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Freiwilligendienst Reverse: Begegnung auf Augenhöhe

Wie sie den deutschen Alltag in den vergangenen zwölf Monaten erlebt haben, das symbolisieren Subhadra Kaul (24), Jyoti Shukla (21) und Bienfait Uwizeye (26) auf ungewöhnliche Weise: Mit Fieberkurven, die in ihrer Wechselhaftigkeit eher an einen Börsensaal erinnern. Und doch eindrucksvoll zeigen, wie sehr man mit Aufs und Abs rechnen muss, wenn man ein neues Land, eine unbekannte Sprache, eine herausfordernde Arbeit und viele unterschiedliche Menschen kennenlernt.

MISEREOR-Geschäftsführer Thomas Antkowiak bedankte sich bei Jyoti, Bienfait und Subhadra (von links) für ihre engagierte Arbeit in Kölner Sozialprojekten.

Die Frauen stammen aus Indien, der Mann kommt aus Ruanda – und alle drei sind Pioniere. Für sie hat MISEREOR zum ersten Mal einen Freiwilligendienst organisiert, der mit umgekehrten Vorzeichen stattfindet. Dass junge Deutsche sich aufmachen nach Asien, Afrika und Lateinamerika, um dort in Projekten des Aachener Hilfswerks zu arbeiten, ist ein seit Jahren erfolgreiches Modell im Rahmen des „weltwärts“-Programms. Dass nun aber auch ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Partnerorganisationen aus Ländern des globalen Südens bei uns Dienst tun, ist für MISEREOR etwas Neues. Immerhin:  Der erste Probelauf wird in diesen Tagen abgeschlossen. Subhadra, Jyoti und Bienfait kehren in ihre Heimatländer zurück, zwei neue Freiwillige aus Kolumbien und Ruanda gehen bereits in Kürze an den Start einer zweiten Runde.

Freiwilligendienst ist keine Einbahnstraße

MISEREOR-Geschäftsführer Thomas Antkowiak betont: „Uns ist wichtig, dass sich alle Beteiligten bei den Freiwilligendiensten auf Augenhöhe begegnen.“ Sprich: So etwas darf keine Einbahnstraße, sondern soll im Idealfall in beiden Richtungen selbstverständlich sein.  Die ersten Erfahrungen seien jedenfalls erfreulich, unterstreicht Antkowiak. „Das Deutsche Rote Kreuz und die Caritas in Köln,  bei denen die drei jungen Leute tätig geworden sind, ziehen ein positives Fazit und haben uns deutlich gesagt, dass sie mit diesem Freiwilligendienst gerne weitermachen würden.“

Die beiden Inderinnen und der Ruander sind denn auch mit großem Elan und Engagement in ihr Abenteuer in Deutschland gestartet, und wie sehr sie sich dabei angestrengt haben, könne man schon daran erkennen, dass alle drei sehr gut Deutsch gelernt haben, sagt Anna Steinacher, die als MISEREOR-Referentin zusammen mit ihrer Kollegin Katharina Koller den Freiwilligendienst betreut. Und durch die Bank hätten die jungen Leute sich bestens integriert und schnell in ihre Aufgaben hineingefunden – etwa in einer Flüchtlingsunterkunft in Köln-Ehrenfeld oder einem kirchlichen Jugendcafé der Domstadt.

Gelernt: Dinge mit Humor nehmen

Loben ihre tolle Zusammenarbeit: Bienfait Uwizeye und Sophie Tritschler, die für die ausländischen Freiwilligen als Mentorin gewirkt hat.

Was sie dabei gelernt haben? Vor allem Schwieriges und Ungewohntes zu bewältigen: Mut, auf andere zuzugehen, zum Beispiel. Problemlesekompetenz. Frustrationstoleranz. Planvoll arbeiten. Zeitmanagement. Dinge mit Humor nehmen. Aber auch etwa: Fahrradfahren in der Innenstadt. Von alldem sollten die Freiwilligen in ihrem weiteren Leben profitieren können.

Ja, auch die Erfahrung, nicht für Freiwillige, sondern für Geflüchtete gehalten zu werden, gehört zu dem Jahr in Köln, von dem Subhadra, Jyoti und Bienfait berichten. Und mit der AfD auch fremdenfeindliche Tendenzen in Deutschland festzustellen – damit muss man erst einmal klarkommen.

Und dennoch: Das Positive überwiegt bei Weitem. „Wir leben doch alle in einem globalen Dorf und gehören einfach zusammen“, sagt Subhadra. „Deshalb sollten wir uns auch immer gegenseitig unterstützen.“

Nun also bauen sie in ihren Heimatländern weiter an ihrer Zukunft. Und werden nach einem Jahr Köln das ungezwungenen Beisammensein im Karneval und die familiäre Atmosphäre zu Weihnachten sicher in bester Erinnerung behalten.

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Ralph Allgaier arbeitet als Pressesprecher bei Misereor.

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