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Nelson Mandela – Der menschliche Geist kann nicht bezwungen werden

Zahlreiche südafrikanische Partner von MISEREOR würdigen die Verdienste von Nelson Mandela um den Frieden und die Versöhnung in seinem Land. Ein Interview mit Mervyn Abrahams, Direktor von PACSA, einer Organisation, die sich seit mehr als 30 Jahren für Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit einsetzt, und Fawzia Naidoo von der Organisation „Thabiso Skills“.

Welche Bedeutung hat Nelson Mandela für die Menschen Südafrikas?

Mervyn Abrahams

Mervyn Abrahams

Mervyn Abrahams: Für mich ist Nelson Mandela die Figur, das Symbol des Kampfes gegen die Apartheid, eines Kampfes gegen ein zutiefst unterdrückendes und demütigendes politisches System. Dafür steht er durch sein eigenes Leben und Leiden: verbannt und 26 Jahre lang inhaftiert. Trotz dieser Erfahrungen hat er daran geglaubt, dass es für Südafrika möglich ist, die Probleme auf friedliche Art zu lösen. Deshalb ist Nelson Mandela für uns ein Symbol, dass es möglich ist, Unterdrückung zu überwinden. Es klingt vielleicht wie ein Klischee, aber von ihm selbst ist der Satz: Der menschliche Geist kann nicht bezwungen werden. Für mich und für viele andere ist er die Verkörperung dieses Satzes. Er ist der Inbegriff der Fähigkeit des Menschen darauf zu vertrauen, dass man das Schlechte überwinden kann. Deshalb wird er mir und den Menschen in Südafrika in Erinnerung bleiben.

Fawzia Naidoo: Nelson Mandela ist für den Einzelnen, für die südafrikanische Nation und für die ganze Welt ein Vorbild. Er stand mit seinem Leben für das ein, was er gefordert hat. Das ist ein weiterer, sehr wichtiger Aspekt seiner Person. Dafür hat er Opfer gebracht – ebenso wie viele andere Vorbilder. Er hat einen besonderen Platz in den Herzen der Menschen von Südafrika. Egal wie bedeutend oder unbedeutend man ist, jeder steht zu Mandela in seiner eigenen besonderen Beziehung. Er ist definitiv ein Symbol für Hoffnung, Licht, gab Inspiration und Motivation. Wir vermissen ihn, aber ich glaube, er hat uns die Basis gegeben, auf der ganz Südafrika das fortführen kann, was er uns vorgelebt hat.

Welche Bedeutung hat Nelson Mandela für die internationale Gemeinschaft?

Abrahams: Die Rolle, die er gespielt hat, und das Symbol, das er geworden ist, ist in Südafrika und in der internationalen Gemeinschaft eigentlich dasselbe. Mandela steht für den Triumpf des menschlichen Geistes. Bei vielen Politikern in Südafrika, in Afrika und weltweit kommen immer wieder Fragen nach der Integrität auf, nach dem, was sie tun, wie sie handeln. Nelson Mandela ist hier ein Vorbild. Dabei will ich nicht sagen, dass alles, was die Regierung Mandela entschieden hat, richtig war. Aber als eine Person von Integrität steht er nicht in Frage. Die Tatsache, dass er nach seiner ersten Amtszeit abgedankt und sich zurückgezogen hat, ist vor allem für Afrika und die afrikanischen Politiker ein Beispiel, wie man politische Macht übergeben sollte.

Naidoo: Für mich ist es seine Menschlichkeit und Authentizität das Entscheidende. Er konnte ebenso mit den Menschen auf den niedrigsten gesellschaftlichen Stufen sprechen wie mit Präsidenten und Königen. Er war immer so, wie er war: bescheiden, ehrenwert, respektvoll. Auch nach seiner langen Zeit im Gefängnis hatte er seine Menschlichkeit nicht verloren. Er nahm seinen Kampf wieder auf, den er als junger Mann begonnen hatte. So war es ihm möglich, als Präsident den Wandel in Südafrika anzustoßen, aber auch das Amt wieder abzugeben und im Hintergrund zu bleiben. Die ganze Welt kennt Mandela. Überall wo wir hinkommen, sagen die Menschen sofort: Ihr kommt aus dem Land von Mandela! Darauf können wir sehr stolz sein. Südafrika ist wegen ihm im Bewusstsein der Menschen. Sein Tod ist ein großer Verlust für die ganze Welt.

Wie hat Nelson Mandela ihr eigenes Leben beeinflusst?

Fawzia Naidoo

Fawzia Naidoo

Naidoo: Ich bin zur Zeit der Apartheid aufgewachsen. Mit unseren geringen Mitteln haben auch wir Widerstand geleistet, beispielsweise durch Proteste an der Universität. Trotzdem können wir nicht ermessen, was er getan hat, wofür er eingestanden ist und gekämpft hat. Wenn man sein eigenes Leben reflektiert, merkt man, was wirklich durch das Leben von Madiba und seinen Mitstreitern verändert wurde.

Abrahams: Ein Beispiel für seine Menschlichkeit, die auch eine Beziehung zu PACSA und MISEREOR hat, ist folgende: Als der Gründungsdirektor von PACSA plötzlich in Folge eines Autounfalls starb, schrieb Mandela einen Brief an PACSA, in dem er die Verdienste der Person und der Organisation im Kampf gegen die Apartheid würdigte. Zu diesem Zeitpunkt war er Präsident und niemand hätte erwartet, dass er sich hinsetzt und einen Brief schreibt. Das zeigt seine Qualität von Menschlichkeit.

Naidoo: Es zeigt auch, dass er den Ruhm nicht für sich selber beansprucht hat. Er kannte die Menschen, mit denen er zusammengearbeitet hat und sprach immer von einem Team. Bis zuletzt hielt er den Kontakt zu den anderen Freiheitskämpfern, traf sie, zollte ihnen Respekt.

Was wird sich mit seinem Tod in Südafrika verändern?

Abrahams: Aus Sicht der Regierung, der Politik der internationalen Beziehungen von Südafrika wird es keine große Veränderung geben. Dafür hat Mandela das Amt des Präsidenten schon vor zu langer Zeit abgegeben. Auch sein Einfluss auf den ANC war in den letzten Jahren eher gering. Trotzdem fragen sich die Menschen jetzt: Was passiert nach seinem Tod? Er wird auf jeden Fall schon alleine darin präsent bleiben, dass der ANC niemals etwas tun wird, was ihm widerspricht. Eine sehr traurige Wahrheit ist, dass der Tod von Mandela für Südafrika auch positive Aspekte hat. Südafrika hat jetzt die Chance als Nation erwachsen zu werden. Wenn das Charisma des Gründungsvaters einer Organisation zu stark ist, ist es für sie schwierig, unabhängig zu werden. Wie sich eine Organisation oder auch ein Land entwickelt, wird man erst nach den Tod des Gründers sehen. Wir werden ihn in einer ehrenvollen Erinnerung behalten, aber das Land Südafrika wird sich weiterentwickeln.

Naidoo: Der Tod von Nelson Mandela ist wie ein Weckruf für unsere Nation. Wir müssen zusammenstehen und auf dem Weg weitergehen, den Mandela gegangen wäre. Wir müssen die Nation weiterentwickeln, die so großartig gestartet ist. Sein Tod ist ein großer Verlust und wir haben geweint, aber das Land wird darüber stärker werden und wachsen.

Abrahams: Ich hoffe, dass die Medien und die Internationale Gemeinschaft auch in Zukunft weiterhin darauf blickt, was in Südafrika passiert. Der Kampf gegen die Apartheid ist mittlerweile so weit entfernt von uns allen. Wir haben bedeutende politische Umwälzungen hinter uns, aber die wichtigsten Veränderungen stehen uns noch bevor: das ist der wirtschaftliche Aufschwung und der Kampf gegen die Armut.

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Michael Mondry arbeitet als Referent in der Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei MISEREOR. Hier ist er unter anderem für das Magazin verantwortlich.

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