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Interview: „Wir brauchen eine Rohstoffwende“

Kupfer ist überall. Es wird in der Industrie eingesetzt, im Verkehrswesen und im Maschinenbau. Ohne Kupfer würde kein Strom fließen. Und es gäbe auch keine Energiewende. Denn der Rohstoff wird für den Netzausbau gebraucht, für Speichertechnologien und für technische Anlagen wie Windräder.

Leben am Fuße der Kupferminen: Die Armutszahlen in den Bergbauregionen Perus sind nach wie vor sehr hoch, obwohl immer behauptet wird, der Bergbau würde „Entwicklung“ und „Fortschritt“ bringen. Foto: Florian Kopp / Misereor

Deutschland ist stark auf den Import von Metallrohstoffen wie Kupfer aus dem Ausland angewiesen. 2016 importierte Deutschland zum Beispiel allein 370.000 Tonnen Kupferkonzentrate, davon kamen 22,5 Prozent aus Peru. Der Abbau von Kupfer dort geht einher mit Umweltverschmutzungen, Gesundheitsbelastungen, gewaltsamen Vertreibungen und einer wachsenden Zahl von sozialen Konflikten. „Die Leute in Peru haben keine Lust mehr, die Kosten für unseren hohen Rohstoffkonsum zu zahlen“, sagt Susanne Friess, Beraterin für Bergbau und Entwicklung bei MISEREOR. „Wir exportieren quasi die ökologischen und sozialen Kosten unseres hohen Rohstoffverbrauchs in Länder wie Peru.“

Eine aktuelle Studie der Berliner Humboldt-Universität, die in Kooperation mit MISEREOR und dem peruanischen Netzwerk „Red Muqui“ entstand, zeigt auf, welche verheerenden Auswirkungen der Bergbau in Peru hat und welche Einkommensalternativen es für die Menschen dort gibt, um von der Rohstoffabhängigkeit wegzukommen. Ein Gespräch mit den Autoren:

Herr Jahncke, das Netzwerk Red Muqui, für das Sie tätig sind, hat gemeinsam mit MISEREOR die Studie „Entwicklungsalternativen in Bergbauregionen Perus“ in Auftrag gegeben. Warum?

Javier Jahncke: „In Peru ist der wirtschaftliche Sektor, der am meisten von der Regierung gefördert wird, der Bergbausektor. Das hat zu einer starken Abhängigkeit der Bevölkerung von Bergbauaktivitäten geführt. Wir wollten aufzeigen, dass die Konzentration auf den Bergbau erhebliche Probleme mit sich bringt und andere Wirtschaftssektoren benachteiligt. Eine Diversifizierung der ökonomischen Aktivitäten ist dringend notwendig. Die Studie soll zu einer öffentlichen Debatte beitragen, in der die realen Kosten des Bergbaus sichtbar gemacht werden. Offiziell werden in den Rechnungen nur die Einnahmen aus dem Bergbau gerechnet. Doch die wahren Kosten werden nicht miteinkalkuliert – etwa die ökologischen, sozialen und gesundheitlichen Kosten. Darüber hinaus untersucht die Studie auch die Potentiale für eine alternative wirtschaftliche Entwicklung in den Bergbauregionen und wie sie gefördert werden müssen, damit sie ein nachhaltiges ökonomisches Modell ermöglichen, das die traditionelle Lebensweisen der Bevölkerung respektiert.“

Javier Jahncke vom Netzwerk Red Muqui. Die Mehrzahl der MISEREOR-Partnerorganisationen, die in Peru zum Thema Bergbau arbeiten, hat sich dem Netzwerk angeschlossen. Das Netzwerk analysiert Bergbaukonflikte und erarbeitet anhand der Praxisfälle konkrete Vorschläge an die Politik. Foto: Brodbeck/Misereor

Welche sind die konkreten Auswirkungen des Bergbaus in den betroffenen Regionen?

Javier Jahncke: „Zum einen schädigt der Bergbau die Wasserressourcen und bringt damit Nachteile für andere ökonomische Sektoren, die von dem Wasser abhängen, etwa die Landwirtschaft oder die Viehzucht. Zudem bringt es durch die Zerstörung der Landschaften und wichtigen archäologischen Zonen klare Nachteile für den Tourismus. Zum anderen ist die Entscheidung über die Bodennutzung in den Bergbauzonen von den Unternehmen aufgezwungen: Es existiert keine Beteiligung der Bevölkerung an Entscheidungsprozessen. Die Menschen werden nicht gefragt. Entscheidungen werden sogar über lokale und regionale Entscheidungsträger hinweg getroffen, was demokratische Prozesse untergräbt. Oft werden Menschenrechte verletzt, da Bauern und Bäuerinnen von ihrem Land vertrieben werden, und es entstehen gravierende soziale Konflikte. Auch die Gesundheitsschäden durch kontaminiertes Wasser und durch Schwermetalle belastetes Gemüse sind äußerst schwerwiegend.“

Will zur Debatte um Einkommensalternativen in den Berbauregionen Perus einen wissenschaftlichen Beitrag liefern: Moritz Fichtl, Mitglied im Forscherteam des Seminars für Ländliche Entwicklung (SLE) der Humboldt-Universität. Foto: Malu Tello

Herr Fichtl, Herr Bittner, Sie sind Mitautoren der Studie. Was ist Ihr Fazit nach Ihren Untersuchungen in Peru?

Moritz Fichtl: „Dass schwerwiegende Umweltauswirkungen und Menschenrechtsverletzungen in den Bergbauregionen existieren und dass die traditionelle, familiäre Landwirtschaft dadurch bedroht ist. Diese Zusammenhänge müssen weiter untersucht und aufgezeigt werden.“

„Beteiligung der Bevölkerung ist wichtig“: Constantin Bittner, Mitglied im SLE-Forscherteam der Humboldt-Universität. Foto: Malu Tello

Constantin Bittner: „Die Studie liefert Ansätze für Einkommensalternativen zum Bergbausektor, die sich vor allem in der ökologischen Landwirtschaft finden. Allerdings sollten konkrete Umsetzungspläne nicht von hier entwickelt werden, sondern vor Ort. Die Beteiligung der Bevölkerung und die Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse und Wünsche sind dabei die wichtigsten Ansatzpunkte.“

Ist angesichts der genannten Probleme so etwas wie nachhaltiger Bergbau überhaupt möglich?

Javier Jahncke: „Nachhaltiger Bergbau ist nicht möglich, aber nachhaltigerer Bergbau ist ein Muss. Zum Beispiel sollte Bergbau nur dort erlaubt sein, wo die Bevölkerung miteinbezogen wird, keine fundamentalen Rechte verletzt werden und keine zu fragilen Ökosysteme geschädigt werden. Da Peru kaum angemessene Umwelt-und Sozialrahmenbedingungen hat, müssen internationale Standards eingehalten werden. Hier stehen die Bergbauunternehmen sowie ihre Herkunfts- und Konsumländer in klarer Verantwortung.“

„Die Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, den Rohstoffverbrauch in Deutschland absolut zu senken. Die Steigerung der Ressourceneffizienz alleine genügt nicht, um dieses Ziel zu erreichen“ Susanne Friess ist Beraterin für Bergbau und Entwicklung bei MISEREOR. Foto: Brodbeck/Misereor

Frau Friess, wo sehen Sie unsere Mitverantwortung für die Situation in den Bergbaugebieten Perus?

Susanne Friess: Wir importieren sehr viele Rohstoffe aus Peru, gleichzeitig exportieren wir aber auch die ökologischen und sozialen Kosten unseres Lebensstils, denn beim Abbau der Mineralien, die wir für unser Auto, unser Handy oder unseren Computer benötigen, werden häufig Menschenrechte verletzt und die Umwelt stark verschmutzt. Die Menschen, die im Umfeld der Minen leben und damit die ökologischen und sozialen Kosten tragen müssen, sind immer weniger bereit, dies zu akzeptieren. Unser ständig wachsender Rohstoffkonsum führt in den Abbauländern daher immer häufiger zu gravierenden Konflikten. Wir alle tragen Verantwortung: Konsumenten, Unternehmen und Politik. Wir müssen unseren Rohstoffkonsum reduzieren, da es planetarisch nicht tragbar ist, diesen Lebensstil weiter zu führen. Die Unternehmen tragen eine Mitverantwortung, was entlang der Lieferketten passiert. Und die Politik muss über Gesetze dafür Sorge tragen, dass Wirtschaftsunternehmen keine Menschenrechtsverletzungen begehen oder die Umwelt hier oder anderswo verschmutzen.

Was sind Ihre Forderungen?

Susanne Friess: Die Politik muss klare Richtlinien zum nachhaltigeren Rohstoffabbau vorgeben. Die Bundesregierung strebt immer mehr „Wenden“ an, wie die Mobilitätswende oder die Energiewende, doch auch dies geschieht auf Kosten von weiterem Rohstoffverbrauch. Sie hat keine Antwort auf die Frage, wie wir unseren Rohstoffkonsum reduzieren können. Wir hoffen, dass es bald nicht nur Leitlinien, sondern Gesetze zur Unternehmensverantwortung geben wird. Zudem sollte die Bundesregierung das UN-Treaty (internationales Abkommen zur Haftung von Unternehmen bei Menschenrechtsverletzungen) unterstützen und den Prozess nicht blockieren.

Das Gespräch führten Malu Tello und Nina Brodbeck

Studie zum Download:  „Entwicklungsalternativen in Bergbauregionen Perus – Umweltauswirkungen des Bergbaus und Einkommensalternativen in der Landwirtschaft in Junín und Cajamarca“.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Nina Brodbeck arbeitet bei Misereor in der Abteilung Kommunikation.

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