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Deutsche und afrikanische Milchbauern: „Du bist kein Milchbauer, du bist Milchpulververkäufer“

„Du bist kein Milchbauer,  du bist Milchpulververkäufer“, sagt ein junger Molkereibesitzer aus dem burkinischen Bobo-Dioulasso selbstsicher, als er zur Begrüßung fest die Hand eines deutschen Reiseteilnehmers schüttelt. Damit bringt er den Grund für unsere Reise nach Burkina Faso auf den Punkt: Wir sind hier, um herauszufinden, was europäisches Milchpulver und die europäische Exportstrategie in Burkina Faso bewirken. Wir, das ist eine Delegation vom Dachverband europäischer Milcherzeuger, dem European Milk Board, und Vertreter deutscher Nichtregierungsorganisationen.

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Die Milchproduktion liegt in Burkina Faso in Frauenhänden; 95 Prozent der burkinischen Milch wird von ihnen produziert. Fotos: Misereor

Höfe mit 160 Kühen sterben aus – in Burkina Faso kaum zu glauben

Deutlich wird derzeit in Afrika wie in Europa: Die Export- und Wachstumsstrategie des Milchsektors geht nicht auf, es herrscht Krisenstimmung bei den Milchbauern. Schätzungen gehen davon aus, dass in Schleswig Holstein die Hälfte aller Milchbauern in den nächsten fünf Jahren aufhören muss. Der Milchpreis ist derzeit auf 20 Cent gefallen  – das Doppelte wäre notwendig, um Produktionskosten decken zu können. Die Milchbauern Christoph Lutze und Johannes Pfaller, die uns nach Burkina Faso begleiten, werden immer wieder gefragt, warum sie sich auf die Reise begeben. „Wir wollen nicht, dass unsere Probleme exportiert werden. Europa muss etwas tun, um die Milchmengen zu regulieren. Wer andere Länder an der Entwicklung hindert, verhindert die eigene Entwicklung“, sagtJohannes Pfaller. Er selbst hat in Deutschland einen Hof mit 120 Kühen, 100 Hektar Land und produziert jährlich rund eine Million Liter Milch. Seit der Milchkrise 2009 engagiert sich Johannes Pfaller im Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM). Der Milchbauer Christoph Lutze aus Norddeutschland hört mit und nickt. Er will wissen, ob Burkina Faso selbst genug Milch produzieren kann. „Mir ist wichtig, die Milchbauern in Burkina Faso kennen zu lernen – ich will mit eigenen Augen sehen, wie sie leben“. Dass es in Deutschland Höfe wie Lutzes mit 160 Kühen gibt, die vermehrt um ihre Existenz kämpfen müssen, können viele hier in Burkina Faso nicht glauben.

Ihre Lebenswelt ist eine ganz andere, und trotzdem bewegen die Milchbauern aus Deutschland und Burkina Faso auf unserer Reise ähnliche Fragen: Wie sieht es mit dem Marktzugang aus, den Futtermitteln, der Ausbildung und der Tiergesundheit?

Deutsche und afrikanische Milchbauern Du bist kein Milchbauer, du bist Milchpulververkäufer (2)Milchproduktion in Burkina Faso: Niemand erwähnt die Peulh

Milchproduktion, Produktionsbedingungen und Erzeugerpreise sind auch in Burkina Faso, einem Land mit 10 Millionen Kühen bei rund 17 Millionen Einwohnern, ein umstrittenes Thema. Die Milchproduktion ist überlebenswichtig für die traditionellen Viehhirten Peulh. Gleichzeitig drängt seit Ende der Milchquote in Europa immer mehr Milchpulver auf dem Weltmarkt und hierher. Burkina Faso importiert jährlich Milchpulver im Wert von etwa 130 Mrd. CFA-Franc, umgerechnet 198 Millionen Euro. Zudem haben allein in Burkina Faso Importe von angereichertem Milchpulver in den letzten fünf Jahren auf über fünftausend Tonnen zugenommen. Die Regierung möchte daher nun den eigenen Milchsektor mit Millionensummen fördern und setzt dabei vor allem auf zwei große Regionen des Landes sowie den Bau zweier Großmolkereien in Koubri (Region Ouagadougou) und in der Region Bobo-Dioulasso – sie sollen die „bassins laitière“ Burkina Fasos werden. Besorgniserregend dabei ist: Die traditionellen Siedlungsgebiete der Peulh im Norden und Osten des Landes spielen in den Plänen der Regierung keine Rolle. Dabei brauchen gerade sie bessere Perspektiven für Einkommen und Beschäftigung.

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Die Regierung von Burkina faso möchte den eigenen Milchsektor mit Millionensummen fördern, doch die traditionellen Siedlungsgebiete der Milchviehhalter Peulh spielen in den Plänen keine Rolle.

Burkina Faso setzt die Selbstversorgung aufs Spiel

In Ouagadougou treffen wir Korotoumou Gariko. Die energische Frau ist Pionierin der Kleinstmolkereien in Burkina Faso. Seit 1987 produziert und verarbeitet sie Milch, 2001 gründete sie gemeinsam mit anderen Produzentinnen den „Runden Tisch Milch“, um ihren Absatz zu steigern. Die Milchproduktion liegt hier ganz in Frauenhänden; 95 Prozent der burkinischen Milch wird von ihnen produziert. „Als es lukrativ wurde, Milch zu produzieren, war es plötzlich auch für die Männer interessant und sie wollten in unsere Kooperative aufgenommen werden. Aber das konnten wir verhindern“, lacht sie. Den Frauen ist es wichtig, unabhängig zu sein. Ihr Ansehen in der Gesellschaft sei gestiegen, seit sie für das Auskommen der Familie sorgen können. Bei der Frage nach den Milchpulverimporten wird Korotoumou Gariko wütend: „Unsere Politik geht in eine falsche Richtung. Die Milch wird nur noch auf dem Weltmarkt gehandelt. Burkina Faso setzt damit seine eigene Ernährung aufs Spiel. Es sollte eine Politik geben, die den gesamten Milchsektor fördert, damit alle Milchproduzenten ihre Produktion erhöhen und einen guten Preis bekommen können. Das geht nicht, wenn billiges Milchpulver aus Europa Konkurrenz macht“. Schon jetzt kostet das Pulver nur halb so viel wie lokale Milch, überall auf den Märkten und in Kiosken finden wir kleine Tütchen davon. Umgerechnet kostet aus Milchpulver und Pflanzenfett hergestellte Milch etwa 34 Cent, lokale Milch zwischen 76 Cents und 1,10 Euro.

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Schon jetzt kostet europäisches Milchpulver nur halb so viel wie lokale Milch in Burkina Faso. Überall auf den Märkten und in Kiosken findet man kleine Tütchen davon.

Aus Produzenten werden Konsumenten

Wir treffen uns auch mit burkinischen Parlamentariern des Umweltausschusses. Schon der Eingang in das Parlamentsgebäude überrascht; überall hängen Fotos von den Tagen des Volksaufstandes und Militärputsches vergangenes Jahr, bei denen das alte Parlamentsgebäude bis auf die Grundmauern niedergebrannt ist.  Es sind intensive Gespräche; sich gegenseitig zuhören und verstehen – darum geht es. René Millogo, Koordinator bei der Misereor-Partnerorganisation Pasmep, wirft ein: „Sie wollen uns von Produzenten zu Konsumenten machen.“ Mit „sie“ meint er die großen Milchpulverexporteure. Die Abgeordneten sehen durchaus die Notwendigkeit, den eigenen Milchmarkt zu schützen.

Deutlich wurde allen Beteiligten in Burkina Faso: Ob sich die traditionelle lokale Milcherzeugung und deren Wertschöpfung weiterentwickelt, hängt nicht nur von der Unterstützung des Staates ab, sie hängt vor allem auch von der europäischen Wirtschaftspolitik und der Marktorientierung europäischer Milchkonzerne ab. Immer wieder gab es aber auch ermutigende Momente; ob auf deutscher, oder burkinischer Seite. Auf einer dreitägigen Feier zu Ehren der lokalen Milch bekommen die Molkereien Preise überreicht, die sich im letzten Jahr besonders gut entwickelt haben. Stolz berichten die prämierten Frauen über ihre Erfolge. Verliehen wird ihnen eine stolze goldene Peulh-Frau, die Kalebassen trägt – natürlich mit lokaler Milch.

 


Weitere MerkenWeitere Informationen:

Hintergrundpapier „Billiges Milchpulver für die Welt“

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Kerstin Lanje arbeitete als Expertin für Welthandel und Ernährung bei MISEREOR.

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