Mit einem Schlag hat sich das Leben der LGBTQI-Gemeinde in Uganda verändert. Präsident Yoweri Museveni hat im zweiten Anlauf nun doch den sogenannten „Anti-Homosexuality-Bill“ unterschrieben und damit eines der weltweit schärfsten Gesetze gegen LGBTQI in Kraft gesetzt.
Schon vor dem Gesetz war das Leben der nicht heterosexuellen Menschen in Uganda schwer und nicht selten mit Ablehnung, Verfolgung und Gewalt verbunden. Es drohten empfindliche Strafen und es fehlte die gesellschaftliche Akzeptanz. Selbst ohne gesetzliche Grundlage haben immer wieder Gewalttaten und Erniedrigungen in der Öffentlichkeit stattgefunden. Aber zumindest konnte man sich relativ frei bewegen und es gab beispielsweise Kneipen, in denen sich Gleichgesinnte treffen konnten. Mit dem neuen Gesetz ist nun alles anders. Der Staat greift hart durch. Nicht nur, dass hohe Geldstrafen angesetzt wurden – empfindliche Haftstrafen bis zur Todesstrafe droht der LGBTQI-Gemeinde. Zudem ist das gesellschaftliche Klima LGBTQI-Personen gegenüber vergiftet und verhasst. Ein sicheres Leben in Freiheit ist in dem ostafrikanischen Land für viele Menschen nicht mehr möglich.
Hilferufe einer ganzen Bevölkerungsgruppe
„Please stand with the LGBTIQ community in Uganda, don’t leave us die to this law that is going to cause a genocide to the LGBTIQ Community in Uganda.”
Hilferufe wie diesen erreichen uns in diesen Tagen – Menschen fürchten um ihr Leben aufgrund ihrer sexuellen Orientierung. Eine ganze Bevölkerungsgruppe ist in Aufruhr und überlegt, wie sie sich in Sicherheit bringen kann. Auch in Uganda gibt es Organisationen, die sich für die Rechte der LGBTQI-Gemeinschaft einsetzt. Sie wenden sich an zivilgesellschaftliche Organisationen wie Misereor, aber auch an Staaten und bitten um Hilfe. Dabei geht es um schnelle Unterstützung beispielsweise in Form von sogenannten humanitären Visa, die unbürokratisch unter anderem zum Zwecke der Schutzgewährung ausgestellt werden. Auch wird internationaler Druck auf Uganda gefordert. Ugandische Diplomat*innen, die das Gesetz unterstützen, sollen ausgewiesen und Politiker*innen die Einreise in andere Staaten verwehrt werden. Die Verschärfung des seit der britischen Kolonialzeit bereits bestehenden Gesetzes gegen Homosexualität hat eine langjährige Geschichte. Vor acht Jahren war ein entsprechendes Gesetz vom obersten Gerichtshof wegen formaler Fehler zurückgewiesen worden. Der erste Entwurf des neuen Gesetzes wurde im März von Präsident Museveni abgelehnt – internationaler Druck spielte dabei wahrscheinlich eine nicht ganz unerhebliche Rolle. Bei dem letzten Gesetzesentwurf, der vom Präsidenten unterschrieben wurde, wurden nur geringe Änderungen vorgenommen. Aber was steht eigentlich im Gesetz? Was droht LGBTQI-Menschen in Uganda bei welchen Handlungen?
Haft, Todesstrafe und Verbote für unterstützende Organisationen
Es droht eine lebenslange Haft, wenn man eines „homosexuellen Aktes überführt wird oder gleichgeschlechtliche Liebe propagiert“. Auf die „wissentliche Förderung von Homosexualität“ stehen bis zu 20 Jahre Haft. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn man queere Menschen medizinisch versorgt, ihnen eine Wohnung gibt, sie nicht denunziert oder in Medien positiv über sie berichtet. Organisationen, die homosexuelle Menschen unterstützen oder zur Homosexualität „ermuntern“, müssen mit einem zehnjährigen Verbot oder dem Entzug der Zulassung rechnen. Auf einer Liste mit solchen Organisationen stehen derzeit 20 Institutionen und Vereine, deren Arbeit stark eingeschränkt oder nicht mehr möglich ist. Darunter sind auch Organisationen, die für HIV-positive Menschen wichtige Gesundheitsdienstleistungen erbringen. „Schwerwiegende homosexuelle Vergehen“ werden bei Wiederholung mit dem Tode bestraft. Darunter zählt der Geschlechtsverkehr mit Minderjährigen oder falls einer der Sexualpartner HIV-positiv ist. Mit diesem Sanktionskatalog ist das neue Gesetz als eines der diskriminierendsten Rechtsdokumente gegen LGBTQI-Personen weltweit zu sehen. Doch die neue Gesetzeslage ändert nicht nur die juristische Situation im Land, sondern auch die gesellschaftliche Haltung. Bestimmte vorherrschende Narrative werden verstärkt. Etwa dass Homosexualität eine Krankheit sei, die behandelt werden müsse oder ansteckend sei. Diskriminierungen, verbale Anfeindungen oder Vorurteile sind dabei noch relativ harmlose Folgen. Befürchtet werden verstärkte öffentliche Mobs, Gewaltanwendungen und Selbstjustiz, die es schon in der Vergangenheit ohne das neue Gesetz gegeben hat.
Internationale Reaktion und was Misereor tun kann
Das Inkrafttreten des Gesetzes hat eine umgehende scharfe internationale Reaktion, vorwiegend westlicher Staaten ausgelöst. Die USA haben ein Visum für die ugandische Parlamentspräsidentin Anita Among annulliert. Zudem sollen alle Aspekte des US-Engagements in Uganda neu bewertet werden, einschließlich des Notfallplans zur AIDS-Hilfe und des sogenannten Agoa-Handelsabkommens, das Uganda zollfreien Zugang für Waren in den US-Markt garantiert. Die Niederlande setzen ein Programm zur Förderung der Rechtsstaatlichkeit in Höhe von 25 Millionen Euro aus, und auch die deutsche Entwicklungsministerien Svenja Schulze kündigte an, dass die Zusammenarbeit mit ugandischen Partnern neu geprüft werden müsse. In Uganda selber haben elf Aktivist*innen Verfassungsklage eingereicht.
Es stehen sich zwei grundsätzliche Argumentationslinien der jeweiligen Akteure gegenüber, die kaum miteinander verknüpft werden können, bei denen es wenige Überschneidungen gibt, so dass ein „Aufeinanderzubewegen“ nur schwer denkbar ist. Die ugandische Seite begründet ihr Verhalten mit dem Verteidigen der afrikanischen Werte und Kultur und ist stolz darauf, dass sie sich nicht von westlichen Staaten beeinflussen ließ. Diese würden anderen Ländern das Ausleben der sexuellen Orientierung vorschreiben wollen. Zudem unterstützen die ugandische Kirche und Religionsgemeinschaften das Gesetz oder erheben zumindest nicht ihre Stimme dagegen. Insbesondere die anglikanische Kirche hat immer ein stärkeres Gesetz gegen Homosexualität gefordert und sieht sich nun gestärkt. Die katholische Kirche in Uganda hat sich bedeckt gehalten. Im Vorfeld des Gesetzes sprachen sich Bischöfe dafür aus, dass „die Sünde und nicht der Sünder“ bestraft werden solle. Die internationalen Gegenstimmen berufen sich auf die Menschenrechte und das geltende ugandische Gesetz, die durch den Anti-Homosexuality-Act verletzt werden.
Misereor ist ebenfalls schockiert über das nun geltende Recht in Uganda. Misereor steht immer auf der Seite der Menschenrechte und auf der Seite derer, die wegen Nichtachtung solcher verfolgt oder marginalisiert werden. Misereor wird mit Hilfe der zur Verfügung stehenden Instrumente der LGBTQI-Gemeinschaft in Uganda beistehen und so hoffentlich zu einer Verbesserung ihrer Situation beitragen können. Die Aussichten sind aber nicht gut und die Hoffnungen sind gering. Das Gesetz wird voraussichtlich nicht mehr abgeschwächt oder zurückgenommen werden, so dass LGBTQI-Personen nicht mehr sicher sind. Und auch in anderen Ländern Ostafrikas wie Kenia oder Tansania wird nun über eine Verschärfung der Gesetze gegen Homosexualität nachgedacht. Das Thema wird Misereor also weiterhin beschäftigen.
Weitere Informationen
Anti-LGBTQI* Gesetz in Uganda: Bundesregierung zum Handeln aufgefordert ►
Lieber Martin, danke für deine Zusammenfassung und die Zusagen, dass Misereor weiter dran bleibt! Viel Kraft und Schutz allen queeren Menschen in Uganda!