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Wasser kann man säen und ernten

In der peruanischen Stadt Cusco und ihrer Umgebung mangelt es massiv an Wasser. Neben dem Klimawandel wird der Mangel durch den sorglosen Umgang mit den Wasserressourcen und starken Verbrauch im Tourismussektor verstärkt. Wasser ist ein kostbares Gut für die Menschen in den Anden – deshalb lassen sie die Köpfe nicht hängen und arbeiten bereits an einer Lösung, um sich der Krise anzupassen.

Ein peruanischer Bauer in traditionellem Gewand zeigt stolz seine Kartoffelernte. © Centro Bartolomé de las Casas Cusco Perú

“Die Kartoffelernte wird ein Trauerspiel“ – diesen Satz hört man häufig, wenn man das Gespräch in der ländlichen Gegend von Chinchero in der Nähe von Cusco sucht. Grund ist der herbe Wassermangel, der die Anwohner*innen in den Anden vor große Probleme stellt. Vor allem kleine Familienbetriebe sind für die Ernte von Kartoffeln, Mais, Bohnen usw. auf das Wasser angewiesen. In der Region hat es nie viel geregnet, aber es genügte, um zumindest eine Ernte pro Jahr zu sichern. In den letzten Jahren gab es deutlich weniger Regen, wenn es mal regnete, war es Starkregen. Die sintflutartigen Regenfälle machen es unmöglich, dass Wasser in den Boden eindringen kann. Somit kann das Grundwasserniveau nicht auf dem notwendigen Stand gehalten werden und ist viel zu niedrig. Neben dem Regenmangel wird die Situation durch Trockenheit und den steigenden Wasserverbrauch verschlimmert. Ein Anwohner berichtet über die Folgen: „In einem Jahr mit normalem Regenfall ernten wir bis zu 500 Kilo Kartoffeln pro Parzelle. Dieses Jahr werden es weniger als 100 Kilo sein“.

Das „Centro Bartolomé de las Casas“, eine Misereor-Partnerorganisation mit Sitz in Cusco, beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren mit dem Wasserproblem in Chinchero. Juan Víctor Béjar, Fachmann bei der Institution, erklärt die Situation aus seiner Warte: „Wir haben ein sehr ernstes Problem mit dem ständig steigenden Wasserverbrauch in der Stadt Cusco. Im Durchschnitt verbrauchen Stadtbewohner*innen hundert Liter pro Tag. Bei den Tourist*innen steigt diese Zahl auf das Dreifache. Hier gibt es ein Problem der Wassergerechtigkeit, denn in ländlichen Gebieten, wo die Stadt das Wasser herbekommt, bedroht der Wassermangel die Existenz der Menschen.“ Die Inkastadt „Machu Picchu“, ausgezeichnetes UNESCO-Weltkulturerbe, ist ein Touristenmagnet in der Nähe von Cusco und zieht unzählige Tourist*innen in die Gegend. Vor der Corona-Pandemie haben jährlich etwa zwei Millionen Besucher*innen in Cusco Halt gemacht, um die historische Ruinenstadt zu besichtigen.

Eine der größeren Lagunen im Bezirk Chinchero. Wegen der ständigen Wasserentnahme zur Versorgung der Stadt, ist der Wasserspiegel bereist stark gesunken. © Centro Bartolomé de las Casas Cusco Perú

42 Prozent des Wasserbedarfs von Cusco wird durch den Piuraysee im Bezirk Chinchero gedeckt. Da der Wasserverbrauch in der Stadt stetig steigt, wird dem See immer mehr Wasser entnommen. In Dürrejahren, wie jetzt aktuell, sinkt der Wasserpegel des Sees. Durch die zunehmende Verstädterung und den Bau des neuen Flughafens in Cusco wird der Mangel noch spürbarer. Deshalb hat sich die Partnerorganisation mit der Lokalregierung und dem örtlichen Wasserdienstleister an einem Konzept versucht, um den Wassermangel zu kompensieren: Die städtischen Verbraucher*innen leisten Kompensationszahlungen, das Geld kommt in einen Ausgleichsfonds. Die Fondsmittel werden genutzt, um in den Gebieten, wo das Wasser entnommen wird, wassertechnisch „aufzuforsten“.

Doch die Zweifel an dem Konzept wurden immer größer, denn das Wasser wurde damit als Dienstleistung des Ökosystems verstanden, so die Verantwortlichen. Die Logik einer Transaktion mit der Natur, im Sinne von „Ich gebe dir und du gibst mir“ konnte nicht verhindert werden. Der Tourismussektor und wenig achtsame Wasserkonsum in der Stadt haben die Erfolge des Ausgleichsfonds in kürzester Zeit zunichte gemacht. Das „Centro Bartolomé de las Casas“ hat daher nochmal umgesteuert und ein neues Ziel vor Augen: das Bewusstsein für einen achtsamen Wasserverbrauch in Cusco stärken. Nur so kann die Land- und ärmere Stadtbevölkerung genauso mit Wasser versorgt werden wie die wohlhabende Stadtbevölkerung und Tourist*innen. Die Partnerorganisation blieb also am Ball und hat weiterhin nach einer gerechten Lösung gesucht, die die Natursysteme respektiert. Stichwort: Wasser säen.

Eine Gruppe von Bauern berät darüber welche Maßnahmen im Rahmen des Wasser säens als nächstes vorgenommen werden soll. © Centro Bartolomé de las Casas Cusco Perú

Säen und Ernten von Wasser umfasst eine Vielzahl von Maßnahmen, die aus dem trockenen Boden eine Art Schwamm macht: Die Aufforstung mit Pflanzen, die besonders viel Wasser absorbieren, wie zum Beispiel die einheimischen Bäumen Q’euña oder Tallanca. Der Bau von Auffangbecken zum Sammeln und Speichern von Oberflächenwasser, das Anlegen von Sickergräben und Terrassierungen sowie die Errichtung von Baumschulen. Dank dieser Maßnahmen führt beispielsweise ein umliegender Bach im Sektor Pucamarca wieder Wasser. Durch das Säen und Ernten von Wasser, ist es der Partnerorganisation und den Dorfbewohner*innen gelungen, das Grundwasserniveau leicht anzuheben. So klein der Anstieg auch ist, sprechen die Menschen vor Ort doch von einem vielversprechenden Beweis für die Verbesserung und Erhöhung des Grundwasserspiegels.

Für die Landbevölkerung ist der rücksichtsvolle und umweltschonende Umgang mit den Wasserreserven eine Herzensangelegenheit: In ihrer indigenen Anschauung werden Berge, Seen und die Natur vermenschlicht wahrgenommen. Die Natur ist beseelt und die Menschen laufen Gefahr, sie mit Unachtsamkeit zu kränken. Der Piuraysee wird beispielsweise als Tochter des Sonnengottes angesehen. Für viele Menschen dort sind der geringe Regenfall, das Absinken des Grundwasserspiegels und die anhaltenden Dürren Zeichen dafür, dass die Berge, sogenannte „Apus“, verärgert sind. Nach dem Verständnis der dort lebenden Menschen geht von den Apus eine eigene Spiritualität aus. Sie haben einen großen Einfluss auf das Leben der Menschen in den Anden. Die Menschen glauben fest daran, dass die Berge sie beschützen, aber auch bestrafen können. Die Dorfbewohner*innen führen alle möglichen Riten und Opfergaben an die Erde durch, um die Stimmung der Apus zu ändern, damit es wieder Regen gibt. Für viele Einwohner*innen ist der sorglose Umgang mit der Natur eine große moralische Belastung, ähnlich wie die spürbaren Auswirkungen des Klimawandels.

Ein Bauer aus der Umgebung bearbeitet sein Kartoffelfeld vor der ersten Blüte – nach den Prinzipien des Wasser säens. © Centro Bartolomé de las Casas Cusco Perú

Vor diesem Hintergrund ist das große Interesse der Menschen daran, Wasser zu säen, bemerkenswert. Die Bemühungen bedürfen aber nicht nur der tatkräftigen Unterstützung durch die Landbevölkerung. Gleichzeitig sind die lokale Regierung und Verwaltung angewiesen, Maßnahmen zu fördern, die den Regenfall bestmöglich anreichern. Auch die Stadtbewohner*innen und Tourist*innen sind gefragt. Der rücksichtsvolle und schonende Umgang mit den Wasserressourcen kann viel zur Verbesserung der Lage beitragen. Das „Centro Bartolomé de las Casas“ berichtet, dass es nicht einfach ist, den Blickwinkel und Wasserverbrauch der Menschen zu verändern, aber sie kämpfen weiterhin für einen gewissenhaften Umgang mit dem Wasser.

Von Jorge Krekeler und Charleen Kovac

Veränderte Version des Originalartikels „Apropos Wasser: Ökologische Restaurierung statt Finanzkompensation für Ökosystemleistungen“ aus dem Zukunftsalmanach


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Charleen Kovac ist Presse-Volontärin bei Misereor.

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Gast-Autorinnen und -Autoren im Misereor-Blog.

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