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Indien zwischen Wirtschaftsboom und Massenarmut

Während die Zentren des Kapitalismus in Europa und anderswo von der Krise in Mitleidenschaft gezogen werden, entwickelt sich die Wirtschaft in Indien prächtig. Der momentane wirtschaftliche Erfolg des zweitbevölkerungsreichsten Land der Erde steht allerdings im extremen  Widerspruch zur unvorstellbaren Armut, die in großen Teilen des Landes immer noch vorherrscht. Doch braucht ein Schwellenland, dass mittlerweile selber als Geber fungiert, überhaupt noch Entwicklungshilfe?

Welche Perspektiven gibt es für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit in Indien? Diesen und anderen Fragen wurde im Rahmen des Donnerstagsgespräch der gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) in Berlin auf den Grund gegangen.

Nafisa D’Souza beim Gespraech der GKKE

Wenn Nafisa D’Souza, Direktorin des MISEREOR-Partners LAYA, über die Situation in ihrem Heimatland erzählt, dann spricht sie von „einer großen Ironie“: Die hohen Wachstumsraten der indischen Wirtschaft in den vergangenen Jahren – 2011 lag das Wirtschaftswachstum bei rund acht Prozent – stehen der Tatsache gegenüber, dass 645 Millionen Menschen, also etwa 55 Prozent der Bevölkerung, unter der Armutsgrenze leben.

„Indien ist sehr wachstumsorientiert. Wenn Profit auf der Agenda steht, werden die Rechte der Menschen zweitrangig“, so D’Souza. Sie sieht momentan drei Hauptprobleme für die Armen in Indien: „Die Menschen müssen den wirtschaftlichen Großprojekten weichen, also den Minen und Staudämmen, die verstärkt gebaut werden. Außerdem werden ihnen lebensnotwendige Ressourcen wie Ackerland und der Zugang zu Trinkwasser entzogen, um damit u.a. Projekte von ausländischen Konzernen zu unterstützen. Nicht weniger verheerend ist auch der Klimawandel, der vermehrt zu Dürren, Überschwemmungen und Missernten führt.“

Herausforderung und Perspektiven der Entwicklungszusammenarbeit mit einem Schwellenland
„Die Hälfte der weltweit Hungernden leben in Indien. Diese Zahlen können niemanden kalt lassen“, so MISEREOR-Indienreferentin Benazir Lobo-Bader. „Das sind Abermillionen Gründe für die Präsenz der kirchlichen Entwicklungshilfe in Indien!“ Das bekräftigte auch EED-Vorstand Claudia Warning: „Die Wirtschaft Indiens wächst, aber die Entwicklung erreicht die, die es am dringendsten brauchen, nämlich die Ärmsten der Armen, nicht. Das können wir nicht ignorieren! Indien ist ein wichtiges Land und geht uns alle an.“

Indiens bedeutende Rolle im globalen Gefüge betone auch Ralf Wyrwinsky vom Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).  „Für uns spielt Indien eine zentrale Rolle nicht nur bei der Lösung der nationalen, sondern der globalen Entwicklungsfragen.“ Deshalb gilt Indien neben Brasilien, Indonesien, Mexiko und Südafrika als sogenannter ‚globaler Entwicklungspartner‘ des BMZ.  „Gemeinsam mit diesen Ländern wollen wir Lösungen für die zentralen Fragen wie globaler Umwelt- und Klimaschutz und die Beseitigung der absoluten Armut finden.“

Dass die gemeinsamen Anstrengungen nicht aufhören dürfen, weiß auch die MISEREOR-Referentin Benazir Lobo-Bader: „Es muss noch mehr getan werden. Der politische Wille der indischen Regierung ist da, doch leider ist die tatsächliche Umsetzung nach wie vor mangelhaft“. Claudia Warning vom evangelischen Entwicklungsdienst ergänzt: „Wir haben enorm viel Potenzial in Indien. Die bestehenden Strukturen müssen nur richtig genutzt werden, sowohl von Indien selbst als auch durch die deutsche Entwicklungszusammenarbeit.“ Eines ist ihr jedoch besonders wichtig: „Was Deutschland in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit allerdings nicht tun sollte, ist, den Keil zwischen Arm und Reich noch weiter auseinander zu treiben und die Augen vor der allgegenwärtigen Armut zu verschließen.“

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Daniela Singhal ist bei politischen Aktionen in der Hauptstadt vor Ort, trifft internationale Partner und ist im In- und Ausland für MISEREOR unterwegs.

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