Kein Alkohol. Keine Süßigkeiten. Und die Zigaretten bleiben in der Schachtel. Fasten hat Konjunktur, und auch in Deutschland wird in der Zeit zwischen Aschermittwoch und Ostersonntag liebgewonnen Gewohnheiten abgeschworen, auf Genussmittel verzichtet und vom Auto auf den Drahtesel umgestiegen. Warum? Weil es gut tut zu merken, dass wir nicht immer und überall alles brauchen? Weil das Weniger mehr Freiheit eröffnet? Weil Verzicht auch Gewinn bedeutet? Nicht nur für den Einzelnen, auch für die Gesellschaft?
MISEREOR ist diesen Fragen bei einem Fastenseminar in Köln nachgegangen:
Nahm das Thema mit Humor: Kölner Urgestein Wilibert Pauels, seines Zeichens Büttenredner und Diakon. Foto: Ralph Allgaier/MISEREOR
„Mir gefällt ein Ausspruch von Nikolaus Cusanus: Gott ist der Zusammenfall aller Gegensätze. Insofern stellt sich nicht die Frage nach Kirche oder Karneval. Sondern es ist ganz klar: Exzessiv feiern und Fasten – das gehört zusammen.“
Fasten kann Menschen für drängende gesellschaftliche Fragen sensibilisieren, davon ist Georg Stoll, entwicklungspolitischer Referent bei MISEREOR überzeugt. Fasten und Teilen gehören für ihn zusammen. © Ralph Allgaier/MISEREOR
„In der Werbung heißt es ständig: Sichern Sie sich schnell noch dieses oder jenes. Diese Strategie setzt auf die Sorge, zu kurz zu kommen. Sich aus diesen Zwängen zu befreien, kann uns neue Freiräume eröffnen.“
Hat unseren Ressourcenverbrauch im Blick: Carolin Baedeker ist Forschungsgruppenleiterin der Forschungsgruppe „Nachhaltiges Produzieren und Konsumieren“ am Wuppertal Institut. Die Forschungsgruppe formuliert als Ziel die „8-Tonnen Gesellschaft“ und geht der Frage nach, wie wir in den Bereichen Ernährung, Wohnen und Mobilität unser Verhalten so ändern können, dass wir nur mehr 8 Tonnen „Natur“ verbrauchen. Zur Zeit verbraucht jeder Bundesbürger etwa 40 Tonnen „Natur“ im Jahr. © Ralph Allgaier/MISEREOR
„In den wohlhabenden Staaten verbrauchen 20 Prozent der Menschheit 80 Prozent der Ressourcen. Würden wir so weitermachen, bräuchten wir mehrere Planeten.“
Fasten und Helfen haben für MISEREOR von Anfang an nicht nur eine individuelle, sondern vor allem auch eine politische Dimension. Es geht darum, den Mächtigen in „Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Medien „ins Gewissen zu reden, um die politischen, ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen zu ändern und der ungleichen Verteilung von Gütern entgegenzuwirken. © Ralph Allgaier/MISEREOR
„Einen Weltsicherheitsrat haben wir schon. Ich würde mir wünschen, dass wir bald auch einen Weltumweltrat haben.“
„Unsere Leute brauchen mehr Teilhabe an der Gesellschaft“: Franz Meurer ist Pfarrer der katholischen Kirchengemeinde in den Stadtteilen Köln-Vingst und Höhenberg, laut Stern ein sozialer Brennpunkt und durch Meurers Schaffen auch ein Hort der Nächstenliebe. © Ralph Allgaier/MISEREOR
„Fasten ist ein Format, das dein Leben verbessert. Es ist eine gute Übung, Kindern am Anfang der Fastenzeit Schokolade unter der Bedingung zu schenken, dass sie diese erst Ostern essen dürfen.“
Sieht die Politik in der Verantwortung: Angelika Zahrnt ist Ehrenvorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und war von 1998 bis 2007 BUND-Vorsitzende. Angelika Zahrnt ist überzeugt: „Man sollte dazu stehen, dass man, wenn man etwas ändern möchte, auch auf etwas verzichten muss. Wenn ich zum Besipiel mein T-Shirt nicht mehr bei einem Billiganbieter kaufe, leiste ich materiellen Verzicht, habe aber immateriellen Gewinn.“ © Ralph Allgaier/MISEREOR
„Die Politik, von der Kommune bis zur Bundesebene, muss Bedingungen und Strukturen schaffen, die es leicht machen, sich umweltgemäßer zu verhalten. Für mich ist aber auch ganz klar: Wir brauchen nicht nur andere Autos, sondern wir brauchen weniger Autos.“
Frederik Schulze-Hamann ist Mitglied des Vorstands von Slow Food Deutschland und vertritt dort unter anderem die Interessen von Slow Food Youth. Schulze-Hamann betont die ethische Dimension von Ernährung: „Durch den Kauf hochwertiger Lebensmittel schätzt man wieder die Natur und die Arbeit der Bauern, als Erzeuger der Lebensmittel“. © Ralph Allgaier/MISEREOR
„Essen ist politisch. Verbraucherinnen und Verbraucher können dreimal am Tag mit darüber entscheiden, in welche Richtung sich der Lebensmittelmarkt entwickelt.“
„Es gibt Kraft, die Erfahrung zu machen, widerstehen, verzichten zu können, nicht alles haben zu müssen“: Nach einem Brasilienaufenthalt entschieden sich Roswitha Göbel-Wiemers und ihr Mann – beide Lehrer – regelmäßig eine größere Summe im Monat an MISEREOR zu spenden. Als Faustregel galt: Ungefähr die Höhe ihres Gehalts. Seit 1972 ist Roswitha Göbel-Wiemers ehrenamtliche Mitarbeiterin bei MISEREOR und im Bereich „Eine-Welt“ aktiv. © Ralph Allgaier/MISEREOR
„Einen größeren Teil seines monatlichen Einkommens zu spenden, bedeutet nicht, dass einem etwas fehlt. Wir leben hier doch alle sehr glücklich. Wenn den Menschen in Burkina Faso die Ernte ausfällt, haben sie im Gegensatz zu uns keine Möglichkeit, das ausreichend zu kompensieren.“