95 Augenpaare sehen mich gespannt an. Was will dieser Muzungu (Bezeichnung für eine Person heller Hautfarbe) in meinem Klassenzimmer? Ich bin mit der Caritas Solwezi in einer Highschool, um einen Vortrag über HIV/Aids zu halten.
Als Jasmin und ich die Aufgabe erhielten, einen Vortrag zu diesem Thema vorzubereiten, war ich begeistert und gleichzeitig aufgeregt. Und ich stellte mir die Frage: Wie lässt sich dieses Thema am besten darstellen und vermitteln? Die Zahl der von HIV betroffenen Menschen in Sambia liegt bei 1 Million. Die Kinder, mit denen wir zu tun haben, sind oft indirekt betroffen, da sie zum Beispiel einen Elternteil durch die Folgen von AIDS verloren haben. Nach mehreren Stunden der Vorbereitung hatten wir dann endlich einen Vortrag erstellt, der auch die Fachbegriffe so erklärt, dass ihn die Jugendlichen, die genau so wenig englische Muttersprachler sind wie wir, verstehen können.
Am Morgen des Vortrags war ich sehr aufgeregt, denn meine Erfahrung mit Vorträgen in englischer Sprache beschränkt sich lediglich auf einige Prüfungen und Schulerfahrungen. Natürlich wusste ich, dass die Klassengröße nicht der deutschen entspricht, aber dass ich dann auf 95 Schülerinnen und Schüler der Klasse 9 treffen würde, hätte ich nicht erwartet! Zum Glück erfuhr ich die Anzahl erst nach der Präsentation 🙂 Die Größe des Klassenzimmers ist nicht anders als die eines deutschen Klassenzimmers, und dennoch fanden 95 Schüler Platz. Ich habe mit einigen Lehrern gesprochen, die mir berichteten, dass es nach einer Unterrichtsstunde schon mal vorkommt, dass die Stimme beinahe weg ist, da man natürlich versucht, auch den Schüler hinten links im Eck noch zu erreichen. Ich persönlich kann mir kaum vorstellen wie es möglich ist, auch nur eine Notiz anfertigen zu können an einem Tisch, den sich 4 Schüler teilen müssen.
Bildung in Sambia – Immer noch ein Privileg
Was ich sehr erstaunlich fand war die Disziplin, der ich überall begegnet bin. Selbst in diesem vollen Klassenzimmer hätte ich während unseres Vortrages eine Stecknadel fallen hören. Da wurde mir wieder einmal bewusst, wie wenig ich meine eigene Bildung wertschätze und früher oftmals den Gang zur Schule als lästig empfunden habe. Hier ist jeder, der zur Schule geht, dankbar, diese Möglichkeit zu haben. Besonders für Mädchen ist das keine Selbstverständlichkeit, da es oftmals den männlichen Geschwistern vorbehalten ist, zur Schule oder zur Universität zu gehen. Bildung ist in Sambia von der ersten Klasse bis zur Universität mit Kosten verbunden und daher ein Privileg. Umso mehr freut es mich zu sehen, wie Mädchen in meinem Alter voller Ehrgeiz dafür kämpfen, studieren gehen zu dürfen.
Besonders die Fragerunde nach unserem Vortrag, so schien es mir, war besonders wichtig, um Vorurteile gegenüber HIV aus dem Weg zu räumen. Die Schülerinnen und Schüler der neunten Klasse sind zwischen 16 und 19 Jahre alt, was ich als sehr positiv empfunden habe, da Jasmin und ich im gleichen Alter sind und so den Schülern auf Augenhöhe begegnen konnten. Als wir ihnen erzählten, dass wir erst vor kurzem unseren Schulabschluss gemacht haben und im selben Alter seien, erleichterte dies den Dialog ungemein.
Das Bildungssystem in Sambia ist noch entwicklungsfähig. Eine Highschool mit 3000 Schülern ist nichts Ungewöhnliches in Solwezi und das diese 3000 Schüler von nur 20 – 30 Lehrern betreut werden, ist auch an der Tagesordnung. Darunter leidet natürlich auch die Qualität des Unterrichts. So begegnete ich Kindern in der fünften Klasse, die beinahe nicht lesen konnten. Das finde ich sehr erschreckend. Zu meinen Aufgaben gehört es unter anderem, dreimal in der Woche eine fünfte Klasse in Englisch zu unterrichten. Obwohl ich diese Aufgabe sehr gerne übernehme, habe ich doch immer wieder das Gefühl, dass ich letzendlich doch nicht so viel bewegen kann, wie ich gerne würde, da die Kinder in ihrer Freizeit wenig bis gar nicht lesen und von ihrer Eltern wenig Rückhalt erwarten können. Deshalb haben Jasmin und ich angefangen, am Nachmittag nach der Schule Bücher ins Klassenzimmer zu nehmen, um dadurch die Lesekompetenz und das Textverständnis ein wenig verbessern zu können.
Liebe Hannah,
am 1. Dezember ist Welt-Aids-Tag. Den hat mir dein Artikel grade wieder in Erinnerung gerufen.
Auch wenn ihr vielleicht das Gefühl habt, in eurem Unterricht den Kindern und Jugendlichen inhaltlich gar nicht so viel beizubringen, so bewirkt ihr doch ganz viel alleine durch eure Anwesenheit und Eigeninitiative.
Ihr schenkt euren Schülern Aufmerksamkeit und zeigt ihnen, dass sie wichtig sind. Das steigert, glaube ich, das Selbstwertgefühl ungemein und ist im Zusammenhang mit HIV/ AIDS nochmal mehr von Bedeutung….
Auf den Vortrag könnt ihr ganz sicher stolz sein!
LG, Nicole
Liebe Hannah,
sieht sehr professionell aus, was ihr da erstellt habt. Alle Achtung. Ihr könnt stolz sein, dass ihr zu einem so wichtigen Thema einen Beitrag geleistet habt. Vor 95 Personen. Wie du selbst anmerkst, war es bestimmt für die Jugendlichen schön, dass ihr ungefähr gleich alt seid. Das entspannt das Thema sicherlich etwas.
LG, Uta
PS: Ihr sehr in eurem Chitenge sehr fesch aus … :-)))