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Inclusive Governance

Das derzeitige First Past the Post (FPTP) Wahlsystem, bei dem in jedem Wahlkreis der Kandidat mit einfacher Mehrheit der Stimmen ins Parlament gewählt wird, haben wir von den Briten geerbt. Die meisten Inder glauben, dass das, was für Großbritannien gut ist, auch für Indien gut ist. Unsere Organisation CERI dagegen hat eine nationale Kampagne für eine Wahlrechtsreform in Indien gestartet. Sie ist schon in mehr als 20 indischen Bundesstaaten aktiv.

Die Organisation CERI startete eine Kampagne zur Reform des Wahlrechts in Indien.

Die Organisation CERI startete eine Kampagne zur Reform des Wahlrechts in Indien.

In der jüngeren Vergangenheit haben indische Medien ausführlich über die anscheinend grenzenlose Korruption auf allen Ebenen des Landes berichtet. Im Sommer diesen Jahres ging ein Bericht über einen großen Korruptionsfall bei der BJP-geführten Regierung im Bundesstaat Karnataka durch die Presse, und der Anti-Korruptions-Aktivist Anna Hazare erregte mit einem Hungerstreik aus Protest gegen die Korruption in der Zentralregierung landesweites Aufsehen.

Anna Hazare ist Anhänger der Lehren Gandhis. Als er seinen Hungerstreik begann, stand deshalb fast das ganze Land hinter ihm, im gemeinsamen Kampf gegen Korruption. Bei der indischen Regierung lagen die Nerven blank. Verhandlungen mit Hazare wurden aufgenommen. Am Ende vereinbarte man die Einberufung eines Ausschusses, in dem auch er einen Sitz haben sollte. Dieser Ausschuss soll ein Antikorruptionsgesetz zur Vorlage im indischen Parlament ausarbeiten. Die Unterstützer Hazares waren glücklich.

Während all das im Gange war, hat der Sunday Guardian aus Delhi einen Artikel über Anna Hazares Einsatz gegen die Korruption veröffentlicht. Vor Erscheinen des Artikels wurde auch ich von ihnen interviewt. Der Grund liegt auf der Hand. Anna Hazare äußerte sich auch zum Thema einer Wahlrechtsreform in Indien. Er erklärte, das indische Wahlsystem sei voller Korruption und er wolle daher das indische Wahlrecht reformieren. Bei seiner Vorstellung von Reform jedoch geht es zwar um die Abschaffung von Korruption und Gewalt, beim bisherigen Wahlsystem selbst soll es aber bleiben.

Unser derzeitiges First Past the Post (FPTP) System, bei dem in jedem Wahlkreis der Kandidat mit einfacher Mehrheit der Stimmen ins Parlament gewählt wird, haben wir von den Briten geerbt. Die meisten Inder glauben, dass das, was für Großbritannien gut ist, auch für Indien gut ist. Das ist eine Mentalität von Sklaven. Dem Herausgeber des Magazins ist bekannt, dass unsere Organisation unter dem Namen CERI eine nationale Kampagne für eine Wahlrechtsreform in Indien gestartet hat. Diese umfangreiche Kampagne wird von Misereor unterstützt. Sie ist schon in mehr als 20 indischen Bundesstaaten aktiv.

Verhältniswahlrecht für Indien

Ich habe mich ausgiebig mit dem Verhältniswahlrecht in Deutschland beschäftigt und ein Buch über die politische Theorie und Praxis der Dalits geschrieben. Mit diesem Buch als Grundlage haben wir dank der tatkräftigen Unterstützung von Misereor und Brot für die Welt die CERI-Kampagne begonnen. Nach unserer Überzeugung wäre die Einführung des Verhältniswahlrechts ein wirksamer Ansatz gegen Gewalt und Korruption in Indien.

Wir sagen nicht, dass das Verhältniswahlrecht alle Probleme in Indien lösen würde. Aber es wäre definitiv eine der besten Lösungen, die sich uns bieten. Unser Ziel ist es, dass das Land unter effektiver Beteiligung der indischen Bürger regiert wird.
Es wird euch sicher überraschen, dass es zwei Abgeordnete im indischen Parlament gibt, die ihren Sitz mit weniger als 10 % Stimmanteilen bekommen haben. Im aktuellen indischen Parlament gibt es überhaupt nur 5 Abgeordnete, die in ihrem Wahlkreis mehr als 50 % der Stimmen bekommen haben. Parteien mit einem Gesamtstimmanteil von weniger als 30 % kommen in Indien wegen des FPTP-Wahlsystems an die Macht. Das bedeutet, dass in unserer Demokratie eine große Menge Stimmen ins Leere gehen.

Minderheiten einbeziehen – Dalits, Adivasi und andere

Es ist sehr wichtig, dass Indien zuallererst sein Wahlrecht reformiert, um so dauerhafte Veränderungen in der Innenpolitik des Landes vorantreiben zu können. Ich war auch schon zu Forschungszwecken in Norwegen und Neuseeland, um zu sehen, wie die Dalits und andere indische Minderheiten ihren angemessenen Platz in einer repräsentativen Demokratie finden könnten.

Unsere Kampagne ist sehr schnell gewachsen. Wir organisieren im Oktober 2011 einen Workshop mit Wahlrechtsexperten aus der ganzen Welt. Zu diesem Workshop werden herausragende Wissenschaftler von überallher anreisen. Veranstaltet wird er in Berlin. Die Plattform „Dalit Solidarität in Deutschland“ hat sich unserer Kampagne angeschlossen und unterstützt uns sehr. Alles in allem handelt es sich um eine große Sache, an der wir in Indien im Interesse einer „inklusiven“, also einer repräsentativeren, möglichst viele Menschen vertretenden Demokratie arbeiten.

Anstatt darüber zu klagen, was andere uns antun, sind wir jetzt bereit, Führungsverantwortung zu übernehmen, um das Land auf einen neuen Weg hin zu einer inclusive governance (inklusiven Regierungsführung) zu bringen. So hoffen wir, Dalits, Adivasi und andere ethnische Gruppen, Frauen, Minderheiten und die am stärksten benachteiligten Kastengemeinschaften in Indien mit den Instrumenten und Mechanismen der Regierungsverantwortlichkeit vertraut zu machen.

Geschrieben von:

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M. C. Raj (Manickam Casimir Raj) ist Gesellschaftsaktivist. Er leitet eine einflussreiche Dalit-Bewegung in Karnataka, Indien. Die Dalits (auch „Kastenlose“ bzw. „Unberührbare“ genannt) leiden noch immer unter Ausgrenzung und Benachteiligung. M. C. Raj ist selbst als “Dalit” geboren; er gehört einer Bevölkerungsgruppe an, die seit jeher als „unsichtbar“ gilt. M. C. Raj hat unter anderem eine große nationale Kampagne für Wahlrechtsreformen in Indien ins Leben gerufen, die unter dem Namen CERI bekannt ist. Er ist auch ein bekannter Schriftsteller, der mehrere Bücher über Philosophie, Psychologie, Spiritualität und Politik veröffentlicht hat. Er ist viel im Ausland unterwegs und hält Vorträge an Universitäten und bei Konferenzen.

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