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Deutsche Städte für globale Klimagerechtigkeit

Die vergangenen acht Jahre waren weltweit die wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen. Das Jahr 2022 brach einen Hitzerekord nach dem nächsten, auch in Deutschland war es das heißeste aller Zeiten. Extreme Wetterereignisse nehmen weltweit zu. An Nachrichten über Monsunregenfälle in Südasien, Dürren am Horn von Afrika und Waldbrände in Europa haben wir uns längst gewöhnt. Was aber haben unser Stadtverkehr und die Energieeffizienz von Gebäuden mit Hitzewellen in Indien zu tun? Und warum ist kommunaler Klimaschutz in Deutschland wichtig für globale Klimagerechtigkeit?

Die Mehrheit der Menschen, die am stärksten von den Auswirkungen des Klimas betroffen sind, lebt im globalen Süden – sie sind diejenigen, die am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben. So hat der europäische Kontinent mit einem Drittel aller Treibhausgase historisch gesehen zehnmal mehr Emissionen verursacht als der afrikanische. Das ist ungerecht! Ein zentraler Bestandteil der Klimagerechtigkeit ist deshalb das Verursacherprinzip: Regionen und Gruppen, die historisch am meisten zur Klimakrise beigetragen haben, sind in besonderem Maße für den Klimaschutz verantwortlich. Klimagerechtigkeit bedeutet also auch, dass Industrienationen wie Deutschland ihre Emissionen bedeutend schneller vermindern müssen.

Das deutsche Klimaschutzgesetz gibt verbindliche Reduktionsziele vor, deren lokale Umsetzung in Kommunen entscheidend für deren Erreichen ist. Denn Städte sind für rund zwei Drittel der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich (IPCC 2022), wobei der Großteil auf die Bereiche Bauen, Wohnen und Verkehr entfällt – Sektoren, in denen Deutschland seine Klimaziele nach wie vor nicht einhält. Die Dekarbonisierung aller Emissionsquellen wie Heizungen, Fahrzeuge und Öfen ist somit eine unvermeidbare Aufgabe: Für echte Klimagerechtigkeit müssen 11.000 Kommunen innerhalb der nächsten zwei Dekaden klimaneutral werden. Allerdings verfehlt die Bundesrepublik seine Klimaziele laut des aktuellen Projektionsberichtes deutlich (www.umweltbundesamt.de)!

Ambitionen sind da, Ressourcen sind rar

Laut dem Deutschen Städtetag ist „der Aufbruch in die Klimaneutralität [die] vielleicht größte Aufgabe für die kommenden Jahre“. Zahlreiche kommunale Klimaschutzkonzepte und über 18.000 Klimaschutzprojekte[1] bezeugen diese städtischen Ambitionen. Doch um (inter)nationale Klimaschutzvorhaben lokal umsetzen zu können, müssen Städte und Kommunen handlungsfähiger werden. Das Problem: Es fehlt ihnen oft an Personal, finanziellen Mitteln und rechtlichen Grundlagen, um Verantwortung übernehmen zu können. Städtischer Klimaschutz beruht zum Großteil auf Freiwilligkeit, also dem politischen Willen der Städte-, Land- und Gemeinderäte, und hat aufgrund fehlender Ressourcen gegenüber kommunalen Pflichtaufgaben (z.B. Abwasserbeseitigung, Schulhausbau) oft das Nachsehen. Und das, obwohl für ein systemisches Klimaschutzmanagement milliardenschwere Investitionen notwendig sind.

Bereits jetzt besteht ein kommunaler Investitionsstau von knapp 160 Milliarden Euro. Die Fördertöpfe des Bundes und der Länder reichen für die flächendeckende Planung und Umsetzung von Klimaschutzkonzepten bei weitem nicht aus. Zudem ist die Anstellung von Personal an zeitlich begrenzte Förderung geknüpft, was den Verwaltungen kaum Planungssicherheit erlaubt. Durch das Fehlen langfristiger und ausreichend hoher Finanzierungsinstrumente können Kommunen ihren Klimaschutzaufgaben bisher nicht ausreichend nachkommen – und somit auch kaum zu globaler Klimagerechtigkeit beitragen.

Es ist Zeit für Klimagerechtigkeit - there is no planet B
© Canva

Allen Kommunen sozial gerechten Klimaschutz ermöglichen

Auf der Klimakonferenz in Ägypten hat sich die Bundesregierung für Klimagerechtigkeit stark gemacht. Um die eigenen Ziele erreichen zu können, müssen Bund und Länder verlässliche Finanzierungswege für kommunalen Klimaschutz sicherstellen. Im Klima-Bündnis organisierte Kommunen verlangen, dass Klimaschutz zur kommunalen Pflichtaufgabe wird, denn dann müssten Bund und Länder auch die Finanzierung übernehmen. Neue Pflichtaufgaben dürfen den Kommunen aber nur von Bundesländern übertragen werden. Besteht keine Ausnahmeregelung im Grundgesetz (wie z.B. beim Küstenschutz), ist darüber hinaus eine Mischfinanzierung aus Bundes- und Landeshaushalt laut Bundesfinanzverfassungsrecht verboten. Und solange die Länder befürchten müssen, auf den Kosten sitzen zu bleiben, scheuen sie sich weiterhin davor, Klimaschutz zur städtischen Pflichtaufgabe zu machen. Laut Koalitionsvertrag möchte die Ampel-Regierung prüfen, „ob und inwieweit der Bund Kommunen bei überdurchschnittlichen Kosten beim klimagerechten Umbau unterstützen kann.“ Ein aktuelles Rechtsgutachten [2] kommt zu dem Ergebnis, dass zur städtischen Klimaschutzfinanzierung eine Änderung des Grundgesetzes notwendig ist.

Misereor engagiert sich an der Seite seiner Partnerorganisationen im globalen Süden für Städte, in denen alle Menschen ein gutes Leben führen können und vor Umwelt- und Klimakrisen sicher sind. Bereits heute leiden arme Stadtbewohner*innen besonders unter den Auswirkungen der Klimakrise. Sie sind Extremwetterereignissen wie Hitzewellen, Trockenheit und Starkniederschlägen außergewöhnlich stark ausgesetzt. Misereor ruft die Bundesregierung dazu auf, ihrer internationalen Verantwortung gerecht zu werden und ihren Versprechungen nach Klimagerechtigkeit Taten folgen zu lassen – auch, weil klimagerechte Städte in Deutschland ein wichtiges Signal für Urbanisierungsprozesse auf der ganzen Welt sind. In einem Forderungspapier fordert Misereor daher im Bündnis mit Umwelt- und Sozialverbänden[3], dass Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen zur Gemeinschaftsaufgabe im Grundgesetz werden. Hierdurch können Bund und Länder den Kommunen durch eine Mischfinanzierung die notwendigen Mittel für systematischen Klimaschutz zur Verfügung stellen – und ihnen wichtige Schritte hin zu mehr globaler Klimagerechtigkeit ermöglichen.

Zum Forderungspapier: Allen Kommunen sozial gerechten Klimaschutz ermöglichen.


[1] im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative

[2] Weitere Informationen zum Rechtsgutachten finden Sie unter www.klima-allianz.de

[3] Gemeinsam mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und seine Mitgliedsgewerkschaften IG BAU und ver.di, der Deutschen Umwelthilfe, Germanwatch, der Klima-Allianz Deutschland, dem Klima-Bündnis, dem Institut für Kirche und Gesellschaft und dem WWF


Weitere Informationen

An der Seite unserer Partnerorganisationen engagieren wir uns für Städte, in denen die Menschen „ein gutes Leben“ führen können und vor Umwelt- und Klimakrisen sicher sind. Und zwar weltweit. Informieren Sie sich jetzt in unserem Informationsdossier zum Thema Stadt >

Geschrieben von:

Kai Klause, Experte für städtische Transformation bei Misereor

Kai Klause ist Experte für Städtische Transformation bei Misereor.

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