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Mindanao / Philippinen: „totaler Frieden“ statt „totaler Krieg“

Kampagne für den Frieden auf Mindanao gestartet
Ein Beitrag von MISEREOR-Expertin Elisabeth Strohscheidt

Verteilung von Lebensmitteln in einem provisorisch eingerichteten Lager für intern Vertriebene im Gebiet von Rajah Buayan

Verteilung von Lebensmitteln in einem provisorisch eingerichteten Lager für intern Vertriebene im Gebiet von Rajah Buayan

Die Philippinen sind Schwerpunktland der diesjährigen MISEREOR-Fastenaktion, die sich vor allem mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Menschen in dem 7000-Insel-Staat beschäftigt. Doch nicht nur gegen die Folgen des Klimawandels müssen Filipinas und Filipinos sich zur Wehr setzen. Auch Jahrzehnte andauernde Konflikte zwischen philippinischer Regierung und bewaffneten Oppositionsgruppen machen die Entwicklungschancen von Millionen von Menschen immer wieder zunichte. Nach rund 40 Jahren Bürgerkrieg steht jedoch für Mindanao, der zweitgrößten Insel der Philippinen, der Frieden praktisch vor der Türe. Dem Parlament liegt derzeit ein Gesetzentwurf (Bangsamoro Basic Law – BBL) vor, das den Bürgerkrieg – der weit über 100.000 Menschen das Leben gekostet hat und mehr als zwei Millionen Menschen zu Flüchtlingen im eigenen Land machte – endlich beenden und der Bangsamoro-Region weitgehende Autonomie einräumen soll. Bangsamoro ist Teil Mindanaos, muslimisch geprägt, und gehört zu den ärmsten Regionen der gesamten Philippinen. Zahlreiche Kongressabgeordnete und Senatoren haben jedoch inzwischen ihre Unterstützung des Gesetzentwurfes zurückgezogen und die Beratungen im Parlament sind vorerst auf Eis gelegt. Grund dafür ist ein fehlgeschlagener Anti-Terror-Einsatz am 25. Januar 2015, der über 60 Menschen das Leben kostete. Dessen Folgen drohen nun, den Erfolg von 17 Jahren harter Friedensverhandlungen zunichte zu machen.

Spirale der Gewalt treibt Zigtausende Menschen erneut in die Flucht

Etwa einen Monat nach dem oben genannten Anti-Terror-Einsatz hat die Armee den „Bangsamoro Islamic Freedom Fighters“ (BIFF) den „totalen Krieg“ (all-out war) erklärt. Mit aller Gewalt geht die Armee gegen diese Splittergruppe der „Mindanao Islamic Liberation Front“ (MILF) vor. Die BIFF kritisieren die Ergebnisse, die die MILF in harten Verhandlungen mit der philippinischen Regierung erreicht hat und die den von Millionen Menschen so sehnsüchtig erhofften Frieden in greifbare Nähe gebracht hat, als nicht weitreichend genug. Dabei geht es auch um Macht und Einfluss innerhalb der bewaffneten Opposition. BIFF-Kämpfer sollen maßgeblich an der brutalen Ermordung von 44 Polizisten beteiligt gewesen sein, die bei dem o.g. Einsatz ums Leben kamen und nach wie vor international gesuchten Terroristen Unterschlupf gewähren. In einigen Teilen Mindanaos, insbesondere in den Provinzen Maguindanao und Nord-Cotabato liefern sie sich inzwischen wieder mit offener Gewalt ausgetragene Machtkämpfe mit der MILF. Menschen, die aus den Kampfgebieten vor der Gewalt fliehen, fürchten, dass die BIFF zum Teil auch Landminen einsetzt. Dies würde eine sichere Rückkehr in ihre Dörfer selbst nach Abklingen der akuten Kampfhandlungen erschweren oder sogar verhindern. Auch vor der Gewalt der Armee fliehen die Menschen. Dass BIFF oder MILF militärisch zu besiegen sind, darf ernsthaft bezweifelt werden. Warum sollte eine Strategie, die seit 40 Jahren immer wieder gescheitert ist, nun erfolgreich sein? Vielmehr schwächt ein solcher Einsatz diejenigen innerhalb der MILF, sie 17 Jahre lang den Frieden verhandelt haben und spielt den Kriegstreibern auf beiden Seiten in die Hände.

Intern Vertriebene richten eine Notunterkunft ein

Intern Vertriebene richten eine Notunterkunft ein

Weit mehr als 30.000 Menschen sind inzwischen in den Provinzen Maguindanao und Nord-Cotabato erneut auf der Flucht. Ihnen fehlt zum Teil das Nötigste zum Überleben. Die Provinzregierung in Maguindanao hat den Notstand ausgerufen. Internationale Organisationen und viele lokale Organisationen versuchen zu helfen, wo sie nur können. MISEREOR hat einen ersten kleinen Betrag bereitgestellt, um Partnerorganisationen darin zu unterstützen, Lebensmittel und andere lebensnotwendige Dinge an Menschen zu verteilen, die bislang weder durch die Hilfe der Regierung noch die internationaler Organisationen erreicht wurden.

Gegen den „totalen Krieg“ – und für den „totalen Frieden“

Leider wird auch in den Medien und in der Öffentlichkeit kaum unterschieden zwischen den rivalisierenden Gruppen. So wird im öffentlichen Diskurs immer wieder von der Verantwortung der MILF gesprochen. Als Bedingung für die Wiederaufnahme der parlamentarischen Verhandlung über das BBL wurde die MILF aufgefordert, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um die genauen Todesumstände der o.g. 44 Polizisten aufzuklären, deren erbeutete Waffen zurückzugeben und die in den Reihen von MILF bzw. BIFF vermuteten Täter auszuliefern. Bedingungen, die für die MILF so nicht akzeptabel sind. (siehe dazu auch den Beitrag von Rainer Werning „Frieden gefährdet“) Davon, dass die Spirale der Gewalt durch einen von staatlichen Stellen angeordneten Anti-Terror-Einsatz ausgelöst wurde, dessen Planung und Ausführung immer noch zahlreiche Fragen offen lassen, ist im Moment leider kaum noch die Rede. Stattdessen sind alte Vorurteile gegen die MILF und gegen die muslimische Bevölkerung Mindanaos schnell wieder wachgerufen. Zum Glück aber wächst auch die Zahl deren, die sich öffentlich gegen die Raum greifende Polarisierung und Kriegstreiberei wenden.

Am 06. März 2015 fanden überall auf den Philippinen öffentliche Kundgebungen statt, die zum „all-out Peace“ aufriefen. Der Tag wurde zum „National Day Towards Healing for Unity and Peace“, zum „Nationalen Tag für die Heilung hin zu Einheit und Frieden“, erklärt. Der 6. März 2015 ist zugleich der Beginn einer von zahlreichen zivilgesellschaftlichen Organisationen auf den Philippinen organisierten nationalen Kampagne für Wahrheit, Gerechtigkeit und für den „totalen Frieden“. Das Philippine Misereor Partnership gehört zu den Gründungsmitgliedern dieser Kampagne. Den Kriegstreibern und –profiteuren auf beiden Seiten stehen Millionen von Menschen entgegen, die ihre Hoffnung und ihr Recht, endlich in Frieden zu leben, nicht einfach durch einen fragwürdigen Anti-Terror-Einsatz und dessen gewaltige Folgen zerstören lassen. Sie brauchen und verdienen unsere Solidarität.

Elisabeth Strohscheidt befasst sich bei MISEREOR mit Fragen der Friedensförderung und Konflikttransformation. Vom 27. Januar bis 4. Februar war sie zu Gesprächen mit Partnerorganisationen in den Philippinen, unter anderem auch im Konfliktgebiet Mindanao.

Mehr Informationen…

… zur Kampagne auf den Philippinen auf der Facebookseite sowie auf der Seite des Philippine MISEREOR Partnership.

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Elisabeth Strohscheidt befasst sich bei MISEREOR mit Fragen der Friedensförderung und Konflikttransformation.

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