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Zurück im Büro – Zurück nach Durban

Ein kurzer Zwischenstopp im Büro, um Bilanz zu ziehen. Chaos im Kopf. Chaos im Büro: Unsere Koffer offen, alle Ausleihgeräte – Kameras, Diktiergerät, Drucker – an einem Platz versammelt. Chaos im Kopf ordnet sich nach und nach entsprechend der Erinnerungen an zwei lange Nächte in Durban.

Durban steht Kopf: Für ein paar Minuten war das Logo falsch herum an die Wand geworfen. Bild: Schwabe

Durban steht Kopf: Für ein paar Minuten war das Logo falsch herum an die Wand geworfen. Bild: Schwabe

Samstag Abend, irgendwann. Die Zeit verschwimmt. Die Präsidentin der Verhandlungen, die südafrikanische Außenministerin Nkoana-Mashabane, appelliert an die Verhandler, die langen Verhandlungen zu einem guten Ende zu führen. Man solle nicht resignieren. Nicht vergessen, dass bereits Erfolge erzielt worden seien. Daran anknüpfen!
Sie nennt Elemente des bereits erzielten Erfolges: Anpassungspläne und den Beschluss, die Technologie CCS in den CDM aufzunehmen.
Ohne das ganze genau zu erklären: CCS in CDM bedeutet konkret, dass RWE nun in China dafür Sorge tragen kann, dass Kohlenstoffdioxid aus den Abgasen eines Kohlekraftwerkes herausgelöst und unter die Erde gebracht wird. Die Menge CO2, die unter der Erde liegen wird, kann sich RWE dann auf den heimischen Klimaschutz anrechnen lassen. Ein Graus! Nicht nur, dass CCS noch nicht funktioniert und Risiken noch völlig offen sind. Ohnehin ist der CDM sehr umstritten (siehe Beitrag von Nicole Piepenbrink hier)

Die Haare stehen mir zu Berge: Es scheint, dass Erfolg immer dann vorliegt, wenn es zu einer Einigung kommt. Meine Definition von Erfolgt ist jedoch: Erfolg ist, wenn eine Entscheidung getroffen wird, die gut ist. Wahrscheinlich liegt deshalb meine Wertung des Gipfels so weit entfernt von der Einschätzung anderer, zum Beispiel von der Einschätzung des Umweltministers Norbert Röttgen.

Natürlich gebe ich dem Minister Recht, dass ohnehin kaum etwas zu erwarten war. Natürlich gebe ich dem Minister auch Recht, dass das Ergebnis der Klimakonferenz immerhin bedeutet, dass der Prozess weiter geht und dass wir diesen Prozess brauchen, um der Klimakrise etwas entgegen setzen zu können. Und ich gebe ihm sogar Recht, dass Deutschland und die EU einen, wenn nicht DEN Anteil am sogenannten Erfolg haben. Das schreibe ich ehrlich gesagt, ohne mehr als die Überschrift gelesen zu haben…Und ja, bei der Frage, wer für die Schäden des Klimawandels in Entwicklungsländern aufkommen soll sind auch wirklich Fortschritte erzielt worden.
(Ja, ich lese und stelle fest, dass ich gar nicht so danebenliege. Man kennt ja in der Zwischenzeit die Argumente.)

 

Erfolg ist, wenn das zwei Grad Ziel wirklich erreicht werden kann. Und soweit sind wir noch nicht.  Erfolg ist vor allem nicht, wenn es keinen Rückschritt gibt.

Protest-Banner in Durban: Keep the oil in the soil!

Protest-Banner in Durban: Keep the oil in the soil!

Was ist neu an einem Verhandlungsfahrplan, den es eigentlich schon 2007 auf Bali gegeben hat? Was ist neu daran, dass nun auch die USA und die Schwellenländer Emissionsreduktionen unter einem (nicht einmal „legally binding“ völkerrechtlich verpflichtenden) Abkommen eingehen würden? Das haben sie schon in Kopenhagen angekündigt (Das zwei Grad Ziel ist nicht ohne Schwellenländer und die USA umzusetzen!) und im Cancun Abkommen zugesagt. Solange, ja solange Schwellenländer beim Klimaschutz auch unterstützt werden.

Hier liegt noch eine der großen Fragezeichen. Zwar wurde ein neuer Fonds (ja, auch richtig Herr Minister Röttgen) beschlossen und weiter operationalisiert, aber, wie Sie richtig erkennen, ist dessen Finanzierung auch noch offen. Und hier sind wir beim Wesentlichen: Schwellenländer werden sich nur zum Klimaschutz verpflichten, wenn sie

a) Vertrauen in das Handeln der USA haben und

b) wenn sie finanzielle und technologische Unterstützung erhalten.

In beiden Bereichen bedarf es Vertrauen. Vertrauen, dass es bisher nicht ausreichend zu geben scheint. Vertrauen, dass insbesondere durch die USA, aber auch durch nicht ganz ausreichende Ambition bei Klimaschutz und Klimafinanzierung auf Seiten der EU bisher nicht da ist.

Die Wortgefechte zwischen Indien und der EU (naja, gefechtet hat eigentlich nur Indien) in der Nacht von Samstag auf Sonntag (irgendwann, ich weiss es nicht mehr) zeigen deutlich, dass weiter an vertrauensvoller Zusammenarbeit gebaut werden muss.

Ja, und da sind wir bei dem angelangt, was es nun zu tun gilt:

Auf der einen Seite heißt es weiter, den UN Prozess voran zu bringen. Ein Abkommen ab 2020 reicht aber auf keinen Fall aus. Bis dahin muss der Höchststand der weltweiten Treibhausgasemissionen längst überschritten sein und Emissionen müssen rapide abfallen. Daher braucht es gleichzeitig entschiedenes Handeln auf allen Ebenen! Handeln und Verhandeln – auch das keine neue Erkenntnis.

Für Europa bedeutet das, dass die EU ihr Klimaschutzziel bis 2020 auf -30 % anheben muss. Schlupflöcher im Emissionshandel und unter dem Kyoto Protokoll müssen weiter gestopft werden (welche es gibt? Viele! 14-27 Mia. Tonnen CO2 bis 2020 könnten fälschlicherweise als reduziert gelten. Zum Vergleich: die freiwilligen Zusagen der Industrieländer umfassen nur18 Mia t weniger CO2. So eine aktuelle, just in dieser Minute eingegangene Meldung der Organisation CDM Watch (CDM Beobachter).

Zudem: Vorreiter sein. Die Welt wartet nämlich auf den praktischen Beweis, dass Klimaschutz und Wohlstand miteinander vereinbar sind. Deutschland hat bestes Potenzial, um dies zu zeigen, nicht zuletzt, weil es durch die Verbrennung fossiler Rohstoffe reich geworden ist und anderen nun diesen Weg versperren muss.

Und nochmal: Erfolg ist, wenn das zwei Grad Ziel sicher erreicht werden kann und dabei Würde für alle Menschen im Mittelpunkt allen Handelns steht. Verstecken hinter anderen gibt es in einer Welt, die auf vier Grad Celsius zuläuft, nicht mehr!

Mehr Infos zur MISEREOR-Arbeit zum Thema Klimawandel

Geschrieben von:

Ansprechtpartnerin

Anika Schroeder ist Expertin für Klimawandel und Entwicklung bei Misereor.

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