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Austausch der Kulturen: Das Volk der Ẽbẽra

Dieses Wochenende hatten wir die Möglichkeit einen Kulturaustausch zwischen den Kindern unserer Organisation „Benposta“ und den Indigenen aus Tierralta (Ẽbẽra Drua) und Umgebung zu begleiten. Die Ẽbẽra erzählten von ihren Bräuchen und Sitten und gaben somit einen Einblick in ihre Kultur. Sie berichteten von ihrer Geschichte, von der Arbeit der Medizinmänner, der Grundnahrungsmittel und der traditionellen Kleidung. img_5173

Der Gedanke hinter dem Kulturaustausch

Die Idee Benpostas war es, das Leben der Indigenen Tierraltas (circa 5,8% der Bevölkerung in Tierralta)  den Kindern und Jugendlichen etwas näher zu bringen und so gegen negative Vorurteile den Ẽbẽra gegenüber vorzugehen.
Aber auch für die Mitarbeiter Benpostas war diese Aktion eine Möglichkeit, mehr über die Kultur und Bräuche der Ẽbẽra zu erfahren und von diesen neu erfahrenen Informationen in ihrer Arbeit als Sozialarbeiter oder Psychologen Gebrauch zu machen.

Viele Projekte Benpostas befassen sich damit, den Kindern eine bestmögliche Entwicklung zu ermöglichen und ihnen somit eine Perspektive zu geben. Durch den Austausch mit den Ẽbẽra wurde aber schnell klar, dass die Sicht auf grundlegende Lebenseinstellungen von Kultur zu Kultur unterschiedlich sein kann und dass nicht jeder nach der gleichen Art von Entwicklung strebt. Diese Errungenschaften versucht Benposta nun in den Projekten zu respektieren und will somit auf die Bedürfnisse der indigenen Kinder besser eingehen.

Unsere Gruppe von rund 50 Leuten durchlief verschiedene Stationen: die erste Station war ein kleiner Vortrag über das Leben und die Bräuche der Ẽbẽra, wobei Wert auf die Unterschiede zu der traditionellen Lebensweise und den Veränderungen in den letzten Jahren gelegt wurde.

Veränderungen des traditionellen Lebens

Das Volk der Ẽbẽra aus der Region Alto Sinú lebte ursprünglich in einem großen Territorium südlich von Tierralta. Dort praktizierten sie ihre Kulturen und lebten von den Reichtümern der Flüsse, Flora und Fauna. Das Leben der Ẽbẽra hat sich in den letzten Jahren durch den Kontakt zur Zivilisation sehr verändert. Ihre Häuser sind jetzt mit Fernsehgeräten ausgestattet und viele benutzen das Motorrad als Transportmittel. Auch ihre traditionelle Tracht passten sie den „westlichen“ Standards an. Viele Ẽbẽra bevorzugen nun die staatlichen Gesundheitszentren anstelle des Besuches eines traditionellen Medizinmannes und die Kinder haben nun die Möglichkeit eine Schule bzw. eine Universität zu besuchen.

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Die Frauen kochten uns ein leckeres Mittagessen auf offenem Feuer.

 

Der Körperschmuck der Ẽbẽra

Es ging weiter zu der„praktischen“ Arbeit. Wir durften uns an dem Körperschmuck der Ẽbẽra probieren und machten wunderschöne, bunte Armbänder aus Perlen, wie sie von den Indigenen gerne getragen werden. Diese traditionellen Armbänder und Ketten werden von den Frauen an verschieden Stellen in Tierralta verkauft.

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Eine Ẽbẽra Frau erklärt uns wie die Farben für die Bemalungen gewonnen werden

Bei der dritten Station bekamen wir Einsicht in die Körperkunst. Die Ẽbẽra malten uns nach traditioneller Art Zeichen und Figuren mit schwarzer und roter Farbe auf Gesicht, Hände oder Füße. Auch mir wurden verschiedenen Zeichen ins Gesicht gemalt.

Diese Körperkunst kann für die Ẽbẽra verschiedene Bedeutungen haben. Die Frauen und Männer bemalen sich beispielsweise zu festlichen Anlässen oder nach Anweisungen des Medizinmannes zur Behandlung von Krankheiten. Eine genaue Bedeutung haben die Zeichen jedoch meistens nicht. Die verwendete Farbe wird dabei aus Pflanzen gewonnen und mit Wasser vermischt. Sie hält dann in der Regel bis zu 20 Tage (diese Information gab man mir aber leider erst nach der Bemalung 🙂 ).

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Die Probleme und Herausforderungen der Ẽbẽra  

Uns wurde viel von den Problemen berichtet, mit denen die indigenen Völker hier in der Region zu kämpfen haben. Unter den Konflikten der letzten 50 Jahre litt auch die einheimische Bevölkerung sehr, da sich viele bewaffnete Gruppierungen in ihren Territorien ansiedelten und die Ẽbẽra vertrieben.

Ein großes Problem, mit welchem sie hier in der Region zu kämpfen hatten, war die Umsiedlung vieler Stämme vor einigen Jahren. Vorher lebten die Ẽbẽra zurückgezogen, machten von ihren Bräuchen Gebrauch und gingen ihren Traditionen nach. Sie lebten von der Landwirtschaft, der Viehzucht und dem Fischfang und hatten nur wenig Kontakt zu der Welt außerhalb ihrer Territorien.

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Im Jahr 1998 jedoch wollte ein Wasserkraft-Unternehmen Nutzen von der Kraft des Flusses „Sinús“ nehmen und baute einen riesigen Stausee. Dazu beanspruchte es eine Fläche von circa 100.000 Hektar, ein Großteil der Territorien der indigenen Dörfer. Die Familien waren daraufhin gezwungen ihre Gebiete zu verlassen, und viele suchten Rückzug in der Stadt Tierralta. Als Gegenmittel versprach das Wasserkraft-Unternehmen finanzielle Unterstützung für 20 Jahre. Viele ließen daraufhin ihr altes Leben zurück und begannen die Vorzüge des Lebens in der Stadt“ zu genießen. Mittlerweile besuchen ihre Kinder die staatlichen Schulen, tragen gewöhnliche Kleidung und nehmen mehr und mehr Abschied von ihrer Muttersprache „ẽbẽra bedea“.  Viele dieser „zweiten Generation“ der Umsiedlung lernten nie, ihre Familien mit den Geschenken der Natur zu ernähren und nach den Bräuchen ihres Stammes zu leben.

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Nun, nach 18 Jahren finanzieller Unterstützung stehen viele Ẽbẽra vor der Entscheidung, ob sie wieder zurück in die Berge, aufs Land, ziehen sollen, zurück zu einem Leben, das ihnen fremdgeworden ist. Oder ob sie in Tierralta bleiben sollen,  um dort eine gewöhnliche Arbeit zu erlernen und vielleicht die Gefahr einzugehen, ihrer traditionellen Kultur Stück für Stück den Rücken zu kehren.

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Johanna absolviert ihren Freiwilligendienst bei BENPOSTA Bación de Muchachos in Cordoba, Kolumbien.

1 Kommentar Schreibe einen Kommentar

  1. Avatar-Foto

    Liebe Johanna,
    na, ist die Farbe noch drauf? Sieht aber sehr nett aus … :-)))
    Danke für diesen aufschlussreichen Artikel. Ich hatte von diesem Stamm noch nie gehört. Es würde mich interessieren, wie die Menschen in zwei Jahren entscheiden. Schwierig, ich möchte nicht mit ihnen tauschen …
    LG, Uta

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