Kongo Schutz gesucht. Die Geflohenen würden einigermaßen menschenwürdig versorgt, erste Epidemien und hygienische Missstände seien aber bereits zu beklagen, sagt der MISEREOR-Experte. Internationale Beobachter sind wegen der Gesamtlage auch deshalb so besorgt, weil es Stimmen gibt, nach denen eine erneute ethnische Konfrontation zwischen der Bevölkerungsmehrheit der Hutus und den Tutsis drohe. Ein Völkermord sei nicht mehr völlig ausgeschlossen. „Das entspricht nicht der allgemeinen Stimmung in der Bevölkerung“, analysiert Nsizabira. „Ich habe den Eindruck, dass die Regierung die ethnische Karte zieht, um damit politisch zu punkten. Mit einigen hochgefährlichen Reden soll der angebliche Gegensatz von Hutus und Tutsis für die eigenen Ziele instrumentalisiert werden.“ Gerade unter jungen Leuten seien die jeweiligen Ethnien gar kein Thema, und bei der Verfolgung von Regierungsgegnern spiele die Volkszugehörigkeit ebenfalls keine Rolle.
Wie sehr mittlerweile in Burundi elementare Rechte verletzt werden, zeigt nach Ansicht des MISEREOR-Experten auch die Lage der Medien im Land: „Eine unparteiische Presse ist nicht mehr vorhanden, mehrere Medien wurden bereits verboten.“