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Angola: Prachtbauten und bittere Armut

Heute vor 66 Jahren wurde die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verabschiedet. Sie ist Grundlage für die weltweite Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit und Gleichheit – Und dennoch gilt sie noch immer nicht für alle Menschen gleichermaßen.

So auch in Angola: Formal ist das südafrikanische Land eine Demokratie. Doch unter der Macht des Präsidenten lebt die große Mehrheit der Angolaner in Armut und ohne Zugang zu Bildung. Land wird an nationale und internationale Investoren verkauft, es kommt zu rechtswidrigen Zwangsräumungen und Umsiedlungen. Es gibt keine Pressefreiheit und die Regierung geht immer wieder gewaltsam gegen Demonstranten vor. Júlio Candeiro ist Direktor des Bildungs- und Tagungszentrums MOSAIKO, das sich seit 1997 für Menschenrechte, Entwicklung und Frauenförderung in Angola einsetzt. Im Interview mit MISEREOR spricht er über die Unruhen in Burkina-Faso und die Zukunft seines Landes.

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Júlio Candeeiro ist Direktor des Bildungs- und Tagungszentrums MOSAIKO in Angola.

MOSAIKO tritt dafür ein, dass die Angolaner ihre Rechte erkennen und ihre Standpunkte und Forderungen selbst aktiv vertreten, bietet aber in bestimmten Fällen auch Rechtsschutz an. Was für Fälle sind das?

Zunächst einmal: Die Zeit und Arbeit von Anwälten ist auch in Angola sehr teuer – und daher vor allem für die arme ländliche Bevölkerung nicht bezahlbar. Wir stehen für Fälle vor Gericht ein, die wir für bedeutsam für das Vorankommen der Menschenrechte in Angola erachten und die ermutigen sollen. Zum Beispiel, sich bei Landraub zur Wehr zu setzen: Eine Familie hatte etwa ganz legal ein Stück Land gekauft, mit Papieren und nach allen notwendigen Formalitäten. Die Regierung wandte sich eines Tages an diese Leute und behauptete, sie hätten sich des illegalen Hausbaus schuldig gemacht – ohne Vorwarnung wurde das Gebäude in der Abwesenheit der Familie abgerissen. Wir wollen erreichen, dass es zu einem Prozess kommt. Schließlich liegen alle Kaufpapiere vor.

MOSAIKO arbeitet seit 17 Jahren in Angola – ist im Laufe der Zeit auch eine Veränderung innerhalb der Gesellschaft deutlich geworden?

Die erste nennenswerte Veränderung besteht darin, dass das Thema Menschenrechte in unserer Gesellschaft nicht mehr fremd ist. Es ist in der Sprache, im Vokabular und auch in der Verfassung verankert. Es gibt das Ministerium für Justiz und Menschenrechte, dazu ein Verfassungsgericht. Wir sehen, dass auch kleine Gemeinden es schaffen, Druck auf die Regierung auszuüben. Da gab es den Fall mehrerer Menschenrechtsaktivisten, die einfach verschwunden sind. Die Regierung erklärte, nichts davon zu wissen. Als der Druck durch die Zivilgesellschaft und verschiedene Organisationen zu groß wurde, gab sie bekannt: Die Männer sind verschwunden und wurden ermordet. Und die Mörder wurden schließlich gefunden – ob deren Strafe wiederum gerecht war, möchte ich dahingestellt sein lassen. Dennoch wäre das früher undenkbar gewesen.

Ein solcher Menschenrechtsaktivist, Rafael Marques de Morais, sagte kürzlich, dass auch in Angola – wie in Burkina Faso geschehen – der Präsident durch eine Revolte gestürzt werden müsse. Denken Sie das auch?

Das könnte nicht nur in Angola passieren, sondern auch in vielen anderen Ländern Afrikas, deren politische und wirtschaftliche Systeme nicht gut funktionieren, und in denen ein starker Führer wie dos Santos in Angola alle Macht für sich beansprucht. Die Menschen in Angola werden und können sicher nicht ignorieren, was in Burkina Faso passiert ist. Ich glaube aber nicht, dass es etwas bringt, alleine diesen einen Menschen an der Macht auszuwechseln. Es geht darum, dass Institutionen funktionieren, Menschenrechte geachtet werden – es geht um nachhaltige Veränderung eines Systems und um eine starke Zivilgesellschaft. Nicht bloß darum, nur einen einzelnen Mann abzusetzen.

May 2010 ANGOLA 007 Luanda TK 3075

Trotz Ressourcenreichtums leben viele Menschen in Angola, wie in Luanda, in großer Armut. Foto: Teschner

Dazu bräuchte es auch eine Änderung der Verfassung…

Das wäre das ideale Szenario. Aber ich sehe nicht, dass das in nächster Zeit passieren könnte. Ich hoffe, dass diese Stimmen in Zukunft lauter und gehört werden, so dass Veränderungen möglich sind. Der beste und schnellste Weg wäre es, wenn die Stimmen zur Machtaufteilung auch aus den politischen Parteien kommen würden, doch die Opposition ist noch nicht stark genug. Vielleicht können die Veränderungen in Burkina Faso dazu ermutigen.

Was müsste sich im Hinblick auf die Menschenrechte weiterhin in Angola verändern?

Ein wichtiger Punkt ist das Thema Gleichberechtigung: Es ist unfassbar, wie viel Armut es in Angola gibt. Kommt man in die großen Städte, sieht man den Reichtum, die großen Autos. Nur wenige Kilometer entfernt leben die Menschen in Baracken. Dieses Ungleichgewicht ist gravierend. Wir müssen uns fragen, wie es sein kann, dass ein so reiches Land die zweithöchste Rate an Kindersterblichkeit hat und auf Rang 148 des Index zum Entwicklungsstand steht. Das bedeutet nicht, dass alle Menschen gleich viel haben sollen, aber es bedeutet, dass niemand vor Hunger sterben sollte. Auch Korruption ist diesbezüglich ein großes Thema. Wir brauchen ein starkes und gerechtes Rechtssystem, vor dem jeder gleich ist. Wir müssen weiterhin dafür kämpfen – MISEREOR unterstützt uns dabei. Wir müssen das System immer wieder in Frage stellen und unsere Regierung kritisch begleiten.

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Rebecca Struck hat als persönliche Referentin von MISEREOR-Chef Pirmin Spiegel gearbeitet.

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