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Partizipatives Wasser- und Bodenmonitoring in Peru

Documento disponible también en español: Monitoreo participativo Perú

Von Juli bis September 2011 arbeitete Eike Sophie Hümpel, Master-Studentin in Umweltmanagement, als Praktikantin in der Misereor-Partnerorganisation „Vicaría de Solidaridad de Sicuani“ im südperuanischen Andenhochland. Im Umfeld einer großen Kupfermine entnahm sie Boden- und Wasserproben und analysierte sie auf Schwermetalle und andere Verschmutzungen. Hier berichtet sie von ihren Eindrücken:

„Meine ersten Gedanken zu dem geplanten Praktikum in Peru sahen etwa so aus: „Zwei Monate im Einflussbereich des Kupferabbauprojekts Xstrata Tintaya in den peruanischen Anden?… Wasser-/ und Bodenproben nehmen?… analysieren lassen?… auswerten! und  die Ergebnisse der Öffentlichkeit präsentieren??!  – Das klingt super spannend!! Das mach‘ ich!!!“

Motiviert, gespannt und voller Neugier machte ich mich also Ende Juli von Kiel auf den Weg nach Peru. Bevor ich „meine“ Organisation in Südperu ansteuerte, machte ich zunächst noch einen kurzen Abstecher nach Huancayo, um dort in der Diözese von Huancayo das Team von Bischof Barreto kennenzulernen. Wie Misereor mir gesagt hatte, hatte man dort schon über mehrere Jahre konkrete Erfahrungen mit Umweltanalysen in der von einer Schmelzhütte verseuchten Stadt „La Oroya“ gesammelt. Ich wollte von diesen Erfahrungen lernen, bevor ich in Südperu selbst Boden- und Wasserproben entnehmen würde.

Erst hier, im Gespräch mit den Leuten in Huancayo, die bereits praktische Erfahrungen in Umweltanalysen gesammelt hatten und mir von dem Druck erzählten, das das dortige Unternehmen auf sie ausübte, wurde mir allmählich klar, was die Durchführung des vorgeschlagenen Projekts in Espinar tatsächlich bedeuten könnte… Als ich drei Tage später Richtung Südperu fuhr, spielte ich während der langen Busreise ein paar mal kurz mit dem Gedanken, ich könnte einfach „unterwegs verloren gehen“… doch letztlich fand ich das Projekt zu spannend, um mich in letzter Minute aus der Verantwortung zu stehlen. Und ich sollte es nicht bereuen!! Das Team der Vicaría de Solidaridad in Sicuani empfing mich herzlich und integrierte mich sofort. Gemeinsam erstellten wir einen ehrgeizigen Arbeitsplan für die 2 Monate meines Aufenthalts, der keine Zwischenfälle zuließ. Gaaanz großartig, dass ich dann zur ersten offiziellen Versammlung mit der Gemeindeverwaltung in Espinar gleich erst mal krank war…! Nach kurzer Erholungsphase konnte es dann aber wirklich losgehen!

Am 10.08. 2011 luden wir Vertreterinnen und Vertreter aller möglichen sozialen Institutionen Espinars ins Gemeindehaus ein, um dort unser Vorhaben, ein partizipatives Umweltmonitoring durchzuführen, der Gemeinde vorzustellen. Das große Interesse der Gemeinde an dem Projekt und an einer aktiven Teilnahme motivierte mich sehr. Zwei Komitees wurden gegründet, eines zum Thema „Probennahmen“, das andere zum Thema „Probenauslieferung und -analyse“. Beide waren wichtige Eckpfeiler, die eine wesentliche Rolle im Projektverlauf spielen sollten. Jeder Interessierte wurde eingeladen, sich einzubringen. Und noch am gleichen Tag begleiteten wir einen Kleinbauern, um auf seinem Grundstück erste Wasserproben zu entnehmen (siehe Fotos).

In den folgenden 22 Tagen entnahmen wir insgesamt 50 Wasserproben und 29 Bodenproben in sieben Gemeinden, welche wir gemeinsam ausgewählt hatten: Alto Huancané, Bajo Huancané, (Alto) Huarca, Huisa (mit Privatbesitz), Tintaya Marquiri, Huano Huano und Mamanocca. Sie alle liegen im unmittelbaren Umfeld der Kupfermine Xstrata Tintaya und die Menschen dort fürchten, dass ihre Wasserquellen durch den Bergbau verschmutzt sein könnten. Handfeste Beweise haben sie dafür nicht, die häufigen Erkrankungen und zahlreichen Missbildungen der Tiere wiesen aber schon seit längerem darauf hin, dass das Wasser möglicherweise verschmutzt war.

Nachdem das anfängliche Misstrauen der Gemeindemitglieder mir gegenüber überwunden war, war ich beeindruckt von der aktiven Teilnahme und dem großen Interesse der Leute. Gleichzeitig war ich entsetzt von den Einschränkungen, welche sie durch den Bergbau auf sich nehmen müssen: der negative Einfluss des Bergbaus auf die Umwelt ist alarmierend, aber die Einflussnahme, um nicht zu sagen die Manipulation der Minengesellschaft auf die ländliche Bevölkerung entsetzte mich mindestens ebenso sehr. Im Vorfeld hatte ich nicht geahnt, dass ich mich neben der technischen Aufgabe auch so intensiv mit der politischen, sozialen und ökonomischen Lage in Espianr würde auseinandersetzen müssen. Das Kennenlernen der manipulativen und zweigesichtigen Realität vor Ort frustrierte mich und erschwerte mir zeitweilig die Arbeit erheblich, da auch ich von Attacken, Diffamierungen und Anfeindungen nicht verschont wurde. Viele der Einwohner kennen ihre Rechte und Gesetze, doch haben sie keinerlei Vertrauen in den peruanischen Staat, dass dieser  im Falle einer Verletzung ihrer Rechte auch tatsächlich Maßnahmen ergreifen würde um sie zu schützen. Einige der Viehbesitzer im Umkreis bevorzugten es deshalb, die Qualität der Böden und des Wassers nicht zu kennen, um ihren Job bei dem Bergbauunternehmen nicht aufs Spiel zu setzen. Viele Leute in Espinar hängen direkt oder indirekt vom Wohl des Bergbauunternehmens ab – sei es, weil sie selbst oder ein Angehöriger dort arbeitet. Ich lernte zahlreiche Menschen kennen, die von der Minengesellschaft beschimpft und bedroht wurden, weil sie sich gegen den Missbrauch zur Wehr setzten….eine entsetzliche Realität!

Die Wasserproben schickte ich ins Umweltanalytiklabor Envirotest S.A.C. in Lima. Die Bodenproben analysierten wir gemeinsam mit den Komiteemitgliedern und dem Team der Erzdiozöse Huancayo in dem Labor des Projekts „El Mantaro revive“.

Nach Abschluss der Analysen wiesen 29 von 50 Wasserproben eine Schwermetallkonzentration auf, die über den zulässigen Grenzwerten lag. In 15 Fällen war die Verschmutzung sogar so stark, dass dieses Wasser sich nicht einmal mehr zum Bewässern der Agrarflächen und schon gar nicht zum Tränken der Tiere eignet. 27 Bodenproben weisen Schwermetallkonzentrationen auf, welche über den nach kanadischen Standards zulässigen Niveaus für die ackerbauliche Nutzung liegen.  Doch welche Alternativen haben die Bauern im Hochland Perus? Regen fällt nur in den Monaten Dezember bis März, danach beginnt die Trockenzeit. Ohne künstliche Bewässerung keine Ernten. Und auch für das Vieh gibt es keine Alternativen zu den Quellen und Bächen, welche zum Teil hochgradig verschmutzt sind.

Am 28. 09.2011 luden wir die gesamte Bevölkerung Espinars in die  Gemeindeverwaltung ein, um die Ergebnisse der Untersuchungen vorzustellen. Um die 300 interessierten Personen erschienen zu dieser Veranstaltung, welche auch live im lokalen Fernsehen übertragen wurde sowie anschließend  in zahlreichen Pressemitteilungen erschien.

Das Ergebnis dieses ersten unabhängigen und partizipativen Umweltmonitorings kann nur der Anfang sein. Die geplanten Vorhaben, eine Erzpipeline von Las Bambas nach Espinar sowie eine Molybdänaufbereitungsanlage vor Ort zu bauen sowie der Beginn der Erzförderung in dem Nachbarprojekt Antapaccay bedürfen dringend einer strengeren Umweltüberwachung durch den peruanischen Staat. Die Bevölkerung muss über die Wasserqualität informiert sein und hat ein Recht auf sauberes Wasser für den eigenen Konsum sowie für den Ackerbau. Die Schikanen durch das Bergbauunternehmen müssen ein Ende haben.

Von Eike Sophie Hümpel

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Susanne Friess war als Beraterin mit dem Schwerpunkt Bergbau und Entwicklung für die Lateinamerika-Abteilung von MISEREOR tätig.

5 Kommentare Schreibe einen Kommentar

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    Hallo Anja,
    Danke für deinen Kommentar! Während der Planung und der Durchführung des Monitorings waren die Folgen nicht abzusehen. Die Absicht der Proteste war es, sich in der Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen. Dies ist gelungen! Das Bewusstsein und die Sensibilität gegenüber der Bergbauproblematik ist innerhalb der peruanischen Bevölkerung, aber auch zwischen den international agierenden Partnerorganisationen erweitert worden. Durch die anfänglich schwierige Situation wurde die Mühe verstärkt, diplomatische Lösungen zu finden. Ein ausführlich geplantes, größer angelegtes Monitoring wurde durchgeführt; Zusammenschlüsse aus bevölkerungsvertretenden Organisationen haben sich gebildet. Es gab kürzlich ein Vernetzungstreffen von 12 Mitgliedsorganisationen aus 5 Ländern, bei welchem es unter Anderem um die Verpflichtungen ging, welche Xstrata gegenüber der Bevölkerung hat und um die Möglichkeiten, diese gewaltfrei einzufordern.
    Danke Misereor und allen Beteiligten für die Bemühungen!
    Alles Gute!
    Eike

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    Es ist eine Schande, dass der Mut und die Einsatzbereitschaft von Frau Hümpel nicht wenigstens damit gedankt wurden, ihr ausreichend Rückendeckung und Unterstützung zur Verfügung zu stellen, als Sie aufgrund der Ergebnisse in Peru Opfer von Rufmord, Drohungen und niedersten Anschuldigungen geworden ist. Weltverbesserungswille in allen Ehren, aber ich würde jedem Studenten davon abraten, mit Misereor zusammenzuarbeiten.

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    Es ist interesant eine unabhängige Probenahme zu machen. Aber ich bin sicher solche Erfahrung würde ich nicht als Ausländerin in Deutschland machen lassen.
    Ich bin auch für Umwelt und Menschenrechtschutz. Aber bin ich immer vorsicht, wenn ich eine Ergebniss bekannt mache, da in Peru die Labors nicht ganz zuverlässig sind, von allen wenn sie nicht akreditiert sind.
    Bei Bodenanprobe sind wichtig die gelöste Schwermetalle zu analisieren. In Perú gibt es kein Labor, dass Eluate 1/10 erstellen zu können.
    Ich emphele, man muss gesamt und gelöste Schwermetallen in Bodenproben analissieren lassen. Vielleich kann Misereur sie finanzieren.
    Beste Grüsse aus Peru,
    Leonor

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    I am a professor at Universitat Autonoma de Barcelona, and want to congratulate Eike Sophie Humpel for this description of her brave work on the pollution produced by Xstrata in Tintaya, Espinar, Cusco, Peru.

    My question, is Eike’s description of her work available in Spanish and/or English. It would be needed now in Peru, where the major of Espinar, Oscar Mollohuanca, is now in preventive prison for 5 months, and some people have been killed by complaining against Xstrata. Coulld you translate Eike’s description, exactly as it is in German, and put it in the web in English or Spanis? Thank you.

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