Wie ist es zu bewerten, wenn Investoren riesige landwirtschaftliche Flächen in Afrika aufkaufen, um dort Pflanzen für Agrartreibstoffe oder andere Exportprodukte anzubauen, und dabei gleichzeitig den dort lebenden Bauernfamilien ihre Lebensgrundlage rauben?
Von Montag bis Mittwoch haben 50 Teilnehmer/innen aus 25 Ländern auf Einladung von Misereor, FIAN, dem Netzwerk Afrika und lokalen Partnern am Rand des Weltsozialforums im Senegal dieses so genannte „Landgrabbing“ analysiert und diskutiert. Die Fakten und Fallbeispiele haben dabei deutlich werden lassen, dass diese Art der Investition in Land Menschen in Armut und Hunger treibt und darüber hinaus fast immer mit erheblichen und irreversiblen Schäden für Klima und Umwelt verbunden ist.
Während Konflikte um Landbesitz und Landnutzung ein altes Thema sind, ist der Aufkauf großer Flächen durch meist ausländische Investoren ein neues und rapide anwachsendes Phänomen. Die Absichten der Investoren mögen vielfältig sein, eines ist ihnen gemeinsam: Sie sehen in dem Land lediglich ein Produktionsmittel, das sie gewinnbringend nutzen möchten und kümmern sich nicht um die Menschen, die dort leben. Da diese zwar über traditionelle Nutzungsrechte verfügen, in der Regel aber keine formalen Landtitel haben, sind sie Enteignungen und Vertreibungen hilflos ausgeliefert.
Zwei Argumente, die von Investoren (und lokalen Regierungen, die häufig auf Kosten ihrer eigenen Bevölkerung mit Investoren zusammenarbeiten) immer wieder angeführt werden, wurden auf dem Workshop als Schutzbehauptungen enttarnt: Dass die in Frage stehenden Ländereien ja ohnehin nicht genutzt würden; und dass der Landkauf eine Win-Win-Situation für beide Seiten sei. In allen bekannten Fällen wurde und wird das Land von ortsansässiger Bevölkerung genutzt – wenn auch natürlich nicht in der Form von Großplantagen und Monokulturen. Und auch eine gleichberechtigte Verteilung von Nutzen und Kosten konnte in keinem Fall nachgewiesen werden. Wenn die lokale Bevölkerung überhaupt einen Nutzen hat, fällt dieser gering aus und ist nicht dauerhaft – ganz im Gegensatz zu den Schäden, mit denen die Menschen vor Ort klar kommen müssen.
Unter diesen Bedingungen haben sich die Vertreter/innen der anwesenden Organisationen klar gegen Landgrabbing ausgesprochen. Investitionen in Land sind notwendig. Aber sie müssen die Rechte der dort lebenden Menschen (auch ihre traditionellen Rechte, die in Afrika eine große Rolle spielen) respektieren. Sie müssen nachweisen, dass sie tatsächlich Nutzen und nicht Schaden verursachen. Und sie müssen Land wieder als das sehen, was es ist: keine Anlageklasse für Großinvestoren und auch nicht nur ein Produktionsinstrument, sondern ein Gemeingut, ein Geschenk Gottes, das wir von unseren Vorfahren als Lebensraum zur Nutzung erhalten, um es an unsere Nachkommen weiterzugeben.
Damit wurde auch der größere Zusammenhang der Problematik angesprochen: Ist unsere Art und Weise des Wirtschaftens, die auf schnelle Gewinnsteigerungen und ständiges Wachstum setzt, unserem Leben angemessen? Beim Landgrabbing prallen unterschiedliche Sichtweisen von Land aufeinander. Es sind zugleich unterschiedliche Sichtweisen von Leben. Angesichts sich ständig wiederholender Lebensmittelskandale in Deutschland sind auch uns diese Fragen inzwischen nicht mehr fremd. Ein Unterschied bleibt: Wir gehören nicht zu der Milliarde Menschen, die unterernährt ist und Hunger leidet.