Im Rahmen einer Delegationsreise zur diesjährigen MISEREOR-Fastenaktion sind wir in Burkina Faso, dem „Land der aufrechten Menschen“. Burkina Faso ist stark landwirtschaftlich geprägt, doch viele Menschen leiden nach wie vor Hunger. Mit welchen Herausforderungen haben Landwirte und Viehhalter hier zu kämpfen? Und welche guten Ideen haben sie, um diese Herausforderungen anzugehen?
Um uns diesen Fragen anzunähern, bin ich unterwegs zusammen mit deutschen Landwirten, Politikern, Journalisten und Bischof Stephan Ackermann sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem Bistum Trier, wo die Fastenaktion 2017 am 5. März eröffnet wird. Wir sind hier, um von den Burkinabé zu hören, um unsere Brille einmal andersherum aufzusetzen und ihren Blick besser verstehen zu lernen.
Tag 1
Besonders berührt hat mich heute der Besuch einer Familie, die zum traditionellen Volk der Peulh gehört. Die nahende Hitze des noch jungen Tages lag schon in der Luft, als wir morgens aufbrachen. Unser Bus bahnte sich den Weg zwischen Autos, Mofas und Kühen. Die Peulh leben von Viehhaltung und Milchproduktion, die meisten auf dem Land, einige auch in der Hauptstadt Ouagadougou. An der Seite dieser Menschen steht unsere Partnerorganisation PASMEP. Fatimata Valea Diallo, Mitarbeiterin von PASMEP und selbst eine Peulh, führte uns zu ihrer Familie. Ihre Mutter berichtete, wie ihre traditionelle Lebensweise zunehmend erschwert wird. Sie erzählt uns von Problemen bei der Vermarktung ihrer Milch. Immer weniger junge Peulh sähen ihre Zukunft in der Viehhaltung, da sie von der gewonnenen Milch kaum leben könnten. Voller Stolz ist sie jedoch darüber, dass sich ihr Sohn letztes Jahr dazu entschlossen habe, Viehhalter zu werden. Dank der guten Ideen von PASMEP schöpft sie neuen Mut. Auch mir macht diese Begegnung Mut, Mut und Neugier auf die guten Ideen, die wir in den nächsten Tagen kennenlernen werden.
Tag 2
Heute besuchten wir ein Projekt unserer Partnerorganisation DIOBASS, knapp 100 Kilometer nordwestlich von Ouagadougou gelegen. In Burkina Faso lebt die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung auf dem Land und meist unter sehr schwierigen Bedingungen. Der Bezirk Gomponsom zählt rund 18.000 Einwohner und wurde erst 2016 an das Stromnetz angeschlossen. Bürgermeister Ousmane Kalaga erzählte uns von fehlenden Schulen, der schlechten Anbindung an Infrastruktur und an das Gesundheitssystem und der vor allem schwierigen Ernährungssituation.
Unter diesen Bedingungen beeindruckte uns besonders das Selbstbewusstsein, der Tatendrang und der kreative Zukunftssinn der Menschen. Auf die Frage, welche Stärken ihre Gemeinde auszeichnen, fiel jedem und jeder eine Antwort ein: „Wir arbeiten viel und sind sehr fleißig!“, „Frauen machen mehr als die Hälfte der Bevölkerung aus. Wir haben viele junge Menschen. Das ist ein großes Kapital, das wir fördern müssen!“, „Wir haben viel Sonne, daraus müssen wir Energie gewinnen!“, „Wir haben viel Erde und Ackerland!“ Und vor allem: „Wir haben dank DIOBASS einen Stausee, aus dem wir nun unsere Felder bewässern können!“
Dieser Stausee ist in der Regenzeit 56 Kilometer lang und stellt in der ansonsten sehr trockenen Region ganzjährig die Bewässerung der Felder sicher. So sahen wir kurze Zeit später, nach viel Staub und Dürre, blühende Gemüsefelder vor uns. Inmitten der grünen Oase stellten wir fest, dass der Staudamm nicht die einzig gute Idee der Burkinabé für die Herausforderungen in ihrer Landwirtschaft ist. Die Bäuerin Assieta Zida berichtete davon, wie ihre Ernte früher kaum ausreichte, um ihre sieben Kinder zu ernähren. Dann begann sie, sich in der Aktionsforschungsgruppe von DIOBASS zu engagieren und fand Lösungen für viele ihrer Probleme. Lokale Mittel gegen Blattkrankheiten, gegen Unkraut und als Schutz vor Insekten lassen ihre Ernte heute besser ausfallen. Diese kreative Kraft beeindruckt. „Wir sind sehr glücklich, dass Sie aus Deutschland kommen, um unsere Erfolge zu sehen, die ohne DIOBASS nicht möglich gewesen wären. Wir wünschen Ihnen in Deutschland das gleiche Glück, das uns hier dank DIOBASS zuteilwurde“, ließ uns Assieta Zida zum Abschied wissen.
Tag 3
Im Mittelpunkt des heutigen Tages stand der Kontakt mit der burkinischen Kultur, mit Politik und Kirche, die eng miteinander verwoben sind. Am Morgen nahmen wir an einer jahrhundertealten Tradition, dem Abreiseritual des Mogho Nabas, des Königs der Mossi, teil.
Die Mossi sind die größte Volksgruppe in Burkina Faso und ihr König Mogho Naba eine von der großen Mehrheit der Burkinabé anerkannte Autorität. Nach dem Militärputsch im September 2015 verhinderte er einen Gewaltausbruch und sorgte für einen Ausgleich der Interessen. In unserer Audienz bekräftigte er, wie wichtig die lebendige Zivilgesellschaft für ein friedliches Zusammenleben und eine gesicherte Zukunft der Burkinabé ist. Dabei kommt auch den traditionellen religiösen Autoritäten eine kaum zu unterschätzende Rolle zu.
Gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen hatten wir im Anschluss die Gelegenheit zu einem Treffen mit Abgeordneten des Ausschusses ländliche Entwicklung des burkinischen Parlaments. Unsere Partnerorganisationen konnten in diesem Rahmen ihre Forderung und Wünsche vorbringen. Die Parlamentarier berichteten von den Problemen in der Landwirtschaft und Viehhaltung, vom Wassermangel bis hin zur Lagerung und Vermarktung ihrer Produkte. Von diesen Herausforderungen berichtete uns auch die Vollversammlung der gemeinsamen Bischofskonferenz von Burkina Faso und dem Niger, mit der wir abends in Manga zusammentrafen. Nach einem Gespräch über die Rolle der Kirche in den zwei Ländern luden die Bischöfe uns zu einem vielfältigen, kulturellen Abend ein. Die Diözese Manga liegt im Süden von Burkina Faso. In dieser Region haben viele traditionelle Viehhalter der Peulh mit geringen Erträgen und der Konservierung ihrer Milch zu kämpfen. Unsere Partnerorganisation PASMEP entwickelte zur Lösung dieser Probleme gemeinsam mit verschiedenen Frauengruppen innovative Ideen.
Tag 4
Kurz vor der Grenze zu Ghana erreichten wir am Morgen das Dorf Tambolo. Die Dorfbevölkerung erwartete uns bei der Ankunft bereits im Schatten der Bäume. „Ihr Besuch zeugt von der Wertschätzung der Frauen, die hier Motor von Entwicklung sind. Wir allen können auf das Erreichte stolz sein. Mit der Tatkraft der Frauen werden wir große Fortschritte machen“, sagte uns der Bürgermeister der Gemeinde, Victor Akohove, zur Begrüßung.
Die Frauen in Tambolo hatten es früher sehr schwer. Als Analphabetinnen waren sie größtenteils auf das Einkommen ihrer Männer angewiesen, die als Halbnomaden viele Monate mit ihren Herden umherzogen auf der Suche nach Weideland. Durch die Organisation PASMEP lernten die Frauen das Rechnen und Schreiben. Anschließend entstand mit der Unterstützung der Partnerorganisation eine von den Frauen geleitete Mini-Molkerei im Ort, dank derer die Frauen nun Milch pasteurisieren und konservieren und durch den Verkauf ein eigenes Einkommen erzielen. Nach anfänglicher Skepsis unterstützen ihre Männer diese Arbeit. Mittlerweile behalten die Frauen die besten Tiere zur Milchwirtschaft im Ort. Durch das zusätzliche Einkommen können viele der Kinder aus Tambolo zur Schule gehen und die Frauen selbst bilden Rücklagen für weitere Investitionen.
Diese Hilfe zur Selbsthilfe verhalf ihnen zu einem Leben in mehr Würde. Die Präsidentin der Frauenvereins, welche die Mini-Molkerei betreibt, Mariam Diallo, zeigte uns stolz das neue Haus ihrer Familie im Dorf, das sie sich von dem zusätzlichen Geld leisten konnte. „Früher hatten wir vor allem in der Trockenzeit Schwierigkeiten, als die Kühe wenig Milch gaben. Seit PASMEP uns geholfen hat die Mini-Molkerei einzurichten, leben wir unter besseren Bedingungen“, sagte sie mit einem Blick auf ihr Haus.
Die Früchte der Arbeit unserer Partner zu sehen, erfüllt mich mit großer Freude und hinterließ bei der gesamten Reisegruppe einen bleibenden Eindruck. Wir alle entdeckten unter der Dorfbevölkerung nach kurzer Zeit das Mädchen unseres Aktionsplakates, welches uns gelehrt hat, die Brille einmal andersherum aufzusetzen und mit einer neuen und anderen Perspektive auf Afrika zu blicken. Eine Perspektive, welche den Kontinent Afrika mit seinen enormen Potentialen in den Blick nimmt statt Krisen, Krankheiten und Katastrophen. Mit diesem Blickwinkel gehen wir motiviert in die Fastenzeit, um all die Ideen und Potentiale weiter wachsen zu lassen.
Tag 5
Am letzten Tag unserer Reise besuchten wir morgens einen wunderbaren Gottesdienst in der Pfarrei „Jean XXII“: Afrikanisch bunt, laut und fröhlich. Nachmittags blieb unserer Reisegruppe Zeit, die vielen Eindrücke der letzten Tage gemeinsam zu reflektieren. Die Diskussionen und die Vielfalt innerhalb der Gruppe, mit den verschiedenen Perspektiven aus Politik, Landwirtschaft, Kirche und Presse, empfanden wir alle als sehr bereichernd. Ein gemeinsames Abendessen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Partnerorganisationen ließ die Reise ausklingen. Mit großer Dankbarkeit und mit einem neuen und differenzierteren Bild von Afrika geht es nun zurück nach Hause. Dieses wollen wir versuchen, während der Fastenzeit in Deutschland zu vermitteln.
Mehr zur Fastenaktion…
Unter dem Leitwort „Die Welt ist voller guter Ideen. Lass sie wachsen.“ rückt die Fastenaktion 2017 Menschen in den Mittelpunkt, die in Burkina Faso, am Rande der Sahelzone, ideenreich und mit neuen Methoden höhere Einkommen erwirtschaften und damit die Ernährung und Versorgung für sich und ihre Familien sicherstellen.