MISEREOR-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel berichtet von einer Reise mit „MISEREOR-Bischof“ Stephan Burger zu Partnerorganisationen in Kenia. Am Rande der Hauptstadt Nairobi hören sie den Menschen zu, die dort Heimat gefunden haben.

MISEREOR-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel und Erzbischof Stephan Burger sprechen mit MISEREOR-Partnerorganisationen. Ein Übersetzer ist dabei behilflich. Foto: MISEREOR
Pilot will ich werden, Anwältin, Ingenieur, Arzt – sagen Schülerinnen und Schüler einer 8.Klasse hinter einfachen Schulbänken auf engem Raum in einer Wellblechhütte an einer Ausfallstraße, die Richtung Uganda geht. Wir sind am westlichen Rand der Millionenmetrope Nairobis, der Haupstadt Kenias. Sie werden diese Berufswünsche kaum oder nicht erfüllen können. Alle wohnen in einem Armenviertel. Der Schulraum steht der Straße im Weg, ebenso wie das gesamte Viertel. Sechsspurig soll sie ausgebaut werden. In den 70ger Jahren hat die Besiedlung begonnen, inzwischen leben tausende Menschen hier.
Erzbischof Stephan Burger aus Freiburg, der mit MISEREOR-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel und der MISEREOR-Partnerorganisation Hakijamii („Rechte für Menschen“) an den Rändern Nairobis unterwegs ist, hört vielfach die Geschichten von Menschen, die hier Heimat und Zusammenhalt gefunden haben; viele von ihnen sind hier geboren.
Menschen in Armenvierteln erleben Vertreibung und Zwangsumsiedlung
Informelle Geschäfte, große und lebendige Märkte, Schulen, Bushaltestellen und einfache Häuser sollen der Straße zum Opfer fallen. Es gäbe andere Möglichkeiten einer künftigen Straßenführung, weshalb das Unverständnis und die Nichtakzeptanz groß sind. 55% der städtischen Bevölkerung Kenias – mehr als 6 Millionen Menschen – in städtischen Armenvierteln kennen solche oder andere Leiden. „Als gäbe es uns nicht“ erzählt eine ältere Frau energisch. Sie hat an diesem Ort Heimat gefunden als in der Gegend und Nachbarschaft noch Kaffee angebaut wurde. In den letzten Jahren kam es immer wieder zu Vertreibungen oder zu Zwangsumsiedlungen. Besonders in innerstädtischen Bereichen, entlang von Wasserwegen oder eben aufgrund von Straßenachsen und -routen.
Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte bleiben für die Verletzlichsten auf der Strecke
Uns kommen die Worte von Papst Franziskus in den Sinn. Wir brauchen ein neues Verständnis von Entwicklung und Fortschritt, fordert er in der Enzyklika Laudato si.
Die Menschen hier kennen weder diese Worte der Enzyklika noch die Agenda 2030, die eine Welt anstrebt, in der niemand zurückbleiben soll. Das Entwicklungsmodell Kenias geht in eine andere Richtung: Investitionen sind vorhanden, aber nicht für die, die an den Rändern des reichen Landes leben. Ja, sie scheinen dieser Art von Fortschritt im Wege zu stehen. Für sie ist das zugesagte Durchsickern des Reichtums von oben her nicht Wirklichkeit geworden. Nur 15% ihres Häuserwertes wird ihnen als Entschädigung versprochen.
Wir sind mit Projektpartnern unterwegs, die in der Millionenmetropole Menschen mit traumatischen Erfahrungen begleiten. Erlittene Gewalterfahrungen, Verlust von Familienmitgliedern, Mißbrauchserfahrung und eine Flucht zu Alkohol und Drogen führen nicht selten zu einer Handlungsunfähigkeit und einem Verlust an Motivation für zukunftorientiertes Handeln. Wir besuchen Flüchtlinge aus der Region der DR Kongo. Sie sehnen sich nach Sicherheit und einer Zukunft für ihre Kinder. Wir hören zu, versuchen zu verstehen und wollen mit ihnen gegen die Gleichgültigkeit dem Leiden gegenüber unterwegs sein.
Danke, das habe ich viele Jahre genauso gesehen und erlebt in Nairobi. Das viel gepriesene ubuntu bleibt auf der Strecke.