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Bundestagswahl 2017 – Was sagt die deutsche Politik zur Agenda 2030?

Wie können wir den Klimawandel eindämmen? Wie begegnen wir der wachsenden Ungleichheit? Wie lässt sich der Hunger weltweit überwinden? Das wollten MISEREOR und Brot für die Welt von den Generalsekretären und Bundesgeschäftsführern der im Bundestag vertretenen Parteien CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und CSU wissen. Eingeladen hatten die beiden kirchlichen Hilfswerke am 25. April 2017 in die Friedrichstadtkirche am Berliner Gendarmenmarkt. Mehr als 400 Zuschauer waren gekommen, um zu erfahren, wo die Agenda 2030 in den Wahlprogrammen der Parteien verankert ist.

Die Berliner Runde mit ihren beiden Gastgebern: Dr.h.c. Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin von Brot für die Welt, und Pirmin Spiegel, Hauptgeschäftsführer von MISEREOR, v.l.n.r.: Moderator Michael Bauchmüller, Süddeutsche Zeitung; Thomas Silberhorn, CDU; Dr. Katarina Barley, SPD; Matthias Höhn, Die Linke; Pirmin Spiegel, MISEREOR; Michael Kellner, Bündnis 90/Die Grünen; Cornelia Füllkrug-Weitzel, Brot für die Welt und Dr. Peter Tauber, CDU. Foto: Hermann Bredehorst

Hier sind einige Antworten:

ZIEL 2 der Agenda 2030: „Bis 2013 den Hunger beenden, Ernährung sichern und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern“

Die Zahl der Hungernden liegt bei knapp 800 Millionen. Zählt man diejenigen dazu, die zwar satt werden, aber armutsbedingt nicht genügend Vitamine und Mikronährstoffe bekommen, haben wir es mit rund zwei Milliarden Mangelernährten zu tun. Wie kann der Hunger besiegt und eine wachsende Weltbevölkerung ernährt werden, ohne dass dadurch die Umwelt noch stärker belastet wird?

Dr. Peter Tauber, Generalsekretär der CDU „Zu den internationalen Verpflichtungen, die Deutschland eingegangen ist, werden wir weiter stehen und Mittel zur Verfügung stellen. (…) Ich glaube, dass Abschottung nicht die Antwort sein kann auf diese Herausforderung, sondern dass wir eher eine intensivere internationale Zusammenarbeit brauchen. Wir wollen Fluchtursachen wirksam bekämpfen, Menschen in ihrer Heimat eine Perspektive geben und wir brauchen eine völlig neue Strategie in der Zusammenarbeit mit Afrika.

Dr. Katarina Barley, Generalsekretärin der SPD „Wenn es um Hunger geht, müssen wir unsere eigene Ernährungs- und Subventionspolitik überdenken: dass es nicht um ‚immer größer, immer effizienter‘ geht, sondern es auch in Deutschland und auf der europäischen Ebene zu einer nachhaltigen Strategie kommt.“ Foto: Hermann Bredehorst

Matthias Höhn, Bundesgeschäftsführer der Partei DIE LINKE „Wir müssen endlich darüber reden, ob es sinnvoll und nachhaltig ist, mit Waffen Geld zu verdienen, dadurch Konflikte herbeizuführen, die wir bitter bezahlen müssen und durch die so viele Opfer zu beklagen sind.“

Michael Kellner, Bundesgeschäftsführer von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Wenn wir weiterhin dafür sorgen, dass Agrarmärkte außerhalb der Europäischen Union durch eine unfaire EU-Agrarpolitik zerstört werden, wenn wir sehen, was für eine Fischereipolitik wir betreiben, dann haben wir eine Mitschuld an der Verschärfung der Hungerkrise.“ Foto: Hermann Bredehorst

Thomas Silberhorn, Parlamentarischer Staatssekretär im BMZ, in Vertretung für CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer „Unser Ansatz sind natürlich die Kleinbauern, schon alleine weil sie den Großteil der Bevölkerung der Gesellschaften ausmachen. Wenn wir dort nicht ansetzen, dann können wir den Hunger nicht wirksam bekämpfen. Aber es ist auch klar: Man muss den Kleinbauern eine Perspektive über die Subsistenzwirtschaft hinaus geben. Denn solange die Mehrheit der Bevölkerung nur für die eigene Familie wirtschaften kann und nicht darüber hinaus, wird das nicht genügen, um den Hunger zu bekämpfen. Es gibt also Bedarf, die Wertschöpfungsketten zu verbreitern.“

Pirmin Spiegel, Hauptgeschäftsführer von MISEREOR „Wir sehen die heutige Diskussion als einen Ansporn für die Vertreter der Parteien, dass sie die gestellten Fragen mit in die politische Debatte aufnehmen und konkrete Vorschläge für die Überwindung von Hunger, die Eindämmung des Klimawandels und die Reduzierung der wachsenden Ungleichheit in ihren Wahlprogrammen verankern.“ Foto: Hermann Bredehorst

 

ZIEL 13 der Agenda 2030: Umfassender Klimaschutz:

Deutschland hat sich im Pariser Klimaabkommen von 2016 zu weitreichenden Maßnahmen im Klimaschutz verpflichtet. Wie wollen Sie mit Ihrer Partei in den nächsten vier Jahren konkret dazu beitragen, CO2 substanziell einzusparen und unsere Wirtschafts- und Verkehrssysteme auf eine nachhaltige Weise umzugestalten?

Dr. Katarina Barley (SPD) „Den Bereich Erneuerbare Energien haben wir in Deutschland sehr ausgebaut. Natürlich kann das immer noch mehr sein. Aber ich muss auch hier anmerken: Wir können nur dann Modellland sein, wenn wir es schaffen, den energetischen Umbau unserer Gesellschaft so hinzubekommen, dass er als Gesamtpaket funktioniert, was unser Wirtschaftssystem angeht und was unsere sozialen Strukturen betrifft.“

Dr. Peter Tauber (CDU) „Ich kann dieses Gerede über den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs nicht mehr hören. Weil mir keiner sagt, wie man es bezahlt. Ich komme vom Dorf. Der ÖPNV Berlin ist eine herrliche Sache. Aber um dasselbe Maß an Mobilität in meinem Dorf zu generieren, sind Sie alle nicht bereit, die notwendigen Steuern zu zahlen. (…) Und deswegen sage ich, es braucht alternative Antriebssysteme zum Verbrennungsmotor, und vor allem müssen wir auf automatisiertes Fahren und neue Technologien setzen. Nur dann haben wir die Möglichkeit, auch im ländlichen Raum Alt und Jung die Mobilität zu gewährleisten, die sich in einer freiheitlichen Gesellschaft jeder wünschen würde.“ Foto: Hermann Bredehorst

Michael Kellner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)  „Wir brauchen einen Kohleausstieg und zwar sofort. Wir müssen die zwanzig dreckigsten Meiler innerhalb der nächsten zehn Jahre abschalten, um überhaupt zum Pfad des Klimaschutzes zurückzukommen.“ (…) „Wir brauchen Mut zum Wandel. Mut zur Veränderung. Der Grund, warum die CO2-Emissionen in Deutschland steigen, ist der Verkehr. Das heißt, wir müssen den Mut haben, dort Veränderungen zu gestalten. Wir Grünen haben gesagt, wir wollen ab 2030 Elektromobilität. Bis dahin sollen keine dreckigen Verbrenner mehr vom Band laufen.“

Matthias Höhn (DIE LINKE) „Wir sagen, bis 2035 soll das letzte Atomkraftwerk vom Netz gegangen sein.“ (…) „Der Strukturwandel ist keine Floskel. Die Frage der Ansprache, wie wir politisch über dieses Thema reden, ist wichtig. Die Kohlekumpel, die noch dort arbeiten, dürfen nicht den Eindruck haben, sie sind die Idioten des Landes, die minderwertige Arbeit machen.“

Das Interesse an der ‚Berliner Runde‘ war groß: Mehr als 400 Gäste kamen am 25. April 2017 in die Friedrichstadtkirche am Berliner Gendarmenmarkt, um zu hören, wie die Parteien die Agenda 2030 konkret umsetzen wollen. Foto: Hermann Bredehorst

 

ZIEL 10 der Agenda 2030: Ungleichheit in und zwischen den Ländern verringern

Fast überall geht die Schere zwischen Reich und Arm immer weiter auseinander. Wie lässt sich die Ungleichheit in und zwischen den Staaten verringern, wenn in der Realität genau das Gegenteil geschieht?

Michael Kellner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) „Die Entfesselung der Finanzmärkte ist ein ganz großer Treiber für Ungleichheit. Wir meinen die Steuersümpfe und die Steuervermeidung großer internationaler Konzerne, die sich immer wieder Steuerschlupflöcher zunutze machen. Eine konkrete programmatische Forderung ist, dass wir einen Minimalstandard bei der Unternehmenssteuer haben und es schaffen, das gegenseitige Unterbieten von Steuersätzen innerhalb der europäischen Union einzuschränken. Wir müssen in Deutschland Verrechnungs-und Steuersparmodellen einen Riegel vorlegen, die internationalen Konzernen ermöglichen, ihre Gewinne durch die Gegend zu schieben, so dass sie sich auf Null rechnen können.“

Matthias Höhn (DIE LINKE) „Die unteren 40 Prozent in der Bundesrepublik haben heute weniger in der Tasche als in den 90er Jahren. Da ist doch irgendwas falsch gelaufen bei der Frage der Belastung. Wir sind in der Lage, das geschickt umzuverteilen: untere Einkommensbezieher steuerlich zu entlasten und obere Einkommensbezieher mehr zu belasten, ohne dass man damit gleich den Sozialismus einführt.“

Thomas Silberhorn (CSU) „Eine erste Maßnahme, um Ungleichheit zu reduzieren, ist Zugang und Chancen zu schaffen: Zugang zu Land und Finanzen, Zugang zu Bildung und Gesundheit, zu Energie, zu Infrastruktur, zu Digitalisierung, Zugang zu Justiz. Als zweites braucht es Ausgleichssysteme, insbesondere durch Steuergerechtigkeit. Es macht ja keinen Sinn, dass die Staatenwelt sich gegenseitig austrickst. Und das ist nicht nur eine Frage zwischen Nord und Süd. Das beginnt ja schon in der europäischen Union.“ Foto: Hermann Bredehorst

Dr. Katarina Barley (SPD) „Gerechtigkeit und Gleichheit sind kein Luxus, den man sich leisten kann, wenn es einem wirtschaftlich gut geht. Es ist gerade umgekehrt: Sie sind eine Voraussetzung dafür, dass ein Land stabil ist und wirtschaftlich erfolgreich sein kann. Dafür brauchen wir Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit. Wer in Deutschland aus einem Geringverdiener-Haushalt stammt, bleibt mit 70 Prozent Wahrscheinlichkeit Geringverdiener – das sagt eine OECD-Studie. Die Durchlässigkeit in unserem Bildungssystem ist stark verbesserungsbedürftig.“

So war’s gedacht: Auch vor und nach der offiziellen Runde auf der Bühne wurde weiterdiskutiert. Foto: Hermann Bredehorst

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Nina Brodbeck ist Referentin für Kommunikation bei Misereor.

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