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Deutschland und Europa leben nur noch auf Pump

Es ist der Morgen des 2. Mai 2024: Schon wieder hat Deutschland rechnerisch die kompletten Ressourcen eines gesamten Jahres aufgebraucht. Nur einen Tag später gilt dies auch für alle rund  500 Millionen Einwohner*innen Europas. 27 Länder dieser Welt, reiche Länder, Länder der Industrialisierung, die all ihre Ressourcen für das Jahr 2024 erschöpft haben. Die restlichen 242 Tage leben Deutschland und Europa also nur noch auf Pump.

In vielen Erdölgebieten sind ganzen Landstriche durch Öl-Lecks verseucht. © Torres | Misereor
In vielen Erdölgebieten sind ganzen Landstriche durch Öl-Lecks verseucht. © Torres | Misereor

Das ist weder nachhaltig noch gerecht. Denn unsere Ressourcen und Energie verschlingenden Strukturen und Lebensweisen erfolgen auf Kosten anderer, vor allem der kommenden Generationen und der Menschen im globalen Süden. Der globale Süden spürt die Auswirkungen der weltweiten Klimakrise schon heute am meisten.

Es ist nicht das erste Mal, dass der europäische Erderschöpfungstag zu Beginn des Monats Mai stattfindet, und das gibt Grund zur Sorge. Der Erdüberlastungstag deutet immer wieder neu darauf hin, dass das Verhältnis von Menschen und Natur aus dem Gleichgewicht gekommen ist. Das Gleichgewicht ist gekippt und bisher wurde noch keine Strategie gefunden, um den Ressourcenverbrauch vom Wirtschaftswachstum zu entkoppeln. Der heutige Tag tut also nichts weniger als zu fragen, ob die Grenze des natürlichen Wachstums vielerorts schon erreicht ist und zeigt uns heute sehr klar, was eine konsequente Antwort ausmacht: Genügsamkeit oder fachsprachlich auch Suffizienz sind ein entscheidender Weg, um das Gleichgewicht wiederherzustellen.

Genügsamkeit für mehr Solidarität

Genügsamkeit meint genau dieses Austarieren zwischen einem zu viel und dem zu wenig. Und hören wir am heutigen Tag die Erde sprechen, dann wird sie uns wohl darauf hinweisen, dass die europäischen Anstrengungen zu einer gerechten Klima- und Ressourcenpolitik noch nicht ausreichen, dass es (bei Weitem)noch nicht genug Umwelt- und Klimaschutz gibt. Nur spricht die Erde nicht durch Worte zu uns – sie spricht durch Taten: der heißeste Sommer seit der Aufzeichnung der Wetterdaten, das Verlieren der europäischen Gletscher, Dürren in Spanien, Fluten an der Nordsee… die Kosten für den Kontinent sind hoch (– und für den globalen Süden sogar noch höher). Bis 2030 werden vermutlich 253 Billionen Euro an Kosten für das aktuelle Nichthandeln in Europa entstehen. Ambitionierte Klimapolitik und Netto-Null Emissionen in ganz Europa bis 2040 könnten diese riesige Summe zumindest vermindern. Dafür braucht es JETZT die politischen und richtungsweisenden Entscheidungen.

Denn die rund 500 Millionen Menschen, die auch Ausdruck der in Europa bestehenden Willenskraft für ein neues Mensch und Natur Gleichgewicht sein können, sind nicht Opfer ihres Schicksals. Sie können genau dafür aufstehen und sich für Freiheit, Sicherung der Lebensgrundlagen, für zuverlässige, bezahlbare und erneuerbare Energie, sauberes Wasser, gesunde Ernährung, lebendige Gemeinschaften, faire Arbeit und das gute Leben für alle einsetzen – in Europa, aber auch weltweit. Ganz konkret geht das in diesem Jahr bei der Europawahl am 9. Juni, keine 37 Tage nach dem Morgen des 3. Mai, an dem in Europa die Kluft zwischen Ressourcenverbrauch und -verfügbarkeit aufbricht.

In den nächsten fünf Jahren ist die Zeit, die notwendigen Weichen für MEHR Klima- und Ressourcenschutz und WENIGER Konsum, Energie- und Ressourcenverbrauch zu stellen. Dazugehört, dass wir als europäische Staatengemeinschaft

  • den Ausstieg aus allen fossilen Rohstoffen bis 2040 einleiten.
  • unseren Energiebedarf vollständig aus erneuerbaren Energien decken.
  • mit einem europaweiten Kohleausstieg bis 2030 vorangehen.
  • bis 2040 auch das Ende von Öl und Gas feiern.
  • die europäische Energienachfrage um drei Viertel bis 2035 reduzieren,
  • die Mobilitätswende in Europa mit wirksamen Standards und nachhaltigen Stadtplanungs- und Mobilitätskonzepten vorantreiben.
  • durch internationale Klima- und Energiepartnerschaften die globale Energiewende fördern und zum Ausbau beitragen.

Weitere Informationen:

Misereor-Forderungen zur Europawahl

Geschrieben von:

Madeleine Woerner

Madeleine Alisa Wörner ist Expertin für Energiepolitik bei Misereor.

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