Die meisten Menschen denken beim Thema Klimawandel an rauchende Kraftwerksschlote. Almuth Schauber, Fachreferentin für städtische Entwicklung bei MISEREOR, hat jedoch die Skylines großer Städte vor Augen.
Sie sagen, der Schlüssel zur Bekämpfung des Klimawandels liegt in den Städten. Warum?
Im Jahr 2050 werden fast zwei Drittel der Menschheit in Städten leben. Städte verbrauchen 70 Prozent der weltweit erzeugten Energie und stoßen Dreiviertel der Treibhausemissionen aus. Mittelklasse und Elite nutzen selbstverständlich Airconditions und Autos während Arme keinen Zugang zu Strom haben. Auch in Städten kochen sie vielfach mit Holzkohle und Kerosin, was übrigens teurer ist als mit Strom zu kochen.
Wie kann Klimaschutz in Städten aussehen, wo die allermeisten Bewohner doch nicht die Mittel haben, ihre Häuser zu dämmen?
Energieeffizienz von Gebäuden ist ein Thema. Aber noch mehr Energie wird durch Individualverkehr und Gütertransporte verbraucht. Energieeffizienz in Städten setzt deshalb an den Stadtstrukturen an: wie viele Wege muss ich zurücklegen, mit welchem Verkehrsmittel? In Europa profitieren wir von Städten mit kurzen Wegen, die vor Jahrhunderten gebaut wurden. 25 Prozent der global nachgefragten urbanen Energie könnten zukünftig eingespart werden, wenn in asiatischen Städten lange Transportwege entfielen. Das ist eine gigantische Größenordnung und eine, die den Lebensstil von Mittel- und Oberklasse betrifft.
Wachsen Städte in den meisten Entwicklungsländern nicht eher unkontrolliert in die Fläche?
Das hat viele Ursachen. Es fehlt an Wohnungen, die Menschen sind gezwungen, sich selbst mit Wohnraum zu versorgen, meist sind dies kleine, selbstgebaute Behausungen. Auch Wohlhabende benötigen Wohnraum und es entstehen neue Wohnviertel. Zum anderen werden Menschen mit geringem Einkommen gezielt an den Stadtrand umgesiedelt, um in den Innenstädten Platz für hochpreisige Wohn- und Geschäftsviertel zu schaffen. Die offizielle Begründung hierfür ist häufig, dass diese Menschen in Siedlungen ohne Rechtstitel und in Gefahrenzonen leben. Eine Begründung, die vordergründig logisch klingen mag.
Das heißt Katastrophenschutz in Städten nützt vor allem den armen Menschen?
Manila, Jakarta, Bombay – viele Megastädte liegen an Küsten und bekommen den Anstieg des Meeresspiegels besonders stark zu spüren. Deshalb ist Katastrophenschutz genau das, was sich die Betroffenen, die in Gefahrenzonen an Flussläufen, Küstenlinien, Kanälen oder steilen Hängen siedeln, wünschen. Leider machen sie die Erfahrung, dass sich Katastrophenschutz, auf den sie so hoffen, gegen sie wendet. Klimaanpassungsprojekte sind selten reine Schutzmaßnahmen, sie verbinden sich mit Stadterneuerungsmaßnahmen. Aus Sicht vieler Kommunen bieten Klimawandelanpassungsmaßnahmen die wohlbegründete Möglichkeit, sich informeller Siedlungen zu entledigen.
Hat eine Organisation wie MISEREOR überhaupt Einflussmöglichkeiten auf solche Prozesse?
Ja, indem wir städtische Arme darin unterstützen, eine Stimme bei Stadtentwicklungsvorhaben zu haben. Sie haben ein Recht darauf, dass auch ihre Interessen zählen. Hohe Transportkosten fressen ihren kärglichen Verdienst auf. Deshalb unterstützen wir unsere Partnerorganisationen unter anderem darin, technisch fundierte Lösungen vorzuschlagen, die Katastrophenschutz ermöglichen und ihre Bleiberechte sichern.
Wie sieht Klimaschutz aus, der auch die Armen schützt?
Unsere Partnerorganisationen setzen sich dafür ein, Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit miteinander zu verknüpfen. Arme, die einen geringen CO2 Abdruck haben, und so stark von den Folgen des Klimawandels betroffen sind, brauchen eine gleichberechtigte Mitsprache in Stadtentwicklungsprozessen. Ein weiterer Ansatzpunkt ist, dass Arme Zugang zu energieeffizienten Produkten erhalten, denn ihre Ausgaben für Energie sind gemessen an ihren Einkommen viel zu hoch. Dazu gehört auch ein funktionierender öffentlicher Nahverkehr, der für die räumliche und soziale Teilhabe Armer von zentraler Bedeutung ist.
Almuth Schauber ist Fachreferentin
für städtische Entwicklung bei MISEREOR