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Hinsehen oder die Augen verschließen? – Unser Start in den Freiwilligendienst

Typisch Studenten! Bevor man viel zu viel Geld im Nachleben Kambodschas lässt, kann man sich doch viel besser im Supermarkt ein paar Dosen Bier kaufen und sich damit an die Riverside, die Promenade am Tonle Bassac River in Phnom Penh, setzen. Das Ambiente ist eigentlich ganz schön: An der Straße säumen sich Kneipen, die westliches Essen verkaufen und aus den Bars und Lounges schallt Musik.

Zum ersten Mal haben wir hier aber auch wirklich mitbekommen, wie die zwei Welten (man nennt sie ja gerne die erste und die dritte Welt – unverschämt eigentlich) aufeinander treffen.

Kein Wunder: Viele Touristen, viel Geld, gute Erfolgsaussichten um durch betteln an Geld zu kommen. Es dauert nicht lange, bis man angebettelt wird. Von kleinen Jungen und Mädchen, die man am liebsten waschen, füttern und mit einer Benjamin-Blümchen-Kassette ins Bett legen möchte. Andere Kinder werden schlafend (die müssen irgendwas intus haben, um bei dem Trubel zu schlafen) von ihren Müttern durch die Gegend getragen und hin und wieder auf dem blanken Boden abgelegt.

Erschreckend war, als ein Junge (ich würde ihn grob auf zwölf Jahre schätzen) sich neben unsere Bank hockte und unsere Bierdosen anstarrte. Total weggetreten machte er eine Trink-Bewegung nach. Eine sehr freundliche ältere Asiatin machte uns darauf aufmerksam, dass wir auf unsere Taschen aufpassen sollen, da der Junge wahrscheinlich geschnüffelt habe und unberechenbar sei. Ich hatte den Eindruck, dass er weniger unsere Taschen als unser Bier haben wollte.

Generell wurden wir eher wegen dem Bier angebettelt: Ein Mann bat uns das Bier seiner Tochter (im Grundschulalter) zu geben. Wie aussichtslos muss ein Leben sein, dass man seinem Kind Alkohol gibt? Als dann zwei kleine Jungs, wir waren zum wiederholten Mal ein paar Bänke weiter gewandert, kurz davor waren uns zu berühren, um so an das Bier zu kommen, hielten wir es nicht mehr aus. Mit einem dicken Kloß im Hals verließen wir die Riverside.

Soll man beim nächsten Mal weg schauen? Sollen wir überhaupt nochmal hin gehen? Vielleicht müssen wir einfach ein bisschen abgebrühter werden. Das Leben dieser Menschen ändere ich eh nicht mit einem Bier oder einem Dollar-Schein. Aber dann wären sie mir ja gleichgültig. Ich kann die doch auch nicht wie Luft behandeln. Es ist schwer die richtige Mischung aus Mitleid und Realismus zu finden…

Geschrieben von:

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Ich heiße Nicole und habe 10 Monate in der Hauptstadt Kambodschas, Phnom Penh beim Projekt „Seedling of Hope“ meinen Freiwilligendienst absolviert. Das Jugendprogramm von Maryknoll arbeitet mit Kindern und Jugendlichen, die HIV-positiv sind oder deren Leben in anderer Weise von der Krankheit betroffen ist.

2 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Avatar-Foto

    Liebe Nicole,

    eine schwierige Situation. Und es werden bestimmt noch viele andere kommen. Vielleicht schafft ihr es ja, einen guten Mittelweg zu finden. Nicht vollkommen abzustumpfen gegenüber dem täglichen Leid. Aber auch nicht alles an sich ran zu lassen. Denn: Du kannst nicht allen helfen und in 10 Monaten änderst du auch nichts an der generellen Situation … Traurig, aber wahr.

    Liebe Grüße aus Aachen, Uta

  2. Avatar-Foto

    Liebe Nicole,
    ich verstehe genau was du meinst. Wenn Tag ein, Tag aus immer die selbe Mutter mit ihrem Kind an der Metro sitzt, wenn ein Kind nach Essen bettelt, wenn der körperlich behinderte oben ohne, damit man die Brandverletzungen besser sehen kann, auf dem Bauch und den Kopf gesenkt auf dem Boden liegt und mit der Spendendose auf den Boden klopft, dann ist man erst einmal total überfordert. Wenn ich jetzt was gebe, wird es etwas ändern? Sitzen sie dann morgen nicht erst recht hier, weil sie wissen, dass sie etwas von mir bekommen?
    Doch mit der Zeit, und das ist die gute und schlechte Nachricht gleichermaßen, verliert man den Blick hierfür und lässt solche Momente nicht mehr an sich heran. Das Menschenunwürdige wird …“normal“. Eine traurige Erkenntnis.

    Ich wünsche dir, dass du deinen Platz in Phnom Penh finden wirst, deine Augen weiter hin für andere Menschen offen hältst und die Schönheit Kambodschas genießen kannst.

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