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Syrien: Hoffnung nach dem Erdbeben

Als Aleppo vor einigen Jahren von syrischen Regierungstruppen mit Unterstützung Russlands bombardiert und in Schutt und Asche gelegt wurde, waren viele Menschen gezwungen, ihre Heimatstadt zu verlassen. Eine von ihnen war die 22-jährige Fadia, die mit ihrer Familie von Aleppo nach Latakia geflohen ist. Durch die Unterstützung von Freunden und Bekannten gelang es ihnen, genügend Mittel zur Flucht zu sammeln und in der syrischen Küstenstadt neu anzufangen. Und dann bebte im Februar dieses Jahres die Erde in Latakia und weiteren Orten Nordsyriens und der Türkei. Viele Menschen starben unter den Trümmern der Häuser. Tausende Bewohner der Stadt wurden obdachlos, auch Fadia.  Doch trotz dieser erneuten Katastrophe gibt sie die Hoffnung nicht auf.

Erdbeben Syrien
Am 6. Februar 2023 bebte die Erde an der türkisch-syrischen Grenze mit einer Stärke von 7.8. © Picture Alliance

Fadias Geschichte

Zu Beginn des Konflikts in Syrien war Fadia erst dreizehn Jahre alt. „Ich erinnere mich an diese Zeit mit großer Furcht: Wir hatten Angst, fliehen zu müssen, aber wir hatten auch Angst um unser Leben. Als die Kämpfe jeden Tag näher an unser Viertel in Aleppo heranrückten, haben wir letztlich doch entschieden, die Stadt zu verlassen“, beschreibt die junge Frau ihre damalige Situation. Als sie damals mit ihrem kleinen Bruder, ihrer Mutter und Großmutter in Latakia ankam, half die lokale Misereor-Partnerorganisation Pro Terra Sancta (ProTS), die seit vielen Jahren verschiedene Projekte zur Unterstützung der syrischen Bevölkerung durchführt, ihnen dabei, ein neues Zuhause zu finden. Darüber hinaus übernahm ProTS die Kosten für Fadias Schule und danach für die Universität. Heute studiert sie Marketing und Management an der Wirtschaftsfakultät von Latakia.

Fadia gibt dank der Hilfe von PTS die Hoffnung nicht auf.
Fadia gibt die Hoffnung nicht auf: Trotz der schwierigen Bedingungen möchte sie in Latakia bleiben. © Pro Terra Sancta | Misereor

Erdbeben verschärfen die humanitäre Krise – Internationale Hilfe nötiger denn je

Obwohl Fadia in ihrer neuen Heimatstadt Latakia keine Angst mehr vor dem Krieg hatte, brachte die neue Lage eigene Unsicherheiten mit sich: Die syrische Küstenstadt liegt in einem erdbebengefährdeten Gebiet. Dennoch blieben sie dort: „Wir haben uns wegen der Erdbebengefahr nie wirklich sicher gefühlt, aber wir wussten auch nicht, wo wir sonst hätten hingehen sollen“, erklärt Fadia.

Und dann passierte es tatsächlich: Am 6. Februar 2023 bebte die Erde an der türkisch-syrischen Grenze mit einer Stärke von 7.8. Als Fadia und ihre Familie die Erschütterungen spürten, verließen sie so schnell wie möglich ihr Haus. Aber viele andere konnten sich nicht in Sicherheit bringen:  Tausende Menschen starben oder wurden verletzt, weitere Tausende verloren ihr Zuhause.

Das Erdbeben hat die dramatische wirtschaftliche und humanitäre Lage im Land aufgrund des langen und blutigen Konflikts, der Covid19-Pandemie und des Krieges in der Ukraine noch weiter verschärft. Infolge der Zerstörung, der steigenden Inflation und der Arbeitslosigkeit leben nun 90 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Häufige Stromausfälle gefährden die Versorgung mit Gesundheits- und Bildungsdiensten.

Darüber hinaus gibt es ein weiteres Problem: „Internationale humanitäre Hilfe kommt hier in Syrien nur vereinzelt an. Es gab kaum Notunterkünfte für die obdachlosen Menschen, die wochenlang auf der Straße übernachten mussten“, so Fadia. Hinzu kam die Angst vor neuen Krankheiten, denn es fehlte an sauberem Wasser, Medikamenten und Hygieneartikeln. Lokale Hilfsorganisationen konnten das Schlimmste verhindern und haben die Menschen mit Notunterkünften und warmen Speisen versorgt.

So hilft Pro Terra Sancta

Dank der Hilfe von ProTS und Misereor gelingt es auch Fadia, die Hoffnung nicht aufzugeben. So bekommt sie seit dem Erdbeben für sich und ihre Familie ein großes Lebensmittelpaket pro Woche. Auch Decken, Medikamente und Bekleidung verteilt die Organisation an sie und viele andere Betroffene.  

Essensausgabe von Pro Terra Sancta in Syrien.
Zwei mal am Tag verteilt die Partnerorganisation warme Mahlzeiten. © Pro Terra Sancta | Misereor

Neben der kurzfristigen, notwendigen Grundversorgung setzt ProTS auch auf langfristige Hilfe: Denn bisher wurde kaum etwas von den Trümmern und dem Schutt beseitigt, den die Erdbeben hinterlassen haben, es fehlt an den nötigen Einsatzgeräten. Auch einsturzgefährdete Gebäude sind teilweise nicht einmal abgesperrt oder kenntlich gemacht. Die Organisation ist deshalb Teil der Arbeitsgruppe „Syrian Trust for Development“, die mit der Unterstützung von Ingenieuren den Wiederaufbau voranbringt: Sie bewerten den Schaden der Häuser und stellen den Bedarf an Materialien und Reparaturmaßnahmen fest, um schnellstmöglich mit dem Wiederaufbau beginnen zu können.

© Pro Terra Sancta | Misereor

Mit Entschlossenheit durch die Krise

Wie auch ProTS gibt Fadia die Hoffnung auf eine bessere Zukunft in Syrien nicht auf: „Ich träume davon, mein Studium zu beenden, um den Menschen und meinem Land zu dienen“. Pro TS wird auch weiterhin die Kosten für Fadias Studium übernehmen. Denn Fadia gehört zu den wenigen jungen Menschen, die bleiben wollen. „Meine Mutter ist allein, mein Vater hat die Familie vor ein paar Monaten verlassen. Und meine Großmutter leidet unter der psychischen Belastung, die Krieg, Flucht und nun das Erdbeben hinterlassen und noch verschlimmert haben. Das ist die Herausforderung, der ich mich stellen muss und die ich mit Unterstützung von Pro TS meistern kann“.

Langsam normalisiert sich die Situation in Latakia wieder– wenn man das nach den schweren Erdbeben und in einem Krieg, der zwölf Jahre gedauert hat, Normalität nennen kann. Fadia gibt nicht auf – sie will bleiben, auch wenn es unter diesen Bedingungen nicht einfach ist.


Erdbeben Syrien


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Julia Stollenwerk arbeitet als Online-Redakteurin bei Misereor.

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