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Großgrundbesitzer und Revolvermänner massakrieren Indigene in Brasilien

Erst vor wenigen Monaten reiste die UN-Sonderbeauftragte Victoria Tauli-Corpuz nach Brasilien, um von der brasilianischen Regierung einen stärkeren Schutz der indigenen Völker bei Menschenrechtsverletzungen im Bundesstaat Mato Grosso do Sul einzufordern. Allerdings mit bisher geringem Erfolg. Die seit Monaten zunehmenden Gewalttaten der Agro- und Viehzuchtlobbyisten in Mato Grosso do Sul gegen die indigene Völker der Guarani-Kaiowa fanden in der vergangenen Woche ihr jüngstes Todesopfer. Was war geschehen?

Elson Canteiro Gomes, 28 anos, na retomada Toropaso - na Fazenda Yvu, Caarapó, MS.

© Ana Mendes/Cimi

An einem Sonntag mitte Juni besetzten etwa 300 indigene Menschen die nicht bewohnte Fazenda „Yvu“ in der Nähe der Stadt Caarapo (Fazenda ist die brasilianische Bezeichnung für Großgrundbesitz). Die Familien errichteten dabei auf dem 490 Hektar umfassenden Gebiet einfache, mit Plastikfolien überdachte Schlaflager. Nach den Berichten von Elson Canteiro Gomes, einem der Anführer der Indigenen, wurde die Gruppe zwei Tage später am frühen Morgen von der Ankunft von etwa 200 Fahrzeugen überrascht. Eine Gruppe von etwa 70 Großgrundbesitzern und Revolvermännernn, die meisten von ihnen in schwarzer Kleidung, umzingelten von verschiedenen Seiten das Lager und fingen an wahllos, teils mit Gummigeschossen, teils mit schwerer Munition auf die Masse zu schießen. Die indigene Gruppe erwiderte die Angriffe mit Pfeil und Bogen, ohne allerdings jemanden auf der anderen Seite zu verletzen.

Bloqueio policial na entrada da Reserva Te'yikue - que dá acesso a retomada Toropaso, Caarapó, MS

© Ana Mendes/Cimi

Der 26-jährige Gesundheitsagent Clodione Aquileu Rodrigues de Souza war einer der ersten, der vom Kugelhagel getroffen wurde. Er starb noch vor Ort. Fünf weitere Personen, darunter ein Kind, wurden mit schweren Schussverletzungen ins nächstgelegene Krankenhaus eingeliefert. Drei von ihnen, einschließlich dem 12-jährigen Josiel Benites, wurden noch am gleichen Tag notoperiert. Sie befinden sich inzwischen außer Lebensgefahr. Nachdem die Menschen in alle Richtungen flohen, steckten die Großgrundbesitzer und deren Revolverbande zurückgebliebene Motorräder und sonstige Habseligkeiten der indigenen Gruppe in Brand und verließen anschließend den Ort.

Der indigene Missionsrat CIMI, ein enger Projektpartner von MISEREOR, charakterisiert den Angriff als paramilitärisches Massaker und weist darauf hin, dass in der Vergangenheit bereits 25 ähnliche Angriffe stattfanden. Die Umweltschutzorganisation ISA (Instituto Socioamiental) spricht auf ihrer Internetseite von einem weiteren, von Großgrundbesitzern gesteuertem Killerkommando.

Indígenas na retomada da Fazenda Novilho, Caarapó

© Ana Mendes/Cimi

Die Fazenda „Yvu“ ist Teil eines 55.590 Hektar umfassenden Gebietes, welches von den Völker der Guarani-Kaiowa als Stammesland ihrer Vorfahren beansprucht wird und sich aktuell im Prozess der Demarkierung als indigenes Schutzgebiet befindet. Die im Mai abgesetzte Regierungschefin Dilma Rousseff hatte als eine ihrer letzten Amtshandlungen noch notwendige Dokumente zur Ratifizierung der indigenen Gebiete unterzeichnet.

Vom Stammesland vertrieben

Ruy Sposati Cimi

© Ruy Sposati /Cimi

Bereits gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurden die ersten indigenen Völker in Mato Grosso do Sul von ihrem Stammesland vertrieben. Im zwanzigsten Jahrhundert intensivierten sich die Vertreibungen und fanden ihren Höhepunkt in den 60-70 Jahren, als die damalige brasilianische Regierung damit begann, die Ländereien an Ackerbauern und Viehzüchter zu verkaufen. Die indigenen Menschen der beiden Ethnien Guarani-Kaiowa wurden dabei in insgesamt acht, viel zu kleine Reservate zwangsumgesiedelt. Heute, 40 Jahre später, sind diese Reservate völlig überfüllt. Im Reservat „Dourados“ leben beispielsweise mehr als 15.000 Menschen auf engsten Raum. Die indigenen Völker haben auf den winzigen Flächen keinerlei Chance, ihre kulturelle Lebensform und ihre Existenz zu sichern.

Daher haben sich viele von ihnen entschlossen, die Reservate zu verlassen, um auf ihr angestammtes Land zurückzukehren. Sie kampieren heute in kleineren Camps an Straßenränder oder in kleineren Waldstreifen auf den Fazendas und fordern mit Vehemenz ihre Landrechte ein. Für die Guarani-Kaiowa ist die Rückkehr in die Heimat ihrer Ahnen ein nackter Kampf ums Überleben, für den sie notfalls auch bereit sind zu sterben.

Über den Autor: Stefan Kramer leitet die MISEREOR Dialog- und Verbindungsstelle in Brasilia.

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Stefan Kramer leitet die MISEREOR Dialog- und Verbindungsstelle in Brasilia/Brasilien.

2 Kommentare Schreibe einen Kommentar

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    Wir dürfen nicht wegschauen .Unsere Erde ist in einen sehr traurigen Zustand. Weltweit!! Sie kann nicht über Gebühr strapaziert werden. …Ich werde mich mit der Hilfsaktion in Verbindung setzen und alles erdenkliche tun, um zu helfen

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    Cimi dankt für Eure Solidarität und für die Öffentlichkeit die Ihr der Sache der Guarani im deutschen Sprachraum gebt. Hinhören und Weitersagen ist sehr wichtig in einer Welt, in der wir von sovielen Greuelnachrichten und Konsumangeboten bestürmt werden. In drei Wochen, am 15. Juli, feiern wird den 40jährigen Gedenktag der ersten Martyerer des Eingeborenen Missionsrates (Cimi), Rudof Lunkenbein und Simon Bororo. Als es um die Vermessung des Territoriums der Bororo ging, wurden sie ermordet. Möge der Segen dieser beiden Martyrer in besonderer Weise über Misereor und seinen Helfern ruhen, heute am Fest eines anderern Martyrers, der hier in Brasilien besonders gefeiert wird, der Hl. Johannes der Täufer.
    Seid dem treuen Gott befohlen,
    Paulo Suess

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