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Fußball-WM: Brasilianische Bischöfe klagen an!

Während in Deutschland über den Kader für die Fußball-WM spekuliert und über Public-Viewing diskutiert wird, kommen aus Brasilien selbst deutlich ernstere Schlagzeilen: So sind die Bauarbeiten im Stadion von Sao Paulo nach dem erneuten Tod eines Arbeiters vorläufig unterbrochen worden und werden wahrscheinlich erst kurz vor dem Start der Weltmeisterschaft beendet sein. Ein Nervenspiel – immerhin findet hier das Eröffnungsmatch statt.

Eine andere aktuelle Schlagzeile lautet so: „Brasiliens Armee besetzt Armenviertel in Rio“. 1180 Militärpolizisten, 132 Zivilpolizisten, vier  Helikopter und 15 gepanzerte Fahrzeuge waren in einer ganzen  Reihe von Favelas im Einsatz, die in der Nähe des Internationalen Flughafens der Zuckerhut-Metropole liegen. Wenn hier in wenigen Wochen Fußballfans aus aller Welt landen, sollen sie ein sicheres Umfeld antreffen, lautet die Begründung der Behörden für diese brachiale Aktion speziell gegen Drogen- und Waffenhändler, die  in den fraglichen Favelas wohnen.

Menschenrechtsverletzungen sind kein Fair Play

Nicht minder schwerwiegend als diese harsche Militär- und Polizeioperation ist das, was sich schon seit etlichen Monaten an Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang mit der Fußball-WM zugetragen hat. Etwa 250.000 Menschen sind nach Angaben von Almute Heider, Brasilien-Referentin bei MISEREOR, wegen des Fußball-Spektakels aus ihren Häusern vertrieben worden, weil sie etwa dem Stadion- oder Straßenbau und anderen Projekten zur Verbesserung der Infrastruktur weichen mussten. „Die Betroffenen wurden zumeist nicht oder nur sehr kurzfristig darüber informiert, dass sie ihre Wohnungen verlassen müssen“, berichtet Heider. Eine angemessene Entschädigung habe es nicht gegeben. „Meist wurde ihnen eine andere Wohnung oder ein anderes Haus weit weg von ihrem Wohnsitz angeboten.“ In großen Städten wie Sao Paolo bedeute dieses „Weit weg“ nicht selten 50 Kilometer und mehr, kritisiert die MISEREOR-Expertin. „Dies bedeutet, dass die Kinder nicht mehr die gleiche Schule besuchen können und die Eltern stundenlang in überfüllten Bussen zur Arbeit fahren müssen, während sie vorher näher an ihrer Arbeitsstelle gewohnt haben. Meist sind die stadtfernen Wohnorte auch ungenügend an die nötige Infrastruktur wie ein gut funktionierendes Bussystem oder Schulen und Freizeitmöglichkeiten angebunden. Zudem verlieren die Menschen natürlich ihr gesamtes soziales Umfeld.“

Wir sind alle EINE Mannschaft

Die wachsenden Ungerechtigkeiten im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft, aber auch der Olympischen Spiele im Jahr 2016 ruft auch die Spitze der katholischen Kirche in Brasilien auf den Plan. Ungewöhnlich deutlich haben sich in dieser Frage jüngst Kardinal Raymundo Damasceno  Assis, Erzbischof von Aparecida und Vorsitzender der brasilianischen Bischofskonferenz, der stellvertretende Konferenz-Vorsitzende und Erzbischof von Sao Luis do Maranhao, Dom José Belisario da Silva,  und der Generalsekretär der Bischofskonferenz, Weihbischof Dom Leonardo Ulrich Steiner, zu Wort gemeldet: „Wir sind solidarisch mit denen, die durch Baumaßnahmen für die WM in ihrer Würde verletzt wurden und die den schmerzhaften Verlust von lieben Angehörigen erleben mussten“, schrieben die Bischöfe in einer offiziellen Erklärung. „Ebenso darf man nicht zulassen, dass die Fußball-Weltmeisterschaft zu einer weiteren Verschärfung der urbanen Ungleichheiten und der Umweltzerstörung führt und als Rechtfertigung für die allmähliche Institutionalisierung von Ausnahmeregelungen angesehen wird. (…) Der Erfolg der Weltmeisterschaft misst sich nicht an den Summen, die in die örtliche Wirtschaft injiziert werden, auch nicht an den Gewinnen, die die Sponsoren mit ihnen erzielen. Der Erfolg besteht darin, Sicherheit für alle zu gewährleisten, und zwar ohne Anwendung von Gewalt. Der Erfolg besteht darin, das Recht auf friedliche Demonstrationen zu achten. Er besteht darin,  Mechanismen zur Verhinderung von Sklavenarbeit, Menschenhandel und sexueller Ausbeutung zu schaffen ­ – insbesondere von sozial benachteiligten Menschen -, sowie Rassismus und Gewalt wirksam zu bekämpfen“, betonen die führenden Köpfe der Bischofskonferenz. Und bedienen sich schlussendlich einer  Fußball-Metapher: „Wir sind aufgerufen, eine einzige Mannschaft zu bilden, in der wir alle Titelträger im Spiel des Lebens sind, und bei dem keiner Zuschauer sein darf.“

Wer profitiert von der WM?

Starke Worte, die mehr als notwendig sind angesichts der Tatsache, dass die Brasilianer selbst nicht wirklich von der WM profitieren werden: Der Weltfußballverband (FIFA) hat sich beispielsweise per Sonder-Rahmengesetz alle Einnahmen in Zusammenhang mit den Spielen gesichert. Internationale Sponsoren haben Monopolverträge mit der FIFA, so dass Anbieter vor Ort, vor allem Straßenhändler, eigene Produkte in und um die Stadien herum in aller Regel nicht verkaufen dürfen.


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… zur WM in Brasilien finden Sie hier.


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Ralph Allgaier arbeitet als Pressesprecher bei Misereor.

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