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Amazoniensynode: ein Pakt für Indigene und Mutter Erde

Vor, während und nach den täglichen Synodensitzungen finden Side-Events statt, an denen ich in diesen Tagen teilnehme. Nach dem Motto: voneinander lernen miteinander träumen – zusammen umsetzen. Genau das ist angesagt. Networking, Ideen austauschen, Pläne schmieden. Vor allem aber verstehen, was in den neun Ländern des Amazonasgebietes geschieht.

Victoria Tauli-Corpuz, UN-Sonderbeauftragte für indigene Völker und Adriano Karipuna, Kazike des Volkes der Karipuna. Foto: Guilherme Cavalli / Cimi

Gestern Abend fand eine Podiumsdiskussion zwischen der UN-Sonderbeauftragten für indigene Völker, Victoria Tauli-Corpuz, zusammen mit Roque Paloschi, Erzbischof von Porto Velho (Rondônia) und gleichzeitig Präsident der Katholischen Fachstelle für Indigenen der brasilianischen Bischofskonferenz, dem CIMI, statt. Ebenso saßen Adriano Karipuna und Jair Seixas Reis Maraguá, indigene Führungskräfte der jeweiligs genannten Völker, auf dem Podium.

Der Tenor von Tauli-Corpuz ist klar: schon längst arbeite die UN und die Kirche zusammen und diese Arbeit müsse sich spätestens mit dieser Synode intensivieren, so Tauli-Corpuz. Im März 2016 besuchte sie Brasilien, unter anderem auch die Guarani-Kaiowá im Bundesstaat Mato Grosso do Sul. Im Juni desselben Jahres wurde Clodiodi Aquileu Rodrigues de Souza (26), einer der Führungskräfte, brutal ermordet. Ich war kurze Monate darauf vor Ort und traf auf Clodiodis Familie und war an seinem Grab. Eine zweite Reise im September 2018 brachte mich erneut in sein Dorf außerhalb Dourados. Der Schmerz sitzt tief, die Täter bleiben unbestraft.

Der Bericht von Tauli-Corpuz nach ihrer Reise zu indigenen Völkern sowie in die Amazonasregion fordert den Schutz indigener Völker und die Rechte auf Selbstbestimmung und Land. Sie ist erschüttert über die Vertreibung, die Indigene erfahren. Sie spricht sich gegen Tourismus aus, der Negativfolgen für indigene Territorien hat (Abschnitt 38). In Ländern wie Brasilien, wo die Rechte der Indigenen nicht nur missachtet, sondern konsequent und systematisch verletzt werden, ist ihr Bericht besonders für Menschen wie Jair Maraguá und Adriano Karipuna mehr als nur eine Solidaritätserklärung. Tauli-Corpuz sitzt an einem Tisch mit ihnen und hört zunächst einfach mal zu. Es ist ihr ein Anliegen, sich für die wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen Rechte der Indigenen einzusetzen. Insbesondere geht es ihr um die indigenen Landrechte.

Sie spricht von der Umweltenzyklika Laudato Si´ als ein hoffnungsvolles und vielversprechendes Instrument, welches es gilt mehr und mehr umzusetzen. Während die Synode sich auf eine geographische Region konzentriert, betont Tauli-Corpuz, ist die Bischofsversammlung für jede andere Region, wo indigene Völker leben, ebenso relevant.

Die Präsenz von Tauli-Corpuz als Synodenteilnehmerin ist ein Zeichen der Hoffnung für unsere Partner in Brasilien. Nicht nur Dom Roque, sondern viele Anwesende bauen auf ihr Wort, das nicht wenig verspricht: „Schutz- und Präventionsmechanismen müssen geschaffen werden, Menschenrechtsverteidiger gilt es zu schützen“. Straflosigkeit müsse bekämpft werden, Rechtsberatung und Anzeigenerstattung in Fällen von Rechtsverletzungen seien unabdingbar, so Tauli-Corpuz: „Wir sind es den indigenen Völkern schuldig, die Amazonasregion zu schützen, denn sie sind es, die den Regenwald schützen, das ist das Mindeste, was wir tun können.“

Sie spricht über ihre Sorge um die Situation in der brasilianischen Amazonasregion. Ihre Position ist deutlich: „ In meiner Korrespondenz mit der Regierung mahne ich das derzeitige zerstörerische Entwicklungsmodell an, auch nehme ich in meinen Treffen in Genf meine Verantwortung für die Diskriminierung und Rechtsverletzungen gegenüber Indigenen wahr.“ Dass sie Sprachrohr für MISEREORs Partner, insbesondere CIMI, ist, ist spürbar. Dass sie aber auch auf die Synode baut, kommt als Bestätigung und stärkt die Anwesenden: „Ich danke der Kirche für die Synode“, so die Worte von Tauli-Corpuz.

Salesianer-Pater Justino Sarmento Rezende, selbst Indigener und Synodenteilnehmer. Foto: Guilherme Cavalli / Cimi

Einer der Anwesenden, der Salesianer-Pater Justino Sarmento Rezende, selbst Indigener und ebenso Synodenteilnehmer, grüßte sie mit besonderer Wärme, beide kennen sich von den Treffen in Washington zur Vorbereitung der Synode. Als indigener Priester weiß er, um was es bei der Synode geht. Er stellt die Frage in den Raum: „Warum töten sie uns? Ich frage Euch, wann hören sie auf, uns zu töten?“ Adriano Karipuna nickt. Der derzeitige Genozid, den die Karipuna im Bundesstaat Rondônia erleben, hat er kürzlich während seines Besuchs in Aachen deutlich dargestellt.

Jair Maraguá macht durch die Schilderungen der grausamen Realität, die er erlebt, deutlich, was hinter den Paragraphen des Arbeitsinstrumentes steckt: Sowohl die in indigene Territorien eindringenden Goldschürfer als auch der Tourismus hinterlassen Spuren, nicht nur einen Nachgeschmack an Vorurteilen, sondern auch ganz konkret Respektlosigkeit gegenüber Mensch und Natur mit Unmengen von Müll. Jair hat Angst, seine Ethnie lebt unter konstanten Bedrohungen. Ungerechtigkeit, Menschenrechtsverletzungen, Umweltdelikte, Verfolgungen und Landvertreibungen prägen die Geschichte seines Volkes.

Dom Roque behält trotzdem weiterhin Hoffnung und erinnert an eine geschichtliche Begebenheit, die in den nächsten Tagen Wirklichkeit werden könnte: Nach dem Pakt der Bischöfe in den Domitilla-Katakomben im Jahr 1965, der sich für eine Kirche der Armen aussprach, hofft er, dass mit der Synode ein – wie er es nennt – „Amazonien-Pakt“ gemacht werde, der sich für eine Kirche mit Indigenen und für Mutter Erde ausspricht.

Wir dürfen nicht nur gespannt sein! Wir haben einen Auftrag!

Über die Autorin: Regina Reinart arbeitet als Länderreferentin Brasilien bei MISEREOR. Während der Sondersynode der Bischöfe für das Amazonasgebiet begleitet sie die MISEREOR-Partner der Region und ist Brücke nach Deutschland.


Weiterführende Links

Conservation and indigenous peoples‘ rights. Report to the General Assembly, 2016 >

Amazonien: Neue Wege für die Kirche und für eine ganzheitliche Ökologie (Instrumentum Laboris)

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Regina Reinart ist Regionalreferentin für Brasilien bei Misereor.

1 Kommentar Schreibe einen Kommentar

  1. Avatar-Foto

    Wenn es einen „Amazonien-Pakt“ geben wird, hoffe ich sehr, dass er so viel Bedeutung für die Bewahrung unserer Schöpfung erlangt, wie der „Katakomben-Pakt“ für die „Kirche der Armen“ und die Theologie der Befreiung. Es gibt keine Zeit zu verlieren!

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