Suche
Suche Menü

Zeit haben – Stress kennt man nicht!

In vielen Ländern der Welt haben die Menschen ein anderes Verständnis von Zeit. In Deutschland und Westeuropa geht es aus deren Sicht sehr gestresst zu. Zumindest musste ich in den letzten Monaten lernen, mit Zeit ganz anders umzugehen. Und das war ein langer Prozess.

In Deutschland war mein Leben und Alltag ziemlich gefüllt, es gab immer etwas zu tun und wenn ich dann mal einen Tag keinen Termin hatte, wurde mir schon fast langweilig.

 

Meine timoresischen Mitbewohnerinnen Abui (l.) und Gida beim Kochen

Meine timoresischen Mitbewohnerinnen Abui (l.) und Gida beim Kochen

In Baucau sind die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung durch nicht vorhandene Angebote, Kultur und Klima sehr eingeschränkt.
Den normalen Feierabend verbringen Carolin und ich mit Fitnessübungen auf unserer Veranda, kochen, mal mehr, mal weniger intensiven Gesprächen mit unseren vier timoresischen Mitbewohnerinnen, Filme gucken und lesen. Am Wochenende kommt es dann schon mal vor, dass wir fünf Stunden auf unserer Veranda mit Meerblick sitzen, frühstücken und quatschen.

Auch im Projekt geht es lange nicht so gestresst zu, wie es in Deutschland üblich wäre. In meiner 35 Stunden Woche unterrichte ich sechs Stunden fest Englisch. Ich bräuchte niemals 29 Stunden, um sechs Stunden Unterricht vorzubereiten. Das war aber auch nur der Anfang, denn langsam pendelt sich alles ein und ich unterrichte auch Kolleginnen.

Nichts tun - hier: am Strand von Baucau

Das Wochenende am Strand von Baucau genießen!

Dennoch bleibt mir auch jetzt noch immer Zeit, um das ein oder andere Gespräch zu führen, eine Runde durch das Zentrum zu spazieren und andere Dinge, auf die ich in Deutschland gar keinen Wert gelegt habe.
In den letzten sechs Monaten hatte ich große Probleme, mit dieser vielen freien Zeit im Büro umzugehen. Doch jetzt glaube ich sagen zu können, dass ich es gelernt habe, diese wertvollen Momente zu schätzen, und vor allem zu nutzen.

Es ist ein bisschen schwierig zu beschreiben – jedenfalls ist es ein gutes Gefühl, ab und zu keiner notwendigen Beschäftigung noch zu gehen, sondern einfach ein bisschen Tag träumen, Erlebtes Revue passieren lassen und zu verarbeiten.
So schwer es am Anfang auch war, ich bin sehr froh über diese Erfahrung, die ich in Europa vielleicht niemals gemacht hätte. Und ich glaube, dass dies ein sehr großer kultureller Unterschied zwischen Deutschland und Timor-Leste ist, den ich jetzt beiderseitig zu schätzen weiß, denn natürlich freue ich mich auch auf die Möglichkeiten, meine Zeit zu füllen, in Deutschland.

Geschrieben von:

Maria

Meine Name ist Maria. Ich habe 2014/2015 einen Freiwilligendienst in Timor-Leste im CTID (Centro Treinamento Integral no Desenvolvimento) geleistet. Dort habe ich junge Frauen in Englisch und Sport unterrichtet.

1 Kommentar Schreibe einen Kommentar

  1. Avatar-Foto

    Liebe Maria,
    das kann ich mir sehr gut vorstellen. Unser Alltag ist so was von vollgestopft mit allem Möglichen. Und meist wollen wir das ja auch so haben. Ist mal Leerlauf, was macht man: Man surft im Internet. Oder ähnliches. Ich würde das auch gar nicht so aus „nichts tun“ bezeichnen, das, was du in den vergangenen Monaten gelernt hast. Denn fast immer tust du etwas, wofür wir uns in West Europa viel zu wenig Zeit nehmen: Über uns selbst und unser Leben zu reflektieren. Einfach mal abschalten und den Geist wandern lassen. Zwischenmenschliche Beziehungen durch lange Gespräche pflegen. Hat dazu hier einer Zeit??? Schade eigentlich, oder …

    LG aus dem teilweise weißen Aachen, Uta

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.