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Mehr als nur ein Side-Event: das Gemeinsame Haus mitten in der Vatikanstadt

Mittlerweile ist es weithin bekannt: die katholische Kirche tagt in Rom für ganze drei Wochen. Das Thema: „Amazonien: Neue Wege für die Kirche und eine ganzheitliche Ökologie“. Konkret geht es um den Schutz des Regenwaldes, der Kulturen der indigenen Völker und traditionellen Gemeinschaften sowie die Gestaltung der katholischen Kirche inklusive der Liturgie in der Region. Themen wie Wahrung der Menschenrechte und Kampf gegen die Negativfolgen des Bergbaus stehen auf dem Programm.

Zirkularer Tanz in der Kirche Traspontina. Foto: Leon Souza / Repam Brasilien

In Rom tagen aber nicht nur die Synodenteilnehmer und Synodenteilnehmerinnen – ja es sind Frauen dabei! Auf Roms Straßen und in den Kirchen treffen wir auf die sogenannte „equipe itinerante“, wortwörtlich als „wanderndes Team“ zu verstehen. Tatsächlich handelt es sich hier um eine bunte, bewegte und auch bewegende Gruppe pilgernder Christinnen und Christen. Sie leben ihre Liturgie mitten unter den Menschen. Sie sind vertraut mit der „tragische[n] und komplexe[n] Realität außerhalb von Recht und Gesetz“ (IL 23) und sind tief verwurzelt im Amazonasgebiet.

In der Karmeliter-Kirche Traspontina, wenige Minuten fußläufig vom Petersplatz, trifft sich dieses Team mehrmals täglich zum Gebet. Synodale, Vertreterinnen und Vertretern von Organisationen und Sozialbewegungen sowie Ordensleute stoßen dazu. In diesem von ihnen erklärtem Gemeinsamen Haus, das sog. „casa comum“, gedenken sie den Märtyrerinnen und Märtyrern der Amazonasregion. Ein speziell für die Synode erstelltes Textheft zeigt die Schicksale der einzelnen. Eine mehrsprachige Liturgie hält deren Vermächtnis hoch. Personen, die auch im deutschen Sprachraum uns innehalten lassen, kommen vor, so z. B. der Salesianer Rudolf Lunkenbein. Aber auch der 1985 ermordete italienische Comboni-Missionar Ezechiel Ramin und die 2005 getötete Dorothy Stang – Schwester von Notre Dame de Namur und viele mehr. Mir ging besonders die Biographie der Kolumbianerin Inês Arango Velázquez nach, die in Ecuador mit Indigenen arbeitete. Sie fand ihren Tod unter der in freiwilliger Isolation lebenden Ethnie der Tagaeri (s. Foto).  

Märtyrerin: Schwester Inês Arango Velázquez (Medellín/Kolumbien 1937 – Coca / Ecuador 1987). Foto: Leon Souza / Repam Brasilien

Während Momenten der gänzlichen Stille, mit meditativen Gesängen oder nur Instrumentalmusik mit amazonischen Klängen, spüren wir den Lebens- und Glaubenszeugnissen nach. Mithilfe markanter Bibeltexten wird hier derer gedacht, die bis zur letzten Konsequenz die Nachfolge Christi lebten und dafür auch starben.

Freiwillige Helferinnen und Helfer schenken ihre Zeit diesem Gemeinsamen Haus und heißen den Kirchenbesuch während der Synode willkommen. Es ist ein Kommen und Gehen, doch auch ein Ankommen und Bleiben. Chiara Dusi, eine Comboni-Missionarin, erzählt mir: „Ich bin froh, Teil dieser Synode zu sein, es ist ein besonderer Moment in der Weltkirche.“ Sie selbst hat ganze sieben Jahre in Amazonien – genauer gesagt in Porto Velho (Rondônia) und Humaitá (Amazonas) gelebt. Oftmals wissen der Kirchenbesucher oder die Kirchenbesucherin nicht, um was es geht, wenn aber dann die Schicksale der hier ausgestellten Portraits der Märtyerinnen und Märtyrer erklärt werden, sind die Touristen berührt. Chiara Dusi sieht als eine ihrer Aufgaben, die Verbindung zwischen der Weltkirche und der hier eintreffenden Menschen herzustellen, ganz im Sinne des II. Vatikanischen Konzils. Die „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art“ mit den Besuchern in der Kirche Traspontina in Rom zu teilen.

Das Lebenszeugnis von Ezechiel Ramin ist für die junge Ordensfrau „ein Licht auf dem Weg, um die Gerechtigkeit in die Amazonasgebiet zu bringen“. Ihre Jahre in Nordbrasilien haben sie sehr geprägt: „Es war eine gute Erfahrung in der Schönheit Amazoniens, aber eine Schönheit, die verletzt ist.“ Hiermit beschreibt sie genau das, was im Arbeitsdokument der Synode vorkommt, welches von einer „verletzten und entstellten Schönheit, einem Ort von Gewalt und Leid“ (IL 23) spricht. „Ich spreche hier nicht nur von der verletzten Natur, sondern beziehe mich auch auf den Menschenhandel“, so die Missionarin Chiara Dusi. Jahrelang arbeitete sie in einem Netzwerk, das sich gegen das Verschleppen von v. a. Frauen einsetzte und dies weiterhin tut.

Stiller Moment während des Mittagsgebets, das Foto zeigt das Boot mit Ruder anlässlich der Amazonien Synode. Foto: Leon Souza / Repam Brasilien

Eines der vieldiskutierten Themen während der Synode ist die Inkulturation der Liturgie. Wie also Glaube und Leben verbinden? Wie Symbolik und Tradition sinnvoll gestalten? Einige des wandernden Teams, dieser „equipe itinerante“, leben seit Jahren das, von dem manche bisher in Texten nur lesen. Wir dürfen ihnen, die seit Jahrzehnten schon mit indigenen Völkern Liturgien feiern, vertrauen. Wir sind eingeladen, von ihnen zu lernen und alle Befürchtungen, die uns zurückhalten, fallen zu lassen. Unser Glaube wird nicht nur bereichert werden, sondern wir dürfen auch eine Gelassenheit und Tiefe erleben, die Frieden und Befreiung bringt.

Über die Autorin: Regina Reinart arbeitet als Länderreferentin Brasilien bei MISEREOR. Während der Sondersynode der Bischöfe für das Amazonasgebiet begleitet sie die MISEREOR-Partner der Region und ist Brücke nach Deutschland.


Weiterführende Links

Amazonien: Neue Wege für die Kirche und für eine ganzheitliche Ökologie (Instrumentum Laboris)

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Regina Reinart ist Regionalreferentin für Brasilien bei Misereor.

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